Von Beust ruft zu Aufarbeitung des Wahlergebnisses der Union auf

Wahlen werden nicht in der Mitte gewonnen

Berlin. Der frühere Erste Bürgermeister von Hamburg, Ole von Beust (CDU), hält eine Aufarbeitung des Bundestagswahlergebnisses der Union für „dringend geboten“. Dieses sei „enttäuschend schlecht“, schreibt von Beust in einem Gastbeitrag für die „Welt“. Er skizziert darin fünf Themenfelder, die er für entscheidend hält. Der ehemalige CDU-Politiker kritisiert unter anderem die Auffassung, dass Wahlen in der Mitte gewonnen würden. „Das stimmte bis in die 90er-Jahre, weil eine relativ kulturell identische Mitte, zwar mit Einkommensspreizung, aber ähnlicher Sozialisierung und ähnlichen Wünschen, über 70 Prozent der Gesellschaft prägte. Diese Mitte besteht heute nur noch scheinbar“, schreibt von Beust.

Er sieht stattdessen drei große Wählergruppen: Erstens die Globalisierungsgewinner, zweitens die „alte Mitte mit zum Teil bescheidenem, aber gefährdetem Wohlstand“ sowie drittens eine Gruppe, „die früher vom Sozialismus oder dem rheinischen Kapitalismus umsorgt wurde, heute aber den Anschluss verloren hat“. Von Beusts Fazit: „Wahlen werden nicht mehr gewonnen, wenn sich nur eine dieser Gruppen durch die Politik verstanden oder repräsentiert fühlt.“ Zudem konstatiert der Christdemokrat: Je mehr sich die Gesellschaft verändere, umso wichtiger sei es, dass der Staat „über die Einhaltung der Regeln wacht und Fehlverhalten sanktioniert. Was eine Gesellschaft nicht aushält, ist das Aufstellen von Regeln ohne Konsequenzen beim Regelverstoß.“ Zu solchen Verstößen zählt er etwa „die konsequenzlose Nichtbefolgung von Ausreiseverpflichtungen, die massenhafte Einstellung von Verfahren sogenannter Bagatelldelikte“ sowie das „Durchgehenlassen“ von Manipulationen bei Abgaswerten.

„Law and Order, und zwar für alle, hat nichts mit rechts zu tun, sondern ist Ausdruck notwendiger Autorität eines Staates, der sich ansonsten mit identitätsstiftender Symbolik zurückhält.“ Von Beust macht sich zudem für ein „Leitbild für Deutschland und Europa“ stark. Er sieht Frankreichs Präsident Emmanuel Macron als Vorbild, der kürzlich seine Ideen für Europa vorstellte. „Man mag sie nicht teilen, aber er hat immerhin welche. Ähnliches könnte man auch für Deutschland entwerfen.“ Einige Fragestellungen lägen auf der Hand, schreibt der frühere Hamburger Bürgermeister. „Wollen wir einen Geborgenheit versprechenden, alimentierenden Staat oder einen, der Leistung und Wettbewerb belohnt, aber allen die Chance der Teilnahme ermöglicht?“ Auch die Frage, wie viel Zuzug Deutschland vertrage, sowie die Bedeutung von Heimat und Patriotismus gehörten hierbei zu den wichtigen Themen. +++