Verwaltungsgericht ermöglicht „verhältnismäßige“ Fahrverbote

Hofreiter sieht Schuld bei Bundesregierung

Leipzig. Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am Dienstag Fahrverbote in den Städten möglich gemacht – allerdings sei bei der Prüfung von Verkehrsverboten für Diesel-Kraftfahrzeuge die Verhältnismäßigkeit zu beachten. Unionsrecht und Bundesrecht verpflichteten dazu, durch in Luftreinhalteplänen enthaltene „geeignete Maßnahmen“ den Zeitraum einer Überschreitung der seit 1. Januar 2010 geltenden Grenzwerte für NOso kurz wie möglich zu halten.

Damit bestätigte das Bundesverwaltungsgericht weitestgehend die Urteile der Vorinstanzen in Stuttgart und Düsseldorf – bis auf Details: Das Bundesrecht lasse zonen- oder streckenbezogene Verkehrsverbote speziell für Diesel-Kraftfahrzeuge nicht zu. Stattdessen müsse sich der Erlass von Verkehrsverboten an der sogenannten „Plakettenregelung“ orientieren. Für Stuttgart hatte das Verwaltungsgericht bereits festgestellt, dass lediglich ein Verkehrsverbot für alle Kraftfahrzeuge mit Dieselmotoren unterhalb der Schadstoffklasse Euro 6 sowie für alle Kraftfahrzeuge mit Ottomotoren unterhalb der Schadstoffklasse Euro 3 in der Umweltzone Stuttgart eine geeignete Luftreinhaltemaßnahme darstelle. Zur Herstellung der Verhältnismäßigkeit dürften Euro-5-Fahrzeuge jedoch nicht vor dem 1. September 2019, also vier Jahre nach Einführung der Abgasnorm Euro 6, mit Verkehrsverboten belegt werden, so die Leipziger Richter am Dienstag. Darüber hinaus bedürfe es hinreichender Ausnahmen, z.B. für Handwerker oder bestimmte Anwohnergruppen (AZ 7 C 26.16 – Urteil vom 27. Februar 2018).

Aus der Bundesregierung war aber ohnehin schon bekannt geworden, dass eine bundesweite Rechtsgrundlage zur Anordnung von streckenbezogenen Fahrverboten bei einer zu hohen Abgasbelastung in den Städten kommen soll. „Es soll eine neue Rechtsgrundlage zur Anordnung von streckenbezogenen Verkehrsverboten oder -beschränkungen zum Schutz der menschlichen Gesundheit vor Feinstaub oder Abgasen (Stickstoffdioxid) in der Straßenverkehrs-Ordnung (StVO) geschaffen werden“, schrieb das Bundesverkehrsministerium in der Antwort auf eine schriftliche Frage des Grünen-Abgeordneten Matthias Gastel. Die „Rheinische Post“ berichtete bereits am Wochenende darüber. „Die Regelungen könnten bereits Eingang in die nächste StVO-Novelle finden, die derzeit im Hinblick auf die Schaffung von Parkbevorrechtigungen für das Carsharing erarbeitet wird und noch in diesem Jahr abgeschlossen werden soll“, heißt es in der Antwort.

Hofreiter sieht Schuld bei Bundesregierung

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter hat der Bundesregierung nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts über die Zulässigkeit von Diesel-Fahrverboten jahrelange Untätigkeit vorgeworfen. „Das Urteil belegt, dass die Bundesregierung über Jahre die Hände in den Schoß gelegt hat“, sagte Hofreiter der „Rheinischen Post“. „Jetzt muss vor allem die Bundesregierung handeln. Die Bundesregierung muss den Kommunen endlich eine blaue Plakette an die Hand geben“, sagte Hofreiter. „Außerdem muss sie endlich die Nachrüstung dreckiger Dieselfahrzeuge auf Kosten der Autoindustrie durchsetzen“, sagte der Grünen-Politiker. „Darüber hinaus brauchen wir eine mutige und weitsichtige Offensive für Bus und Bahn.“ Unterdessen bezeichnete FDP-Chef Christian Linder Fahrverbote als falschen Weg. „Seit Jahren haben Politik und Verwaltung den Bürgern und Betrieben die Anschaffung von Dieselfahrzeugen fast aufgedrängt“, schrieb Lindner auf Twitter. „Wenn ihre Nutzung jetzt verboten wird, dann ist das kalte Enteignung und Wortbruch in einem.“ +++