Versammlung „Der III Weg“ – VG-Kassel gibt Eilantrag gegen Auflagen teilweise statt

Wachsfackeln auf eine Fackel je zehn Teilnehmer beschränkt

Das Verwaltungsgericht Kassel hat einem Eilantrag der Partei „Der lll. Weg“ teilweise stattgegeben, mit dem sich diese gegen einen versammlungsrechtlichen Auflagenbescheid der Stadt Fulda gewandt hat. „Der lll. Weg“ hat für den 16.02.2019 eine Versammlung (Aufzug) mit dem Thema „Ein Licht für Dresden“ angemeldet. Als Ort der Auftaktkundgebung wurde der Platz „Unterm Heilig Kreuz“ genannt. Die Aufzugsformation soll u.a. wie folgt aussehen: 6 Trommler, in Dreierreihen: Außen jeweils eine Person mit grüner Fahne, in der Mitte eine Person mit zwei Fackeln (sogenanntes Feuerband), bei der Auftakt und Schlusskundgebung der Einsatz von zwei bengalischen Fackeln, jedoch keine Rauchfackeln. „Strobolicht“ mit Fliegeralarm am Schlusskundgebungsort, um optisch und akustisch einen Fliegeralarm/Bombenangriff zu simulieren.

Am 05.02.2019 erließ die Stadt Fulda einen Bescheid, mit dem sie insgesamt 49 Auflagen anordnete. Unter anderem wurde abweichend von der Anmeldung als Ort der Auftaktkundgebung der Buttermarkt festgelegt, die Anzahl der Fahnen als Kundgebungsmittel auf eine Fahne je zehn Teilnehmer beschränkt, es wurde lediglich das Anzünden und Abbrennen von bis zu zwei Wachsfackeln ausschließlich während der Dauer der stationären Kundgebungen an dem Kundgebungsort gestattet, ferner wurden der Einsatz von Stroboskoplicht oder sonstigen Blitzeffekten während der Versammlung sowie die akustische Simulation eines Flieger- oder Luftalarms, insbesondere durch Abspielen eines Sirenentons, untersagt.

Außerdem wurde das Mitführen oder Zeigen von Trommeln, Fahnen, Transparenten oder sonstigen Gegenständen, auf denen das Symbol der „Schwarzen Sonne“ abgebildet sei untersagt, das Tragen von Bekleidungsstücken oder Aufnähern mit den Aufschriften „NS“, „NSD“, „NSDAP“, „SS“, „SA“ „A.C.A.8“, „18“, ,28″, „88“, „1919“, „H8″ oder mit Aufschriften oder Aufnähern, aus denen sich durch teilweises Überdecken die vorgenannten Buchstaben- bzw. Zahlenfolgen ergeben können. Zur Begründung führte die Stadt im Wesentlichen aus, sie gehe davon aus, dass der Teilnehmerkreis der angemeldeten Versammlung aus dem gesamten Spektrum der rechtsextremistischen Szene bestehen werde. Aus der Beschreibung des Themas der angemeldeten Demonstration und des zu erwartenden Teilnehmerkreises sowie der verteilten Werbeschriften würden sich konkrete Anhaltspunkte dafür ergeben, dass die Versammlung dafür genutzt werden soll, geschichtsrevisionistische Thesen zu verbreiten. Als Ort der Auftaktkundgebung sei in Kenntnis der historischen Bedeutung ein Platz gewählt, der als ehemaliger Adolf-Hitler-Platz als Aufmarschort nationalsozialistischer Versammlungen unter dem Hakenkreuz diente und der der geschichtsinteressierten Öffentlichkeit in Fulda als solcher noch im Bewusstsein sei. Als Kundgebungsmittel seien insbesondere Fahnen, Trommeln, Schilder und Fackeln vorgesehen. Der Aufzug solle sich eine Marschordnung in Dreierreihen mit Fahnen, Fackeln und weitgehend einheitlicher Parteikleidung geben. Dabei solle Musik von Richard Wagner gespielt werden. Der geplante Aufzug werde dadurch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit das Gepräge eines nationalsozialistischen Propagandaaufzuges annehmen. Der hieraus resultierenden unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung werde durch die verfügten Auflagen begegnet.

Durch Beschluss vom heutigen Tag hat die 6. Kammer des Verwaltungsgerichts dem Eilantrag – soweit die Auflagen angefochten worden sind – teilweise stattgegeben. Zur Begründung hat die 6. Kammer ausgeführt: Dass die geplante Auftaktkundgebung in Verbindung mit dem anschließenden Aufzug einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung darstellen würde, indem bewusst eine Assoziation mit dort stattgefundenen Aufzügen der Nationalsozialisten im Dritten Reich geweckt werden würde und somit das sittliche Empfinden der Fuldaer Bürger erheblich beeinträchtigt würde oder eine erhebliche Einschüchterungswirkung erzielt würde, habe die Stadt nach Auffassung der Kammer nicht hinreichend plausibel dargelegt. Zwar erscheine es durchaus möglich, dass“Der lll. Weg“ die historische Bedeutung des Platzes kenne und auch das von der Stadt vorgelegte Foto eines Fackelzuges entlang dieses Platzes. Ausgeschlossen erscheine auch nicht, dass die Veranstaltung hieran anknüpfen wolle. Allerdings sei diese Annahme weitgehend spekulativ. Zudem sei für die Kammer nicht erkennbar, dass diese Verknüpfung im Rahmen der geplanten Versammlung derart nach außen trete, dass ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung zu befürchten sei. Selbst nach dem Vortrag der Stadt sei die historische Bedeutung des Platzes während des Dritten Reiches allenfalls den geschichtlich interessierten Teilen der Fuldaer Bevölkerung gegenwärtig. Hinzu komme, dass nach einer Verordnung des Reichsinnenministeriums über die „Grundsätze für die Straßenbenennungen“ vom Juli 1933, in jeder Stadt die wichtigste Straße oder der zentrale Platz nach Adolf Hitler zu benennen war, ohne dass dies im Bewusstsein der Bevölkerung im Allgemeinen heute noch eine nennenswerte Rolle spielen würde. Zudem hätten in Fulda auch auf anderen Plätzen Aufmärsche der Nationalsozialisten stattgefunden, z.B. dem Domplatz und dem heutigen Universitätsplatz. Dass dem Platz „Unterm Heilig Kreuz“ insoweit eine besondere Symbolkraft zukäme, habe die Stadt nicht hinreichend dargelegt und sei auch nicht ersichtlich. Zudem sei die Argumentation der Gegenseite, der Kirche auf dem Platz „Unterm Heilig Kreuz“ komme insoweit eine Symbolwirkung zu, als diese von Bomben verschont geblieben sei, nicht von vornherein von der Hand zu weisen. Auch wenn die Fuldaer Bevölkerung dies nicht so sehe, weil der gesamte Platz verschont geblieben sei, sei es zumindest nachzuvollziehen, dass ,Der lll. Weg“ eine derartige Symbolik herstellen wolle und sich hierauf im Rahmen der geplanten Veranstaltung beziehe.

Jedoch sei die geplante lnszenierung, mit Trommelschlägen, Fahnen und Fackeln in Dreierformation (Fahnenträger außen, Fackelträger innen) sowie Musikbegleitung durch Fulda zu ziehen, um so den Eindruck eines „Feuerbandes“ hervorzurufen, geeignet, bei der Bevölkerung den Schrecken des NS-Regimes wachzurufen und die Angst vor gewaltbereiten Rechtsradikalen zu schüren. lnsbesondere in der NS-Zeit seien Fackelzüge zu Propagandazwecken eingesetzt worden und die Neonazis stellten sich mit Fackelumzügen in diese Tradition. Wenn sich insgesamt ein paramilitärisches Erscheinungsbild und das Gepräge eines nationalsozialistischen Aufmarsches ergebe, das geeignet sei, bei der Bevölkerung den Schrecken des NS-Regimes wachzurufen und die Angst vor gewaltbereiten Rechtsradikalen zu schüren, liege darin ein Verstoß gegen die öffentliche Ordnung.

Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebiete es aber, mit Beschränkungen nicht stärker in die Versammlungsfreiheit einzugreifen, als dies zur Abwehr der unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung erforderlich sei. Nach Auffassung der Kammer habe die Stadt mit dem Verbot, überhaupt Fackeln während des Aufzuges einzusetzen, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen, denn das generelle Verbot, während der Aufzuges Fackeln zu tragen, bedeute für den angemeldeten „Fackelzug“ nicht nur eine Beschränkung, sondern komme einer Abänderung gleich. Diese Beschränkung wirke auch deshalb besonders schwer, da dem Motto der Versammlung „Ein Licht für Dresden“ zumindest die Verwendung irgendeiner Lichtquelle entspreche. Die Stadt habe insofern nicht das mildeste Mittel gewählt, denn nach Auffassung der Kammer könne die einschüchternde Wirkung und der Eindruck eines nationalsozialistischen Aufmarsches auch durch gleich geeignete, weniger beeinträchtigende Auflagen abgemildert werden. Hier biete sich vorrangig eine zahlenmäßige Beschränkung der zu tragenden Fackeln im Zusammenhang mit einer Aufhebung der vom Veranstalter vorgesehenen Formation an, zumal ein besonderes Gefährdungspotential durch Wachsfackeln in der Fuldaer lnnenstadt nicht erkennbar sei. lnsbesondere das ungeordnete Gehen und Tragen von Fackeln und Fahnen werde nach Auffassung der Kammer entscheidenden Einfluss darauf haben, ob der Aufzug als ein Aufmarsch nationalsozialistischen Charakters mit der entsprechenden einschüchternden Wirkung wahrgenommen werde oder nicht.

Das Verbot des Abspielens eines Sirenentons erscheine dagegen rechtmäßig. lnsofern sei der Auffassung der Stadt zuzustimmen, dass das Abspielen eines Sirenentons zur akustischen Simulation eines Luftalarms im Rahmen einer Versammlung eine konkrete Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung darstelle. Zum einen könne ein solcher Sirenenton, auch wenn er nur für wenige Minuten im Rahmen einer Kundgebung abgespielt werde, zu panikartigem Verhalten führen, insbesondere beim Einsatz zusammen mit einem Lichteffekt. Zumindest bei Personen, die den Schrecken des Bombenkrieges persönlich miterlebt hätten, könne dies zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen. Ziel sei es ja gerade, einen Fliegerangriff zu simulieren. Zudem sei der Einsatz eines solchen Mittels den Katastrophenschutzbehörden der Länder vorbehalten. Nach § 6 Abs. 2 des Zivilschuz- und Katastrophenhilfegesetzes warnten die zuständigen Behörden auch vor den besonderen Gefahren im Verteidigungsfall. Wie die Stadt dargelegt habe, handele es sich bei dem Feueralarmsignal um ein behördlich festgelegtes Notzeichen. Der Einsatz einer Sirene zur Simulation eines Alarms dürfte daher einen strafbaren Missbrauch von Notzeichen darstellen. Dadurch, dass das Signal auch von Unbeteiligten, die keinen Zusammenhang mit der Demonstration herstellen könnten, als echter Alarm missverstanden werden könne. Damit bestehe auch insofern eine unmittelbare Gefahr für die öffentliche Sicherheit. Im Übrigen könne es langfristig zu einem Vertrauensverlust in die Richtigkeit von Alarmierungen führen, wenn solche Alarmierungsmittel zu anderen Zwecken als zum zivilen Katastrophenschutz eingesetzt würden.

Auch die Anordnung, mit der das Mitführen von Gegenständen mit dem Symbol der „Schwarzen Sonne“ untersagt werde, sei nicht gerechtfertigt. Dieses Verbot beziehe sich auf die Gefahrträchtigkeit des Symbolgehalts der Fahnen. Dem Vorbringen der Stadt, dass die Verwendung der „Schwazen Sonne“ im Rahmen eines rechtsextremistischen Aufzuges gegen die öffentliche Ordnung verstoße und deshalb ein Verbot rechtfertigen würde, vermochte dem die Kammer nicht zu folgen. Weder sei die Verwendung des Symbols als solches verboten, auch wenn es aus drei übereinandergelegten Hakenkreuzen bestehe, noch sei es generell verboten oder verstoße per se gegen die öffentliche Ordnung, sich als Rechtsextremisten zu erkennen zu geben. Infolgedessen legte die Kammer als Auftaktort den Platz“unterm Heilig Kreuz“ fest, beschränkte die Anzahl von Wachsfackeln auf zwei während der stationären Kundgebungen, letzteres allerdings mit der Maßgabe, dass die Anzahl der mitgeführten Wachsfackeln auf eine Fackel je zehn Teilnehmer beschränkt wird, und ordnete an, dass Lichteffekte lediglich während der Dauer der stationären Kundgebungen an den Kundgebungsorten zulässig sei. Gegen den Beschluss steht den verfahrensbeteiligten die Beschwerde zum Hessischen Verwaltungsgerichtshof zu, so das VG-Kassel. +++