Die US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) sieht den russischen Präsidenten Wladimir Putin nach dem abgebrochenen Vormarsch der Söldnertruppe Wagner mit einer "zutiefst instabilen" Lage konfrontiert. Der Aufstand von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin habe "schwere Schwächen" im Kreml und im russischen Verteidigungsministerium offenbart, heißt es in einer aktuellen Analyse des Instituts. Das vom weißrussischen Machthaber Alexander Lukaschenko ausgehandelte Abkommen sei unterdessen "eine kurzfristige Lösung, keine langfristige".
Das Bild von Putin, der im nationalen Fernsehen zur Beendigung einer bewaffneten Rebellion aufrufe und vor einer Wiederholung der Revolution von 1917 warne - und dann die Vermittlung eines ausländischen Anführers zur Beilegung der Revolte verlange - werde einen "bleibenden Eindruck" hinterlassen. Der Aufstand habe die Schwäche der russischen Sicherheitskräfte offenbart und gezeigt, dass Putin nicht in der Lage sei, seine Truppen "rechtzeitig" einzusetzen, um eine innere Bedrohung abzuwehren, so das ISW. Wagners Aktion habe auch den "Verfall der russischen Militärreserven" gezeigt, die fast ausschließlich für den Kampf in der Ukraine eingesetzt würden, sowie die Gefahren, die entstehen, wenn man sich bei der Verteidigung der russischen Grenzen auf unerfahrene Wehrpflichtige verlasse. Den baldigen Zusammenbruch der russischen Regierung sage man zwar nicht voraus, so die Denkfabrik weiter, nichtsdestotrotz würden Prigoschins Revolte und die ausgehandelte Lösung Putins Regierung und den russischen Kriegsanstrengungen in der Ukraine wahrscheinlich "erheblich schaden". Der Machtkampf zwischen Prigoschin und der russischen Militärführung war am Samstag eskaliert: Auf den Befehl des Söldner-Chefs hin waren Wagner-Truppen in Richtung Moskau aufgebrochen, später hatte er den Vormarsch aber abgebrochen und seine Söldner in ihre Feldlager zurückbeordert. Zuvor war ein Deal unter Vermittlung Lukasc henkos ausgehandelt worden, der Straffreiheit für die Söldner sowie eine Einstellung des Strafverfahrens gegen Prigoschin vorsieht. Der Söldner-Chef selbst soll laut Kreml ins Exil nach Weißrussland gehen. Es war zunächst völlig unklar, wie sich der Vorfall auf den Ukraine-Krieg sowie langfristig auf das Machtgefüge in Moskau auswirken wird. Auch mit Blick auf die Auslandseinsätze der Wagner-Armee, insbesondere in Afrika, gab es noch zahlreiche offene Fragen.
Heusgen: Machtkampf in Russland berührt Sicherheit in Europa nicht
Der Leiter der Münchner Sicherheitskonferenz, Christoph Heusgen, sieht die Sicherheit in Europa durch den Machtkampf in Russland nicht berührt. "Anders als beim versuchten Staatsstreich in der Türkei gegen Präsident Erdogan 2016 sind die Bürger in Russland nicht auf die Straße gegangen", sagte er der "Rheinischen Post" und dem "General-Anzeiger". "Diese apathische Reaktion zeigt auf der einen Seite, dass ein Bürgerkrieg nicht zu erwarten war, aber auch, wie weit der Kriegsverbrecher Putin und der Gangsterchef Prigoschin von der Bevölkerung entfernt sind." Von dieser innerrussischen Auseinandersetzung sehe er die europäische Sicherheit nicht berührt. CDU-Außenpolitiker Norbert Röttgen sieht unterdessen die Autorität des russischen Präsidenten durch den Machtkampf stark beschädigt. "Diese eineinhalb Tage haben der Autorität Putins einen schweren Schlag versetzt", sagte er der "Rheinischen Post" und dem "General-Anzeiger". Prigoschins Putschversuch sei ein "Scheitern Putins". Erst die Vermittlung des weißrussischen Staatschefs Alexander Lukaschenko, der eigentlich von Putin "völlig abhängig" sei, habe die Lage entschärft. "Putin muss auf die Bestrafung der Putschisten verzichten, erneut ein Zeichen von Schwäche. Putin wird sich hiervon nicht mehr erholen." Zu möglichen Gründen für den von Prigoschin dann gestoppten Marsch seiner Söldner nach Moskau sagte Röttgen: "Vielleicht wissen wir noch nicht alles von dem Deal. Es spricht viel dafür, dass Prigoschin sich militärisch und politisch überschätzt hat." Der CDU-Außenpolitiker spricht sich weiter für eine Aufnahme der Ukraine in die Nato aus, sobald die Bedingungen dafür gegeben seien. "Ich halte die Nato-Mitgliedschaft der Ukraine für die einzige wirksame Abschreckung gegenüber künftigen russischen Aggressionen und darum für unverzichtbar, sobald die Voraussetzungen vorliegen. Aber dagegen gibt es Widerstand, noch von den USA und auch seitens der Bundesregierung. +++







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