Nachdem sich der erste Lockdown bald jährt, stellt sich die Frage nach der aktuellen Situation an den Schulen. Ein großer Teil der hessischen Schüler befindet sich noch im Distanzunterricht und hat nun die Schule seit über zwei Monaten nicht mehr besucht. Während sich die Abschlussklassen und die Klassen der Jahrgangsstufe 1 bis 6 im Wechselunterricht befinden, bleiben die Jahrgangsstufen 7 bis 11 noch immer unberücksichtigt. Aber auch diese Schüler brauchen den Schulalltag. Es gibt immer mehr Schülerinnen und Schüler, die immer weniger in der Lage sind, ihren Alltag, ohne die vorgegebenen Strukturen alleine zu Hause zu strukturieren und stattdessen in einer Lethargie versinken. Jugendliche brauchen die Gesellschaft anderer Jugendlicher, Videokonferenzen können dieses grundlegende Bedürfnis nicht ersetzen. Schülerinnen und Schüler sowie Eltern und Lehrkräfte stehen dem hilflos gegenüber. Besonders in sozial schwachem Umfeld bringt die Perspektivlosigkeit alle Beteiligten an ihre Grenzen. Im Gegensatz zur Wirtschaft fehlt dieser Gruppe eine einflussreiche Lobby, die für die Rechte der Schülerinnen und Schüler kämpfen kann. Die langfristigen Konsequenzen für die Jugendlichen sind nur schwer absehbar.
Lehrkräfte verbringen Stunden damit ihren Schülern hinterherzutelefonieren, schreiben zahllose E-Mails oder fahren sogar zuhause vorbei.Dies ist nicht auf Dauer leistbar und zeigt nicht den gewünschten Erfolg. Schülerinnen und Schüler werden abgehängt. Es müssen Konzepte her, wie man dies wieder aufarbeitet, wenn die Situation sich beruhigt hat. Damit meinen wir nicht die Osterferiencamps, die das Hessische Kultusministerium gerne als Aushängeschild nutzt. Gerade im H/R Bereich mit inklusiv zu beschulenden Schülerinnen und Schülern brauchen die Lehrkräfte Unterstützung, beispielsweise durch BFZ (=Beratungs- und Förderzentren) Kräfte, um die Schüler wieder dauerhaft und erfolgreich in die Schule zu bekommen. Schulabsentismus birgt eine große Gefahr. Im Hinblick auf die Beschulung von inklusiven Schülerinnen und Schüler ist festzustellen, dass diese nicht im Handlungsfokus des Kultusministers stehen. Genauso wenig scheinen erfolgreiche Gespräche während der Lockdownzeiten mit den Schulträgern nicht stattgefunden zu haben, zumindest sind vor Ort fast keine Veränderungen der zum Teil desaströsen Rahmenbedingungen feststellbar. Auch den Schülerinnen und Schülern, die sich noch im Distanzunterricht befinden, sollte es schnellstmöglich ermöglicht werden, wieder zeitweise in die Schule zu gehen. Selbstverständlich sollte dies mit einem landesweiten Sicherheitskonzept einhergehen. Es gibt zwar einen umfangreichen Hygieneplan, der immer wieder mal erneuert wird, aber ein wirklich tragfähiges Konzept, um die Schulöffnungen sicher zu gestalten, fehlt. Es gibt Schulträger, die sich bereits um eine Testung von Schülern bemühen, dies ist aber nicht überall der Fall. So etwas sollte erfolgen, bevor man die Schulen wieder öffnet, um ein schnelles „Wieder-Schließen-müssen“ zu verhindern.
Die Schulen warten auch immer auf ergänzende und unterstützende Maßnahmen, um das Hygienekonzept zu etablieren. So könnten beispielweise Kohlenstoffdioxidmessgeräte das Lüftungskonzept effektiver und sicher gestalten. Die Grundschüler und die Klassen 5 und 6 sind im Wechselunterricht. Aber wie sieht es vor Ort aus? Die räumlichen und technischen Bedingungen an den allermeisten Schulen haben sich nicht verbessert. Weder die sanitären Anlagen sind entsprechend aufgerüstet, noch kann man überall die Fenster problemlos zum Lüften öffnen. Zudem gibt es noch immer zahlreiche Schulen, die entweder kein ausreichend starkes WLAN haben, oder noch nicht einmal alle Gebäudeteile mit WLAN ausgestattet haben. Und das nach über einem Jahr Pandemie. Aber auch die Lehrergeräte sind bisher noch nicht an den Schulen angekommen. Es fehlen zudem Ansprechpartner für Eltern, Schüler und Lehrkräfte, die bei IT-Problemen helfen können. Wieder einmal werden die Schulen alleingelassen mit ihren Problemen und müssen mit viel Engagement eigene Lösungen finden. Zurzeit kümmern sich meist Lehrkräfte an den Schulen weit über ihre verpflichtenden Deputate hinaus um IT-Probleme zu lösen. Hier muss es professionelle Unterstützung geben, die sich auch um die Einrichtung und Wartung der Schülergeräte kümmert. Generell sollten die Klassenräume so ausgestattet sein, dass man mit einem mobilen Endgerät arbeiten kann. Es gibt noch zahlreiche Schulen, an denen man froh ist, wenn man einen funktionierenden Overhead Projektor findet.
Die Abschlussklassen sind zwar in Präsenz an den Schulen, dennoch müssten die Abschlussprüfungen an die erschwerten Bedingungen angepasst werden. Die Schülerinnen und Schüler stehen unter großem Druck und es findet weniger Unterricht statt als in der Stundentafel vorgesehen. Die meisten Kurse müssen aufgrund der Größe geteilt werden und durch den permanenten Wechsel zwischen den beiden Gruppen ist ein sinnvolles Unterrichten kaum möglich. Dass Lehrkräfte zwischen zwei Klassenräumen hin und her laufen, um geteilte Klassen zu unterrichten, ist unter didaktischen und pädagogischen Gesichtspunkten ein Zustand, der ineffizient und gesundheitsgefährdend ist. Manche Bundesländer impfen bereits ihre Lehrkräfte, aber auch dies läuft in Hessen nur sehr zögerlich an. Bisher sind Impfungen nur für die Grundschul- und Förderschulkolleginnen und -kollegen geplant. Wann diese starten sollen, ist allerdings noch fraglich. Die Organisation ist mehr als unzufriedenstellend. Warum sollen nicht alle Lehrkräfte, die in Präsenz unterrichten, auch jetzt schon geimpft werden? In anderen Bundesländern wurden bereits die Lehrkräfte geimpft, die in den Klassen 5 und 6 eingesetzt werden. Wenn man die Zahl der Kontakte anschaut, welche Lehrkräfte an einem Tag haben, so sollte jedem bewusst sein, dass dies eine große Gefahr birgt. Insbesondere die Lehrkräfte, die inklusiv beschulte Kinder unterrichten, müssen besonders geschützt werden. Diesen Kindern fallen die Hygienemaßnahmen aus den verschiedensten Gründen sehr schwer und können oft nicht eingehalten werden.
Neben anderen Berufsgruppen, die einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind, sollte man die Lehrkräfte nicht vergessen. Unser Ministerpräsident denkt über weitere Öffnungen nach und eventuell den ungenutzten Impfstoff AstraZeneca der gesamten Bevölkerung zur Verfügung zu stellen. Hier müssen zuerst alle berücksichtigt werden, die besonderen Risiken ausgesetzt sind - unter anderem auch alle hessischen Lehrkräfte und an Schulen tätigen Personen. Das Recht auf Unversehrtheit ist ebenso ein Grundrecht wie das Recht auf Bildung - ohne gesunde Lehrer kann keine Schule das leisten, wozu sie da ist: Kinder auf ihrem schulischen Entwicklungsweg zu unterrichten, zu erziehen, zu fordern und zu fördern. Schaut man sich die Zahlen bei den Corona-bedingten Krankschreibungen an, sieht man welche Gruppen am häufigsten betroffen sind: Lehrkräfte und Erzieherinnen. Es macht uns fassungslos, dass zahlreiche Dosen Impfstoff ungenutzt rumliegen, während alle sehnsüchtig auf ein Impfangebot warten. Es wird so dargestellt, als wolle niemand diesen Impfstoff, dies ist so nicht zutreffend. Aber nicht nur bei den Impfungen muss schnell etwas geschehen, auch die Digitalisierung muss dringend vorangetrieben werden. +++

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