Umweltministerin zeigt Verständnis für Bauernproteste

Bündnis aus Landwirtschaft und Gesellschaft fordert: Bauernhöfe unterstützen

Angesichts der neuen Bauernproteste will Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) den Landwirten den Rücken stärken. „Ich habe Verständnis für die Proteste. Viele unserer Landwirte stehen mit dem Rücken zur Wand. Bei 69 Cent für einen Liter Milch und Schleuderpreisen für Fleisch können es die Bauern kaum schaffen, gleichzeitig die Umwelt zu schützen, für sauberes Trinkwasser zu sorgen und die Artenvielfalt zu erhalten“, sagte Schulze der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Die Preise „immer weiter zu drücken“ und gleichzeitig „hohe Qualität und Umweltschutz“ zu verlangen, das gehe einfach nicht. „Wir brauchen deswegen eine Art Gesellschaftsvertrag. Der muss sicherstellen, dass unsere Bauern ausreichend Geld bekommen, auch von der EU, damit sie die Erwartungen erfüllen können“, so die SPD-Politikerin weiter.

Konkret heiße das: „Keine Subventionen für Flächenbesitz, sondern Förderung von Landschaftserhalt und artgerechter Tierhaltung. Für den Gesellschaftsvertra g müssen wir alle an einen Tisch holen: Landwirte, Umweltschützer, Verbraucher und den Handel. Nur im Dialog kommen wir aus der zugespitzten Lage wieder heraus“, so die Umweltministerin. Im Streit über schärfere Gülle-Regeln bleibt sie indes hart: „Wir reißen in Deutschland seit 15 Jahren die europäischen Nitrat-Grenzwerte im Grundwasser. 15 Jahre ist es nicht gelungen, die Landwirte dazu zu bringen, weniger zu düngen“, sagte Schulze. Die EU-Kommission habe Deutschland verurteilt, „weil wir im Vergleich zu allen unseren Nachbarn zu wenig dagegen machen“. In der Bundesregierung herrsche deswegen Einigkeit darüber, „dass wir für eine Einhaltung der Nitrat-Grenzwerte sorgen werden“, so die SPD-Politikerin weiter. Forderungen aus Niedersachsen, die strengeren Gülle-Regeln nicht überall anzuwenden, wies sie als „absurd“ zurück. „Es sind ausschließlich die roten Gebiete, in denen wir große Probleme haben. Deshalb haben wir sie gekennzeichnet. Innerhalb der roten Gebiete Ausnahmen zu erlau ben wäre absurd und würde uns dem Ziel, für sauberes Grundwasser zu sorgen, überhaupt nicht näherbringen“, so die Umweltministerin. Auch Rufe nach Überprüfung der Nitrat-Messungen, wie sie Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) angeregt hatte, seien sinnlos. „Wer hofft, veränderte Messungen würden das Problem entschärfen, irrt. Das Messstellennetz ist schon vervierfacht worden“, sagte Schulze der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Nicht nur die Bundesländer, sondern auch die Wasserversorger würden immer wieder zu hohe Belastungen feststellen. „Wir können gerne noch mehr Messstellen aufstellen, noch mehr messen und die Messungen überprüfen. Aber so lässt sich das Problem nicht lösen. Wir haben ein massives Nitrat-Problem. Wir müssen die Ursachen dafür bekämpfen und nicht denjenigen, der das Problem meldet“, so die SPD-Politikerin.

Bündnis aus Landwirtschaft und Gesellschaft fordert: Bauernhöfe unterstützen

Bauernhöfe unterstützen, Insektensterben stoppen und konsequenten Klimaschutz – das fordern 27.000 Menschen bei der „Wir haben es satt!“-Demonstration zum Auftakt der „Grünen Woche“ in Berlin. „Wir haben die Alibi-Politik des Agrarministeriums gehörig satt!“, sagt Bündnis-Sprecherin Saskia Richartz. Die Bundesregierung trägt die Verantwortung für das Höfesterben und den Frust auf dem Land. Seit 2005, als Angela Merkel Kanzlerin wurde, mussten 130.000 Höfe schließen – im Schnitt gab ein Familienbetrieb pro Stunde auf. Die Klimakrise, zu viel Nitrat im Grundwasser und das dramatische Artensterben zeigen, dass es so nicht weitergeht. „Reden reicht nicht, die Zeit der Ankündigungen ist vorbei. Wir messen Agrarministerin Klöckner daran, was bei ihrer Politik unter dem Strich für Bauernhöfe, Tiere und das Klima herauskommt. Bislang ist diese Ministerin in dieser Hinsicht eine Nullnummer!“, so Richartz. „Wir fordern, dass die Bundesregierung 2020 bei der EU-Agrarreform Nägel mit Köpfen macht. Jetzt heißt es für Julia Klöckner: Ärmel hochkrempeln und die Agrarwende anpacken!“ Der Bundesregierung kommt während ihrer EU-Ratspräsidentschaft in der zweiten Jahres¬hälfte eine zentrale Rolle bei der Gestaltung der Gemeinsamen EU-Agrarpolitik (GAP) zu. Mit den rund 60 Milliarden an Fördergeldern pro Jahr sind zukunftsfähige Landwirtschaft und gutes Essen auf den Tellern europaweit möglich. Elisabeth Fresen, 29-jährige Bäuerin mit einem 160-Hektar-Betrieb und 100 Mutterkühen aus Verden/Aller, sagt: „Wir Bäuerinnen und Bauern jammern nicht, wir packen an. Viele Betriebe sind der Politik in Sachen Tier- und Klimaschutz schon große Schritte voraus. Wenn Landwirtschaft und Gesellschaft jetzt an einem Strang ziehen, können wir der bauern- und umweltfeindlichen Politik ein Ende machen. Mit einer enkeltauglichen Agrarpolitik und fairen Preisen sind Tierwohl, Insektenschutz und gesundes Essen für alle machbar.“ Mit ihrem „Wachsen oder Weichen“ haben das Agrarministerium und die Spitzen des Bauernverbands jahrelang gegen die bäuerlichen Betriebe gearbeitet. Der jetzt anstehende artgerechte Umbau der Ställe und das Mehr an Insekten- und Klimaschutz kosten und dürfen nicht auf die Bauernhöfe abgewälzt werden. Schon am Vormittag übergaben die Bäuerinnen und Bauern, die mit ihren Traktoren aus ganz Deutschland angereist waren, eine Protestnote an die Agrarministerinnen der Welt. Ihre Botschaft: Statt mit unfairen Freihandelsabkommen neue Märkte für Auto- und Chemie-Konzerne zu erschließen, braucht es gerechten Handel, die Durchsetzung von Bauernrechten und Schutz von bäuerlichen Betrieben auf der ganzen Welt. Deswegen fordert das Demonstrationsbündnis ein Veto Deutschlands gegen das geplante EU-Mercosur-Abkommen. Bei der „Wir haben es satt!“-Großdemonstration gehen zum mittlerweile zehnten Mal Zehntausende gegen die Agrarindustrie und für eine zukunftsfähige Landwirtschaft auf die Straße. Konventionelle und Öko-Bäuerinnen demonstrieren im Schulterschluss mit der Gesellschaft gegen die fatalen Auswirkungen der intensiven industriellen Landwirtschaft. Gemeinsam zeigt das Bündnis zugleich Wege für eine bäuerliche Landwirtschaft auf, die auf breite Zustimmung in der Bevölkerung trifft und den Bauernhöfen wirtschaftliche Perspektiven bietet. +++