Umweltministerin will Erfolgskontrolle von Naturschutzzielen

Top-Ökonomen wollen kreditfinanzierte Rücklage für Investitionen

Zum Abschluss der Weltnaturkonferenz von Kunming (COP15) hat Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) konkrete Ziele beim Natur- und Artenschutz und deren effiziente Kontrolle gefordert. „Nach Jahrzehnten der Naturzerstörung müssen wir global ein Jahrzehnt der Wiederherstellung der Natur einläuten“, sagte sie der „Rheinischen Post“. „Immer mehr Staaten stimmen darin überein, dass es nicht ausreicht, schöne Ziele zu setzen – wir brauchen auch eine wirksame Erfolgskontrolle“, sagte Schulze. Besonders Deutschland und die EU würden dafür werben. Die Konferenz in Kunming nannte sie einen „guten Auftakt“ für die bevorstehenden Verhandlungen. „Die Richtung stimmt, aber die nächsten Schritte müssen konkreter werden. Ziel ist, dass die Weltgemeinschaft im Mai eine konkrete und anspruchsvolle globale Vereinbarung für die Natur und ihre Vielfalt beschließt“, so die SPD-Politikerin.

Die Tatsache, dass viele Minister und auch Staats- und Regierungschefs bei der COP15 teilgenommen haben, habe gezeigt: „Auch die Schwester der Weltklimakonferenz, die Weltnaturkonferenz, ist oben angekommen auf der internationalen politischen Agenda“, so Schulze weiter. Die Naturschutzorganisation WWF Deutschland hat die Ergebnisse der Konferenz hingegen als zu vage kritisiert. Zwar könne das „allgemeine Ambitionsniveau der Erklärung von Kunming“ durchaus gelobt werden, da sich die internationale Staatengemeinschaft bisher nicht so klar auf die gemeinsame Ambition verständigt hätte. „Dennoch bleiben die Formulierungen der Erklärung zu blumig und vage. Die Dringlichkeit konkreter Maßnahmen muss noch viel stärker betont werden“, sagte Florian Titze, Experte für internationale Biodiversitätspolitik beim WWF Deutschland, der „Rheinischen Post“. Notwendig seien „klar definierte Schritte zur Transformation aller Wirtschaftsbereiche“, von Landwirtschaft bin zum Finanzsektor. „Es hapert auch noch massiv bei der Finanzierung. Es muss klar benannt wer  den, woher das Geld kommen soll, wer in der Pflicht ist und welche Akteure man dabei stärker einbinden will“, so der WWF-Experte. Von der nächsten Bundesregierung forderte er als ersten konkreten Schritt eine Erhöhung des deutschen Beitrags zum Schutz der globalen Artenvielfalt. „Statt der aktuell rund 800 Millionen Euro fordern wir mindestens zwei Milliarden Euro pro Jahr. Internationale Fortschritte wird es nur dann geben, wenn die reichen Industrienationen des Nordens ihrer Verantwortung stärker nachkommen“, so Titze.

Zum anderen brauche es mehr politischen Willen. Aktuell liege die Priorität sehr stark auf dem Klimaschutz. „Das soll auch so bleiben, aber gleichzeitig muss sich die Bundesregierung mit dem gleichen Engagement in den internationalen Verhandlungen für die biologische Vielfalt einsetzen“, so Titze weiter. Der Verlust der biologischen Vielfalt sei neben der Klimakrise die größte ökologische Herausforderung weltweit. „Wir können unser Leben als moderne Gesellschaft nicht so fortführen, wenn wir die ökologische Vielfalt und die Ökosysteme weiter zerstören“, warnte der WWF-Experte. Die Klimaschutzaktivistin Luisa Neubauer kritisierte die Konferenz-Ergebnisse noch deutlicher. „Dieser Gipfel zeigt erneut, dass Regierungen auch die größte Katastrophe zulassen werden – es sei denn, Menschen überall halten sie davon ab“, sagte sie der „Rheinischen Post“ dazu. „Wenn das Artensterben nicht gestoppt wird, kann uns selbst der beste Klimaschutz nicht retten“, so die Mitinitiatorin von „Fridays for Future“ in Deutschland. Sie verwies dabei auf Einschätzungen von Fachleuten, wonach derzeit das sechste Massenaussterben in der Geschichte des Lebens auf der Erde stattfindet. „Wir sind im sechsten Massensterben, das alles Leben auf der Erde bedroht – auch das menschliche. Man würde meinen, das sei für Regierungen Grund genug, um alles zu tun, um Natur zu schützen, ökologische Zerstörung zu beenden und die notwendige Finanzierung bereitzustellen“, sagte Neubauer.

Top-Ökonomen wollen kreditfinanzierte Rücklage für Investitionen

Die Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und des Münchner Ifo-Instituts, Marcel Fratzscher und Clemens Fuest, wollen eine einmalige hohe Kreditaufnahme im Jahr 2022, aus der eine Rücklage für Zukunftsinvestitionen gebildet werden soll. Das sagten sie der „Rheinischen Post“. „Die neue Bundesregierung sollte als oberste Priorität ein Programm für Zukunftsinvestitionen in Klimaschutz, Digitalisierung und soziale Erneuerung beschließen“, sagte der DIW-Chef. „Eine neue Bundesregierung kann sehr wohl stärkere Zukunftsinvestitionen mit der Schuldenbremse vereinbar machen. Sie sollte 2022 Rücklagen von 500 Milliarden Euro für die kommenden zehn Jahre für Zukunftsinvestitionen bilden“, so Fratzscher. Ifo-Chef Fuest unterstrich die Bedeutung der Schuldenbremse, die unangetastet bleiben müsse. Der Klimaschutz erfordere aber massive zusätzliche Investitionen auch des Staates. Auch Fuest plädierte daher für die einmalige Einrichtung einer kreditfinanzierten Rücklage im kommenden Jahr. Um zu verhindern, dass diese zu Konsum- oder Transferausgaben genutzt werde, „sollte man den Fonds erst errichten, wenn drei Bedingungen erfüllt wurden“, sagte Fuest. „Es wird erstens konkretisiert, welche Instrumente für die Förderung privater Investitionen wann und in welchem Umfang und welche öffentlichen Investitionen finanziert werden sollen, inklusive Zeitplan unter Berücksichtigung von Genehmigungsverfahren“, sagte der Ifo-Präsident. Zweitens müsse „sichergestellt und in einem Gutachten des Rechnungshofs überprüft werden, dass es sich um zusätzliche Investitionen handelt“, so Fuest. „Drittens muss eine Überprüfung bestehender Ausgaben im Bundeshaushalt mit einem vorgegebenen Einsparungsziel erfolgen“, sagte Fuest. +++