Umfrage: Mehrheit mit Prioritäten der Bundesregierung unzufrieden

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)

68 Prozent der Bundesbürger sind der Ansicht, dass sich die Bundesregierung bislang eher mit Vorhaben beschäftigt hat, die für die meisten Menschen nicht so wichtig sind. Das ist das Ergebnis einer Umfrage des Markt- und Meinungsforschungsinstituts Forsa mit 1.004 Teilnehmern für das „Trendbarometer“ von RTL und ntv. 28 Prozent haben den Eindruck, dass sich die Bundesregierung in ihrer bisherigen Arbeit ausreichend um die drängendsten Probleme im Land gekümmert hat.

Die Themen und Probleme, um die sich die Bundesregierung den Befragten zufolge deutlich mehr kümmern müsste, sind vor allem die Sicherung einer bezahlbaren Energieversorgung (83 Prozent), die wirtschaftlichen und sozialen Probleme im Land (81 Prozent) und die Begrenzung der Inflation und der Preissteigerungen (80 Prozent). An vierter Stelle wird die Steuerung der Zuwanderung nach Deutschland (75 Prozent) genannt, gefolgt vom Erhalt der äußeren Sicherheit Deutschlands (66 Prozent). Der Umwelt- und Klimaschutz wird unter Problemen, um die sich die Regierung mehr kümmern sollte, vergleichsweise am seltensten genannt (50 Prozent). Die Umfrage wurde am 6. und 9. Oktober durchgeführt.

Sicherheitsexperten fordern Krisenstab unter Leitung von Scholz

Die Sicherheitsexperten Nico Lange und Carlo Masala fordern die Bundesregierung auf, Konsequenzen aus der „doppelten Herausforderung“ der sicherheitspolitischen Krisen zu ziehen. „Deutschland versucht noch immer, Krieg und Krise mit behäbiger Friedensbürokratie zu bearbeiten“, schreiben sie in einem Gastbeitrag für das Internetportal des Senders ntv. „Das kann nicht funktionieren.“ Masala und Lange fordern die Einrichtung eines Krisenstabs unter der Leitung des Bundeskanzlers, in den auch „die Vertreter der wichtigsten Oppositionsparteien“ eingebunden werden müssten. Die Verfahren in Regierung, Parlament und Ministerialbürokratien seien auf Friedenszeiten ausgelegt und nur sehr begrenzt dazu in der Lage, sich langfristig um Krisenbewältigung zu kümmern. „Der Krieg Russlands gegen die Ukraine und andere sicherheitspolitische Großlagen sind keine Alltagsvorgänge, die sich im normalen bürokratischen Betrieb bewältigen lassen“, schreiben Masala und Lange . „Führt die Bundesregierung nicht endlich Strukturen und Verfahren ein, deren Tempo, Entscheidungsfindung und Klarheit der Entscheidungen zur Geschwindigkeit und Dimension der sicherheitspolitischen Veränderungen passen, wird Deutschland hinter den Entwicklungen zurückbleiben und letztlich scheitern.“ Die beiden Sicherheitsexperten fordern zudem, dass Deutschland Führung übernimmt: „Nicht als Bekenntnis, sondern endlich praktisch.“ Zusammen mit Ländern wie Frankreich, Polen, Großbritannien, Italien und Schweden müsse Deutschland „die kontinuierliche militärische Unterstützung der Ukraine mit Munition, Ersatzteilen, Drohnen- und Flugabwehr, Artillerie, Schützenpanzern und Kampfpanzern organisieren“. Da die USA jetzt Israel massiv unterstützten, brauche die Nato „dringend europäische Entlastung“. Aber auch bisher schon sei die Frage der Steuerzahler in den USA legitim, warum sie für europäische Sicherheit in der Ukraine und im europäischen Teil der Nato mehr aufwenden sollen als die Europäer selbst. Masala und Lange weisen zugleich darauf hin, dass ein Hochfahren der europäischen Verteidigungsindustrie dringend nötig sei. „Zu geringe Produktionskapazitäten gehören mittlerweile zu unseren größten Sicherheitsrisiken.“ Das gelte sowohl für die Lieferungen an die Ukraine als auch für das Wiederauffüllen der eigenen Bestände. „Und leere Depots europäischer Streitkräfte ermutigen Putins laufende Kriegsmaschinerie zu weiteren Ambitionen.“ Nico Lange ist Senior Fellow bei der Münchner Sicherheitskonferenz, Carlo Masala ist Professor für Internationale Politik an der Universität der Bundeswehr in München.

Länder fordern kontinuierliche Flüchtlingsfinanzierung

Wegen der anhaltenden Migrationskrise werden die Rufe aus den Ländern nach einer kontinuierlichen Finanzierung der Flüchtlingskosten lauter. „Es ist festzustellen, dass viele Kommunen in Deutschland mit der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen inzwischen überlastet sind“, sagte Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) der „Rheinischen Post“. „Sie brauchen eine Atempause.“ Die meisten Menschen in Deutschland seien dafür, dass man Menschen, die vor Krieg und Verfolgung flüchten, Schutz gebe, aber so wie es momentan laufe, könne es nicht bleiben. „Die irreguläre Migration muss eingedämmt werden“, so Schwesig. „Der zweite Punkt ist, dass wir zu einer verlässlichen Finanzierung der Flüchtlingskosten kommen müssen.“ Bund, Land und Kommunen könnten die Aufnahme von Flüchtlingen nur gemeinsam stemmen, so Schwesig. „Wir brauchen deshalb eine verlässliche Finanzierung durch den Bund. Es kann nicht so bleiben, dass wir jedes Jahr aufs Neue über die Flüchtlingskosten verhandeln müssen“, sagte die SPD-Politikerin im Vorfeld der Ministerpräsidentenkonferenz (MPK) in dieser Woche. „Bei der letzten MPK zu diesem Thema ist vereinbart worden, dass die Rückführung von abgelehnten Flüchtlingen beschleunigt werden soll. Hier brauchen wir die Unterstützung des Bundes“, sagte Schwesig. Erwartungen an das Bund-Länder-Gespräch zur Flüchtlingsfinanzierung am 6. November richtet unterdessen NRW-Flüchtlingsministerin Josefine Paul (Grüne): „Vor allem müssen wir davon wegkommen, dass es bei der Flüchtlingsfinanzierung immer um Einzelverhandlungen über Einmalzahlungen geht“, sagte Paul der „Rheinischen Post“ (Mittwochsausgabe). „Wir brauchen endlich die Zusage des Bundes für eine dauerhafte und dynamische Finanzierung, wie wir sie bis 2019 hatten. Welche Summen dafür nötig sind, müssen wir gemeinsam identifizieren.“ Zugleich machte sie mehr Geld vom Bund auch zur Bedingung für eine bessere Finan zausstattung der Kommunen durch das Land. „Wir haben mit den Kommunen verabredet, dass wir uns das Flüchtlingsaufnahmegesetz noch einmal anschauen. Aber wir tun das im Lichte der notwendigen Verabredung mit dem Bund“, sagte sie. Der Bund müsse sich dauerhaft und stetig an den Kosten der Unterbringung, Versorgung und Integration von Geflüchteten beteiligen, damit man zu einer besseren Finanzausstattung der Kommunen kommen könne. „Darin sind sich Länder und Kommunen aber auch einig: Beim Bund-Länder-Gespräch am 6. November muss etwas Substanzielles herauskommen.“ +++


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