Türkei-Wahl: Sofuoglu kritisiert Benachteiligung in Deutschland

Der Bundesvorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Gökay Sofuoğlu, sieht den Erfolg des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan bei türkischen Wählern in Deutschland auch durch Versäumnisse der deutschen Politik begründet. „Die Menschen leben zum Teil seit über 60 Jahren in Deutschland, können aber nicht mal auf kommunaler Ebene mitbestimmen, weil die keine deutsche Staatsbürgerschaft haben“, sagte Sofuoğlu dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Menschen aus anderen EU-Ländern, die aus den gleichen Gründen nach Deutschland gekommen sind, dürfen dagegen wählen. Das ist eine Ungleichbehandlung, die behoben werden muss“, forderte Sofuoğlu. Türkeistämmige Menschen in Deutschland fühlten sich häufig entrechtet und ausgegrenzt. „Dabei spielen die Brandanschläge von Mölln und Solingen und später der NSU eine Rolle, aber auch der Alltagsrassismus. Erdoğan nutzt das, was die Menschen tagtäglich erlebe n, um sich als Kümmerer darzustellen“, sagte der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde. Die deutschen Parteien seien herausgefordert, „die Menschen bei ihren Bedürfnissen abzuholen und sich ihre Sorgen und Forderungen auf die Fahnen zu schreiben“. Zudem könne man die Stimmabgabe der Türkeistämmigen nicht losgelöst betrachten: „Es gibt in der gesamten Gesellschaft einen Rechtsruck und eine Autokratiefreundlichkeit – blicken wir doch mal darauf, wie stark die AfD in Ostdeutschland ist“, merkte Sofuoğlu an. „Das ist ein allgemeines Phänomen. Das nur anhand der Wahlergebnisse der Türken in Deutschland zu diskutieren, wäre fatal.“

Güler hält Großteil der Erdogan-Wähler für nicht erreichbar

Die türkeistämmige CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler glaubt nicht, dass die deutsche Politik einen Großteil der Erdoğan-Wähler in Deutschland erreichen kann. „Natürlich müssen wir weiterhin für diese Menschen werben“, sagte Güler dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Es gebe dabei aber tiefliegende Probleme. „Ich glaube, den meisten fehlt tatsächlich ein Unrechtsbewusstsein, dass Erdoğans Politik Rechte und Freiheiten von Andersdenkenden einschränkt. Wir können hier nur auf politische Aufklärung setzen, werden aber trotzdem einen Großteil der Menschen nicht erreichen“, sagte die CDU-Politikerin. Bei den Erdoğan-Wählern in Deutschland scheine es sich ähnlich wie in der Türkei um einen „harten Kern“ zu handeln, sagte Güler. „In absoluten Zahlen sprechen wir hier ca. über 490.000 Menschen, das war bei der letzten Wahl genauso. Zufriedenstellen kann uns das definitiv nicht, dass Menschen, die bei uns in Freiheit lebe n, einen Präsidenten mit autokratischen Zügen unterstützen.“ Viele konsumierten ausschließlich türkische Medien, „womit Erdoğans Propaganda hier auf fruchtbaren Boden fällt“, so die CDU-Politikerin. „Als freies Land können wir nicht alles verbieten, was uns nicht passt. Das wäre genau das, was wir Erdoğan ja vorwerfen. Ich fürchte eine freie Gesellschaft muss auch in der Lage sein, solche Dinge zu ertragen.“ Politische Parteien in Deutschland müssten aber versuchen, „diese Menschen für uns zu gewinnen und sie dafür sensibilisieren, was Freiheit bedeutet“, sagte Güler. +++

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