Türkei: Proteste gegen Imamoglu-Inhaftierung halten an

SPD-Außenpolitiker: Türken müssen Demokratie selbst retten

Türkischer Präsident Erdogan

In der Türkei haben die Proteste gegen die Inhaftierung des Istanbuler Bürgermeisters Ekrem Imamoglu auch am Sonntag angehalten. Zehntausende Demonstranten gingen am Abend im ganzen Land auf die Straße, nachdem der Hauptkonkurrent von Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan formell verhaftet wurde und wegen Korruptionsvorwürfen in Untersuchungshaft gekommen war. In einigen Berichten war auch von Hunderttausenden Protestlern die Rede - auch in Istanbul und Ankara, wo ein Demonstrationsverbot gilt. Die Polizei soll am späten Abend gegen einige Demonstranten Wasserwerfer und Tränengas eingesetzt haben. Die bereits seit fünf Tagen anhaltenden Demonstrationen als Reaktion auf die Verhaftung Imamoglus sind die größten, die das Land seit den Gezi-Protesten im Jahr 2013 erlebt hat, die in Istanbul wegen des Abrisses eines örtlichen Parks begannen.

Imamoglu war eine von mehr als 100 Personen, darunter andere Politiker, Journalisten und Geschäftsleute, die am Mittwoch festgenommen wurden. Er wurde am Sonntag formell verhaftet. Die Vorwürfe gegen ihn lauten "Gründung und Leitung einer kriminellen Vereinigung, Bestechung, Erpressung, unrechtmäßige Aufzeichnung persönlicher Daten und Manipulation einer Ausschreibung". Imamoglu wurde am Sonntag auch von seinem Amt als Bürgermeister suspendiert. Trotz der Verhaftung wählte die türkische Oppositionspartei CHP Imamoglu am Sonntag zu ihrem Präsidentschaftskandidaten. Nach Parteiangaben nahmen 15 Millionen Türken teilweise symbolisch an der Präsidentschaftsvorwahl der CHP teil, darunter auch 1,6 Millionen der 1,7 Millionen stimmberechtigten CHP-Mitglieder. Imamoglu war der einzige Kandidat bei der Vorwahl. Sollten die Ermittlungen gegen den CHP-Politiker nicht eingestellt werden, gilt es aber als unwahrscheinlich, dass die Wahlbehörde seine Kandidatur genehmigt.

SPD-Außenpolitiker: Türken müssen Demokratie selbst retten

Der außenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, Nils Schmid, sieht nach der Inhaftierung des Istanbuler Bürgermeisters und Erdogan-Opponenten Ekrem Imamoglu nur begrenzte Einflussmöglichkeiten für Deutschland. Man müsse "einräumen, dass die Einflussmöglichkeiten von außen beschränkt sind. Letzten Endes werden die Türken selbst die Demokratie verteidigen", sagte er dem Nachrichtenmagazin Politico. Schmid sprach von einem "schweren Rückschlag für die Demokratie" in der Türkei, "wenn der wichtigste Herausforderer aus dem Spiel genommen wird". Zwar gefährde dieses Vorgehen auch die wirtschaftlichen Interessen von Präsident Erdogan: "Die Türkei gefährdet ihren eigenen wirtschaftlichen Erfolg selbst, wenn sie Demokratie und Rechtsstaatlichkeit infrage stellt", so Schmid. Dennoch könne man von außen keinen entscheidenden Einfluss auf die Türkei nehmen, bekräftigte der Außenpolitiker: "Wir sind immer wehrlos, wenn die Demokratie in einem Land infrage gestellt wird. Von außen Demokratie einzuführen, wird nicht gelingen." +++


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