Türkei-Bericht der EU kritisiert Ankara wegen mangelnder Rechtsstaatlichkeit

Brüssel/Ankara. Der Türkei-Bericht der EU kritisiert Ankara wegen mangelnder Rechtsstaatlichkeit: Wegen der anstehenden Wahlen in der Türkei und der Bemühungen um eine Hilfe Ankaras in der Flüchtlingskrise hat die EU-Kommission den neuen Fortschrittsbericht zur Türkei noch nicht veröffentlicht. Die EU-Kommission befürchtet Verwerfungen im Verhältnis zur Türkei. Der „Süddeutschen Zeitung“ liegt aber ein Schreiben vor, in dem alle wichtigen Ergebnisse des vorläufigen Berichts detailliert aufgeführt werden.

Es stammt vom EU-Verbindungsbüro des Bundestags und datiert vom 12. Oktober. Sein Inhalt dürfte die türkische Regierung tatsächlich nicht erfreuen: Der Türkei-Bericht der EU-Kommission werde „kritisch ausfallen, vor allem hinsichtlich der Einhaltung der politischen Kriterien“, heißt es in dem Schreiben des EU-Verbindungsbüros. Der Bericht sei zwar „noch in interner Abstimmung“. Man habe „auf Arbeitsebene“ aber bereits den Inhalt in Erfahrung gebracht. Laut Verbindungsbüro stellt die EU-Kommission in ihrem Bericht „eine deutliche Verlangsamung des Reformprozesses in der Türkei“ fest. Vor allem „im Bereich Rechtsstaatlichkeit“ übe die Kommission „scharfe Kritik hinsichtlich bereits verabschiedeter Schlüsselgesetze, die gegen europäische Standards verstießen“. Dabei wird zum Beispiel auf ein neues Sicherheitsgesetz verwiesen, das die Befugnisse der Polizei bei Festnahmen, Durchsuchungen und Schusswaffengebrauch erweitere und derzeit im Kampf gegen die Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) zur Anwendung komme.

Außerdem wird erwähnt, dass die Türkei im Juli 2015 „eine weitreichende militärische Kampagne gegen PKK-Aktivisten gestartet und somit den Konfliktbereinigungsprozess der Kurdenfrage beendet“ habe. „Auch im türkischen Justizwesen verschlechtere sich nach Einschätzung der Kommission die Lage“, heißt es in dem Schreiben des EU-Verbindungsbüros. Durch den unzulässigen Eingriff der Exekutive in die Justiz sei „deren Unabhängigkeit weiter beeinträchtigt“. Richter und Staatsanwälte seien wegen ihrer Entscheidungen festgenommen und Staatsanwälten Ermittlungsverfahren entzogen worden. „Anlass zur Sorge“ gäben aber auch „die verschärften Restriktionen bei der Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit“. Außerdem äußere die EU-Kommission „Bedenken bezüglich des mangelnden politischen Willens beim Kampf gegen die Korruption“. Sogar im Kampf gegen die organisierte Kriminalität habe die Türkei „nur mäßigen Reformeifer“ gezeigt. Beim Schutz der Menschenrechte seien ebenfalls „gravierende Mängel festzustellen“. Insbesondere im Bereich der Meinungsfreiheit hätten sich die Verhältnisse „wesentlich verschlechtert“.

In diesem Zusammenhang wird auf „Strafverfahren gegen Journalisten, Schriftsteller oder Nutzer sozialer Medien“ verwiesen, die in den vergangenen beiden Jahren eingeleitet wurden. Außerdem werden Änderungen des Internet-Gesetzes beklagt, die „nicht im Einklang mit den europäischen Standards stehen“. Bei der „Religionsfreiheit habe sich die Lage ebenfalls nicht verbessert“. Nach wie vor fehle „ein Rechtsrahmen, der gewährleiste, dass alle nichtmuslimischen Religionsgemeinschaften und die Gemeinschaft der Aleviten ohne Beschränkungen ihre Religion ausüben können“. Ausdrücklich gelobt wird die Türkei in dem Bericht der EU-Kommission für ihre Bemühungen „zur Bewältigung der Migrationskrise“. Derzeit hielten sich circa 2,2 Millionen Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak in der Türkei auf, eine Million von ihnen seien Kinder. Die Flüchtlinge würden „mit Lebensmitteln generell gut versorgt“. Außerdem hätten sie kostenlosen Zugang zu medizinischer Versorgung. Dieses Engagement für Flüchtlinge „entlaste jedoch die türkische Regierung nicht von ihren Verpflichtungen im Rahmen des Beitrittsprozesses“, heißt es in dem Schreiben des Verbindungsbüros. Deshalb werde die EU-Kommission ihrem Türkei-Bericht „strikte Reformempfehlungen“ beifügen. +++ fuldainfo

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