Kaum war die Einweihungsparty neuen Hubtex Arena vorüber, stand der Sport im Fokus. Hochglanz-Sport aus der Tischtennis-Bundesliga. Der war es an diesem Abend manchmal nicht durchgehend bei der 1:3-Niederlage des TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell gegen den amtierenden Pokalsieger, den Tischtennis-Freunden Ochsenhausen. Phasenweise gab es schon Weltklasse-Unterhaltung - und spannend war es durchweg. Lassen Sie sich einfach entführen, im Rückblick auf den Vergleich von Deutschlands Elite.
Wieder betritt er die Bühne. Eloquent, das Publikum und sehr forsch ist seine Anmoderation. Gemeint ist natürlich Michael Hodes, der wieder mal an Oliver Weißenbergers Stelle tritt. Besonders begrüßt er den Fanclub „RhönSprudel Power“ - mit Herzensworten verneigt er sich: „Danke auch, dass ihr immer wieder mit zu dem Auswärtsspielen fahrt“. Natürlich gibt der Fanclub eine Menge zurück. Zum Beispiel, wenn ihr TTC-Team einläuft.
Im Eröffnungseinzel hat es Jonathan Groth mit Andreas Levenko zu tun - einem Österreicher ukrainischer Herkunft, sein Vater war einst Nationalspieler in der Sowjetunion. Groth findet nach zähem Beginn rein in den Ersten, führt beim 6:4 erstmals mit zwei Punkten. Er ist noch nicht gut, wird aber etwas sicherer. Er punktet zunehmend mit seiner Rückhand. 9:6. Doch Levenko lässt nicht locker. Immer wieder pusht er sich. Und verkürzt. 8:9. Erste Sprechchöre des Fanclubs. „Auf geht‘s, Jona. Auf geht‘s“. Aber Levenko egalisiert. 9:9. Geht gar mit 10:9 in Front. Satzball. Doch Groth kontert. Beim 11:10 hat er seinerseits Satzball. Mit einer Vorhand. Und der erste sitzt gleich. Levenko misslingt ein Aufschlag.
Aber Levenko sucht weiter seine Chance. Mitunter ist er sehr aggressiv. Das bereitet Groth, der gesundheitlich nicht voll auf der Höhe scheint, mitunter Probleme. Der Däne steckt etwas in sich fest. Beim 4:10 hat er sechs Satzbälle gegen sich. Mit 6:11 geht der Satz weg. Auch im Dritten sucht Groth weiter nach Stabilität. Hier kämpft er gegen fünf Satzbälle an - auch hier ist der Endstand 6:11. 1:2 nach Sätzen - macht er es noch einmal wie am Mittwoch in Bergneustadt, als er Leo de Nodrest in Fünfen niederrang?
Im Vierten entdeckt sich Groth phasenweise - doch er verschlägt auch einige leichte Bälle. Doch er zeigt eine bessere, weil stimmige Körpersprache. Er liegt 4:2 und 7:5 vorn - und man erkennt: Groth wehrt sich. Und er bleibt mutig. 10:7 - drei Satzbälle für den Dänen. Das Publikum rastet aus. Auch der Fanclub. Der zweite Satzball sitzt. 11:8. Nach Sätzen hat Groth ausgeglichen. 2:2. Es geht in den Entscheidungssatz. 1:3 gegen Groth. „Noch ist nichts verloren“, sagt mein Nachbar. Er bemerkt auch: Jetzt muss die Wende kommen. Aber ganz schnell. 1:6. 2:7. Der Fanclub unterstützt. War‘s das? Im Tischtennis geht alles. Doch 2:8. 3:8. Auch Dima steht zur Unterstützung auf. Über 3:9 kommt Groth auf 5:9 heran. Aber dann: 10:5 - fünf Matchbälle für Levenko. Der erste trifft den Dänen ins Herz. 11:5. Levenko gewinnt in Dreien - und Ochsenhausen führt 1:0.
Einzel Nummer zwei: Fanbo Meng sollte schon punkten gegen den 19-jährigen Rumänen Iulian Chirita, der in Moldawien geboren wurde und vom französischen Team Hennebont vor dieser Saison nach Ochsenhausen wechselte. Schon früh am Abend hat sich Spannung festgesetzt in der Hubtex Arena. Die beiden ersten Einzel sind nicht gut - aber sie fordern die Zuschauer mit Mit-Leiden heraus. Fanbo wirkt nervös im Ersten, noch kann er sie nicht ablegen, noch findet er nicht zu sich. Beim 4:10 muss er sechs Satzbälle abwehren. 4:11 lautet der Endstand. Weiter geht‘s. Irgendwie hat man bisher das Gefühl, Fulda-Maberzell stecke im falschen Kleid oder Anzug an diesem Abend. Chirita weiß offenbar, wie er gegen Fanbo spielen muss: offensiv, aggressiv, nach vorn gerichtet.
Doch der Fuldaer kommt. Er beginnt zu kämpfen. Er führt mit 7:6. 8:6. Bis der alte Fanbo hervorkriecht: Er ballt die Faust. Pusht sich immer wieder. Führt 9:6. 10:6 - und vier Satzbälle. 11:6. Er hat ausgeglichen nach Sätzen. Hitzig beginnt der Dritte. Chirita berührt den Tisch - nach der Regel nicht erlaubt. Fanbo sucht das Publikum - so, als wolle er es beschwören und sagen: Ich kann‘s doch. Es entsteht eine Wechselwirkung, der berühmte Funke springt über. Fanbo führt 6:3. Und jetzt schwimmt er im Bad der Emotionen. Overtime. Der Fanclub springt auf, klatscht und feuert im Stakkato an. „Auf geht‘s Fanbo. Auf geht‘s.“ Der Fuldaer führt bald mit 9:6. Er hat das Match gedreht. 10:7. Drei Satzbälle. Und 11:8. Wieder entscheidet ein Aufgabe-Fehler. Fanbo Meng führt 2:1 nach Sätzen.
Schafft es der Trainersohn, das Ding in Vieren zu schaukeln? Jaa, er schafft es. Fanbo ergreift zunehmend die Initiative. Das ist gut und entscheidend. Der Fanclub kommt immer wieder. Und Fanbo reckt die Faust. Beide Reaktionen sind gute Zeichen. Jetzt hat Fanbo das Geschehen auf seiner Seite. Über 3:1, 7:4 und 8:4 geht es auf 9:4. Zwei Pünktchen noch. Chirita lässt nicht locker und kommt auf 8:9 heran. Wird der Fanclub etwa nervös? Er rutscht hin und her - und übt sich in Standing Ovations. Das Geben und Nehmen lohnt sich. Fanbo hat beim 10:9 Matchball. Er gewinnt den Vierten 11:9. Und gleicht zum 1:1 zwischen den Teams aus.
Und jetzt? Halten Sie sich fest. Jetzt kehrt Weltklasse-Tennis ein in die Hubtex Arena. Vor allem durch den Japaner Shunsuke Togami, die Nummer 20 der Welt. Er fegt quasi über ehemaligen Weltranglisten-Ersten Dima Ovtcharov quasi hinweg. Fast wie ein Tsunami. Togami trifft Tsunami, könnte man fast sagen. Unglaublich ist seine Ernergie. Unglaublich sein Siegeswille. Unglaublich aggressiv ist er. Unglaublich sein Siegeswille. Jede kleine Chance nutzt er zu krachenden Angriffsschlägen. Wenn das Etikett „bissig“ erfunden werden müsste, dann für ihn. Dima ist in den beiden ersten Sätzen mehr oder weniger chancenlos, acht Punkte bleiben ihm da. Klar ist: Dima muss seine Taktik ändern. Aggressiv werden. Aggressiver. Togami irgendwie vom Tisch wegbringen. Und wenn es ein Stückchen ist. Und zu Fehlern zwingen.
Er schafft es im Dritten. Jeder Punkt hilft. Über 3:1 führt er 5:2. Bei jedem Punkt erhebt sich sein Trainer Qing Yu Meng und klatscht Beifall. 6:4. 7:5. 8:6. Es ertönt „Dima. Dima. Dima.“ Fast wie ein Glaubensbekenntnis. Über 9:7 führt Dimas Weg zum 10:7. Nach einem begeisternden und spektakulären Ballwechsel. Phasenweise ist es der Dima, der den Japaner und Weltranglisten-Vierten Harimoto beim Internationalen Turnier in Frankfurt besiegte. 11:7 endet der Durchgang. Im Vierten geht‘s wieder schnell - gegen Dima. Über 4:4 hin zum 4:6 und 4:9 - aus Dimas Sicht. E r kommt heran. Und verkürzt auf 6:9. Doch Togami frisst seine Gegner auf. Beim 10:6 hat er vier Matchbälle. 11:7 ist der Endstand. Togami walzt in Vieren zum Sieg - und Ochsenhausen führt 2:1.
„Noch ist nichts verloren“, raunt Michael Hodes und wählt die Flucht nach vorn. Groth müsste aber zunächst sein Einzel gegen Chirita gewinnen. Die beiden ersten Sätze muss der Däne indessen knapp abgeben - mit 9:11 und 10:12. Immer mehr kommen körperliche Verfassung, Nerven und Mentalität und natürlich eine Portion Glück ins Spiel. Im verdammt engen Ersten liegt Groth schon mit 8:6 vorn. Chirita gleicht aus. Wieder führt Groth. Dann 9:9. Ehe sich die Waage auf die Seite des Rumänen neigt. Er holt sich den Ersten mit 11:9. Im Zweiten ist‘s ähnlich. Groth wird couragierter. Er spielt seine Angriffe indessen manches Mal nicht zu Ende. Es steht 8:8. Groth führt gar mit 9:8. Mehr noch: beim 10:8 hat er zwei Satzbälle. Chirita aber gleicht aus. Und schnappt sich den Zweiten mit 12:10.
„Jetzt stehen die Chancen 1:99“, sagt mein Nachbar. Ob er Recht behält? 6:6 im Dritten. Und endlich kommt der Fanclub. Groth zieht auf 9:7 davon. Wieder 10:8. Wieder zwei Satzbälle. Dieses Mal klappt es. Groth hat auf 1:2 nach Sätzen verkürzt. Ob es ihm in Fünfen glückt. Und vor dem Vierten: Wer schielte da zur Tür hinein? Hitchcock? Ein Drama nimmt seinen Lauf. Spannung, Zuspitzung, alles nichts. Dramatik mitten in Fulda. In der Hubtex Arena. Wieder nimmt Groth eine Anleihe bei seinem Herzen. 4:0 führt er schon, dann 6:3. Er beendet einen sehenswerten Ballwechsel mit geblockter und toller Rückhand. Chirita antwortet. 7:6 für Groth. 7:7. 8:8. Der Fanclub wirft Schlachtgesänge ein. 9:8 für Chirita. 10:8. Und zwei Matchbälle. Doch Groth tut das einzig Richtige: Er geht in die Offensive. 10:10. Die Fans stehen jetzt. Was jetzt passiert - halten Sie sich fest. 11:10, dritter Matchball Chirita. Groth wehrt wieder ab. 12:11, vierter Matchball. Groth wehrt erneut ab. 12:12. Was für ein Hexenkessel, was für eine Manege. 13:12 Chirita, fünfter Matchball. Und jetzt fixiert der Rumäne das Ende. 14:12.
Es ist 20.57 Uhr. Die Tischtennisfreunde Ochsenhausen haben mit 3:1 gewonnen. Und der TTC RhönSprudel Fulda-Maberzell die Einsicht und Erkenntnis, dass es in dieser Saison erneut nicht so leicht wird, die Playoffs der besten Vier zu erreichen. Kao saß Schulterverletzung auf der Bank, Groth schien gesundheitlich angeschlagen. Da wird es schwer, in der Bundesliga zu punkten. Im nächsten Heimspiel am kommenden Sonntag gegen Mühlhausen sollte aber ein Sieg her. Und auch tags darauf im Pokal-Heimspiel gegen Grenzau. Schließlich winkt da die Teilnahme am Final Four.
Die Spiele im Einzelnen
Jonathan Groth - Andreas Levenko 2:3 (12:10, 6:11, 6:11, 11:8, 5:11)
Fanbo Meng - Iulian Chirita 3:1 (4:11, 11:6, 11:8, 11:9)
Dima Ovtcharov - Shunsuke Togami 1:3 (5:11, 3:11, 11:7, 7:11)
Jonathan Groth - Iulian Chirita (9:11, 10:12, 11:8, 12:14) +++ rl

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