Trotz Arbeit - Im LK-Fulda sind über 1.880 Menschen auf Hartz IV angewiesen

Fulda. Im Landkreis Fulda sind trotz Arbeit derzeit 1.882 Menschen auf Hartz IV angewiesen. Eine große Zahl der Aufstockenden, arbeitet in geringfügiger Beschäftigung. So haben 700 Aufstockende nur einen Minijob. Im Landkreis Fulda ist damit der Anteil der Hartz IV-Empfänger, die aufstocken beziehungsweise „minijobben“ müssen, im Vergleich zu allen anderen Landkreisen in Hessen, am höchsten. Dies ist, angesichts der vergleichsweise guten Wirtschaftslage im Kreis, eine beschämende Spitzenstellung.

Georg Brandt vom DGB Kreisverbandsvorsitzenden Fulda: „Es ist untragbar, dass so viele Menschen im Landkreis Fulda, trotz guter wirtschaftlicher Lage, von ihrer Arbeit nicht leben können.“
Ein besonderes Problem sieht Brandt in den Minijobs. Demnach sei der Minijob „keine Brücke in die reguläre Beschäftigung, sondern ein klares Armutsrisiko“. Besonders für Frauen nach der Familienphase, die den Wiedereinstieg in sozialversicherte Arbeit suchten, würden Minijobs nach Georg Brandt zur Sackgasse. Minijobs böten keine Perspektive auf Qualifizierung und Aufstieg im Beruf. Hinzu komme, dass keine oder nur eingeschränkte Ansprüche für die gesetzliche Sozialversicherung erworben werden und dies - oft über viele Jahre. Oftmals klebe das Etikett „Minijob gleich Aushilfe“ an den geringfügig Beschäftigten. Georg Brandt: „Es ist deshalb dringend notwendig, dass sich das Jobcenter Fulda, durch Angebote zu echter beruflicher Qualifikation, mehr für die Beschäftigten im Leistungsbezug engagiert. Wer sich in einer beruflichen Einbahnstraße befindet, braucht mehr Unterstützung statt Druck und Sanktionen. Wissenschaftliche Studien bestätigen regelmäßig, dass viele Menschen in Minijobs, gerne mehr arbeiten würden.“ Für Brandt ist deshalb klar: „Unser aller Ziel muss sein, dass mehr Minijobs in sozialversicherte Arbeit umgewandelt werden.“

Aber auch Land und Kommune sieht Brandt in der Verantwortung: „Weit über die Hälfte der geringfügig Beschäftigten bundesweit, die aufstocken müssen, sind Frauen. Viele von ihnen leisten parallel Familien- und Pflegearbeit, so dass sie faktisch - nur eine begrenzte Anzahl von Stunden arbeiten können. Deshalb müssen wir die Infrastruktur so ausbauen, damit die Vereinbarkeit von Familie und Beruf leichter zu meistern ist.“ Auch die Flexibilität der Betriebe ist gefragt. Zwar ist bundesweit die Zahl der Aufstockenden in den letzten zwölf Monaten geringfügig um rund 50.000 gesunken, ist aber mit fast 1,2 Millionen Betroffenen, immer noch sehr hoch. Zum Jahresbeginn 2015 wurden 100.000 Minijobs in sozialversicherte Beschäftigung umgewandelt. „Das geht auf das Konto des Mindestlohns!“, ist sich Brandt gewiss. „Der Mindestlohn wirkt allen Unkenrufen zum Trotz. Arbeit muss vor Armut schützen und da gibt es noch einiges zu tun.“

*Aufstocker = Personen, die mit ihrer Beschäftigung ein so geringes Einkommen erzielen, dass sie ergänzend finanzielle Leistungen vom Jobcenter erhalten. +++ (pm)


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1 Kommentar

  1. Das Problem ist doch, daß der ursprüngliche 400 EUR Job, der mal als sog. Zweit-Job für Berufstätige oder Nebenjob für Hausfrauen oder Studies gedacht war, sich im Lauf der Jahre in vielen Branchen zu einem quasi Standard im Billiglohn Bereich etabliert hat (siehe Amazon & Co). Vor allem die günstigen Sozialkosten dieser Lohnvariante verführen immer mehr Arbeitgeber, ehemalige Vollzeitjobs in nunmehr 450 EUR Jobs aufzuspalten. Daß man in Deutschland aber von 450 EUR allein nicht leben kann, nehmen die Arbeitgeber dabei billgend in Kauf. Um den Rest an Einkommen soll sich der Staat kümmern. Und genauso machen es immer mehr. Auch in Fulda!

    Das Tröstliche für die Arbeitnehmer an der Kombination von 450 EUR Job und Hartz IV ist, daß man als Hartz IV Bezieher voll krankenversichert ist. So brauchen die Arbeitgeber auch diese Sozialkosten nicht mehr zu schultern.

    Leider fällt niemandem dabei auf, daß dadurch immer weniger Menschen Geld in die Rentenkassen einzahlen.

    Wer also jahrelang mit dieser Kombination aus 450 EUR + ALG II lebt, kommt als Single einigermaßen über die Runden, bekommt aber dann ab 65 mitunter massive Probleme, weil man von 450 EUR Jobs nun mal keine Rentenansprüche bekommt. Denn ab 65 wandert man, weil offiziell nicht mehr arbeitsfähig, in die Sozialhilfe. Wenn man doch eine Minirente bekommt, hat man mit ergänzender Sozialhilfe dann mitunter weniger als vorher und dann wird es richtig hart: Denn wie mir Sachbearbeiter des Sozialamtes immer wieder bestätigt haben werden in der Sozialhilfe anders als im ALG II Bezug 2/3 aller zusätzlichen Einnahmen pauschal abgezogen. Wer also ab 65 nebenbei noch was zuverdienen will steht schlechter da als vorher im ALG II Leistungsbezug mit 450 EUR Job.

    So sieht die Realität in Fulda und Deutschland aus!

    Und was die Reduktion der Zahlen angeht: hier geschieht seit Jahren nur ein Verschiebebahnhof zwischen dem staatlichen Hartz IV und der kommunalen Sozialhilfe. Auch das bestätigen einem Experten immer wieder. Wer nämlich aufgrund von Erkrankungen nach Prüfung durch das Kreis-Gesundheitsamt als nicht arbeitsfähig eingestuft wird, wandert, wenn es keinen Einspruch der Rentenversicherungs- oder anderer Träger gibt, automatisch in die städtische Sozialhilfe mit evtl. ein wenig Erwerbsunfähigkeitsrente, wenn vorher schon mal Ansprüche erworben wurden.

    Der Vorteil für Herrn Woide und sein Kreisjobcenter: man bekommt schöne Zahlen, weil so viele Hartzis aus dem System fallen und er kann sich brüsten, was man alles für die armen Menschen tut. Dabei werden die Betroffenen oft nur von einem Sozialsystem ins andere verschoben.

    Mit ein Grund dafür:
    Unser marodes, kaputtes, nur am Profit orientiertes "Gesundheitssytem", das gerne mithilft, Menschen von einem System ins andere zu verschieben, ohne daß die Leute je eine Chance auf echte gesundheitliche Rehabilitation bekommen. Denn an einer echten Heilung vieler Krankheiten, die Menschen daran hindern, die Belastungen einer Vollzeitstelle auszuhalten, hat unser profitgeiles Gesundheitssystem kein Interesse. Das kann in diesen Tagen übrigens jeder feststellen, der über Tage mit schwerer Grippe im Bett liegt, darauf hofft, daß ihm der Hausarzt wieder auf die Beine hilft, jedoch von der Praxis oft nur hört: haben Sie einen Termin? Oder: Zahlen Sie bar? Sind Sie Privatpatient?

    Privatpatienten oder Beamten kann sowas natürlich nicht passieren. Denn die zahlen bar und sind daher jederzeit beim Arzt willkommen!

    Über diesen fatalen Zusammenhang sollten Gesundheits- und Sozialpolitier mal nachdenken. Denn es ist massiv schädlich für unsere Volkswirtschaft!

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