Tiefensee zu Abstimmung im britischen Unterhaus: „Harter Brexit jetzt wahrscheinlichste Option“

Minister beurteilt Ablehnung dennoch differenziert: „Auch Exit vom Brexit wieder möglich“

Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee

Thüringens Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee hat die Ablehnung des Brexit-Vertrags durch das britische Unterhaus bedauert und sieht die Situation differenziert. „Ein geordneter Übergang ist im Prinzip vom Tisch, ein ‚harter Brexit‘ ist die jetzt wahrscheinlichste Option – mit nicht absehbaren negativen Folgen für die europäische Wirtschaft. Auch Thüringen wird betroffen sein“, sagte er heute in Erfurt. Zugleich sei jetzt aber auch die Tür wieder ein Stück weit offen, den Brexit noch einmal komplett auf den Prüfstand zu stellen. „Der Exit vom Brexit ist wahrscheinlicher geworden.“

Letztlich spitze sich nunmehr alles auf die Frage „harter Brexit oder gar kein Brexit“ zu. „In dieser Situation scheint mir auch ein erneutes Referendum über den Austritt oder Verbleib Großbritanniens in der EU möglich zu sein. Ich würde das begrüßen, wohl wissend, dass die Stimmung in Großbritanien nach wie vor pari pari ist“, sagte Tiefensee.

Durch einen „harten Brexit“ würden jedenfalls die wirtschaftlichen Beziehungen auch der Thüringer Unternehmen zu ihren Partnern im Vereinigten Königreich erheblichen Schaden nehmen, warnte Tiefensee. Dies beträfe nicht nur neue tarifäre und nicht-tarifäre Handelshemmnisse, sondern auch – in der öffentlichen Diskussion bisher weniger beachtet – negative Folgen für wechselseitige Unternehmensbeteiligungen. „Für solche Unternehmen sind Fragen der Arbeitnehmerfreizügigkeit, des Kapitalverkehrs oder des Patentschutzes maßgeblich“, so der Minister. „Da davon auszugehen ist, dass es durch den Brexit insbesondere bei der Arbeitnehmerfreizügigkeit zu Einschnitten kommt, wären diese Unternehmen besonders betroffen.“

Großbritannien ist der viertwichtigste Export- und der zweitwichtigste Importmarkt für die Thüringer Wirtschaft. Derzeit gibt es rund 270 Thüringer Unternehmen, die Waren und Dienstleistungen im Vereinigten Königreich absetzen. Das gesamte Handelsvolumen beläuft sich auf rund 1,9 Milliarden Euro. Die wirtschaftlichen Beziehungen bestehen dabei branchen- und regionenübergreifend. Hinzu kommt: Nicht nur wirtschaftlich hat der Freistaat bislang einen guten Draht zur Insel, sondern auch im Bereich der Wissenschaft: Rund 200 Partnerschaften und Kontakte bestehen zwischen britischen und Thüringer Universitäten, Hochschulen und außeruniversitären Einrichtungen.

„Thüringen muss also ein großes Interesse daran haben, dass jetzt schnell stabile Verhältnisse geschaffen werden“, sagte Tiefensee. „Wir brauchen ein starkes, handlungsfähiges Großbritannien.“ Mit dem Scheitern des Brexit-Vertrags stehe die weitere Entwicklung jetzt „auf Messers Schneide“. +++