Thüringen: CDU will vorerst keine Neuwahl

Schäuble lobt "entschiedene Haltung" von CDU-Chefin

CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer

Die Landtagsfraktion der Thüringer CDU hat in einer ausufernden Sitzung am Donnerstag stundenlang und bis tief in die Nacht mit der CDU-Chefin um den richtigen Umgang mit der Krise nach der Ministerpräsidentenwahl vom Mittwoch gerungen. Nachdem eigentlich bereits nach etwa zwei Stunden eine gemeinsame Erklärung von CDU-Landeschef Mike Mohring mit der extra aus Berlin angereisten Bundesparteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer geplant war, zog sich die Sitzung über weitere Stunden bis in die Nacht in die Länge. Schließlich ging Kramp-Karrenbauer nach 1 Uhr alleine vor die Mikrofone, während die Fraktion noch weiterdebattierte. „Das war eine sehr offene, intensive, emotionale Aussprache“, sagte Kramp-Karrenbauer bei ihrem Abgang.

Nach ihren Worten gebe es „Initiativen“, mit denen zunächst innerhalb der parlamentarischen Möglichkeiten und ohne Neuwahl eine Lösung gesucht werden solle. „Die CDU wird diese Initiativen nicht blockieren, sofern sie ihre Grundprinzipien beibehalten kann.“ Wenn dies scheitere, würden Neuwahlen aber unausweichlich. Darin sei man sich einig gewesen, so Kramp-Karrenbauer. Auf der Sitzung ging es nach Angaben aus Teilnehmerkreisen heiß her. Die CDU-Chefin soll der Landtagsfraktion gedroht haben, dass die Bundes-CDU „mit allen Mitteln“ klarmachen werde, dass die Verhaltensweise der Thüringen-CDU im Zuge der am Mittwoch durchgeführten Ministerpräsidentenwahl nicht toleriert werde. Aus der Fraktion soll es heftige Kritik an CDU-Landeschef Mike Mohring gegeben haben, inklusive der Forderung nach einer Vertrauensabstimmung. Bei der Ministerpräsidentenwahl am Mittwoch hatte die AfD-Fraktion im Thüringer Landtag ihren eigenen Kandidaten im dritten Wahlgang fallengelassen und zusammen mit der CDU dem FDP-Kandidaten Kemmerich überraschend zur Mehrheit verholfen. Der hatte die Wahl angenommen und sich unmittelbar danach als Ministerpräsident vereidigen lassen, am Donnerstag aber nach Druck aus der Bundespartei den Rück tritt, die Auflösung des Thüringer Landtages und Neuwahlen angekündigt. Ob und wie es dazu kommen soll, war aber zunächst unklar. Vorerst bleibt Kemmerich als Ministerpräsident im Amt. Linke, SPD und Grüne setzten dem neuen Ministerpräsidenten unterdessen am Donnerstagabend ein Ultimatum, bis Sonntag verbindlich zu erklären, dass unverzüglich ein Rücktritt erfolge oder die Vertrauensfrage gestellt werde. „Wir erwarten, dass Herr Kemmerich sich bis zum Sonntag abschließend erklärt“, hieß es von der bisherigen Regierungskoalition.

Kretschmer rät CDU zur Verständigung mit Linkspartei

Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) hat seine Partei zu einer Verständigung mit der Linkspartei in Thüringen aufgerufen. „Zwischen AfD und Linkspartei sehe ich einen großen Unterschied“, sagte er den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. „Mein Rat ist, abzurüsten, gemeinsame Gespräche zu suchen und die Situation nicht weiter anzuheizen. Die Lösung liegt in einer Verständigung über Parteigrenzen hinweg – mit Ausnahme der AfD.“ Zugleich riet Kretschmer von Neuwahlen in Thüringen ab. „Mit Neuwahlen legen die Parteien den Bürgern die Entscheidung über die künftige Regierung in die Hände. Aber ich sehe mir Sorgen, dass die politischen Ränder links und rechts, die auf keinen Fall zusammenarbeiten, dabei gestärkt werden könnten“, sagte er. „Das ist dann selbstverständlich Demokratie. Aber trotzdem kein gutes Ergebnis.“ Deshalb werbe er so intensiv für verbales Abrüsten. Nach der Landtagswahl im Oktober wäre der einzig vernünfti ge Weg gewesen, dass die rot-rot-grüne Regierung mit einem geschäftsführenden Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) im Amt geblieben wäre, betonte Kretschmer. „Und bei zentralen Fragen, die für die Zukunft Thüringens entscheidend sind, sucht man Mehrheiten im Landtag – unter Beteiligung der CDU. Das gebietet schon die staatsbürgerliche Verantwortung.“ Die AfD sei von einer Aggressivität, Geschichtsvergessenheit und Bösartigkeit in der Wortwahl, dass er „überhaupt nicht verstehen kann, wie man auch nur im Ansatz gemeinsame Projekte auf den Weg bringen kann“. Deswegen hätten FDP und CDU mit der Wahl von Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten „einen fatalen Fehler gemacht“. Das Wahlergebnis in Thüringen zeige ganz deutlich, dass es für keine politische Konstellation eine Mehrheit gebe. „Erwachsene, verantwortungsvoll handelnde Menschen stellen sich dieser Wahrheit“, sagte der Ministerpräsident. „Zu viele haben das Wahlergebnis ignoriert und die eigenen Interessen über alles gestellt.“

Thüringen-Krise: Schäuble lobt „entschiedene Haltung“ von CDU-Chefin

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hat das Vorgehen der CDU-Bundesvorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer angesichts der politischen Krise in Thüringen gelobt. „Es war gut und richtig, dass die CDU in dieser Angelegenheit ohne Zögern und so eindeutig Stellung bezogen hat“, sagte Schäuble der „Welt“. Als ein „glücklicher Umstand“ habe sich erwiesen, dass die CDU-Chefin „die Gelegenheit hatte, ihre entschiedene Haltung während der Sitzung der Deutsch-Französischen Parlamentarischen Versammlung in Straßburg mitzuteilen“, so der CDU-Politiker weiter. So habe sie „schnell und überzeugend den großen Besorgnissen unter unseren französischen Partnern und Freunden entgegenwirken“ können, sagte der Bundestagspräsident. Bei der Ministerpräsidenten-Wahl im Thüringer Landtag hatte die AfD-Fraktion am Mittwoch ihren eigenen Kandidaten im dritten Wahlgang fallengelassen und zusammen mit der CDU dem FDP-Kandidaten Thomas Kemmerich überraschend zur Mehrheit  verholfen. Der hatte die Wahl angenommen und sich unmittelbar danach als Ministerpräsident vereidigen lassen, am Donnerstag aber nach Druck aus der Bundespartei den Rücktritt, die Auflösung des Thüringer Landtages und Neuwahlen angekündigt.

Grünen-Chef Habeck hofft auf Lehren aus der Thüringen-Wahl

Der Grünen-Vorsitzende Robert Habeck hat an Politiker in Bund und Ländern appelliert, Lehren aus der skandalösen Ministerpräsidentenwahl in Thüringen zu ziehen. „Die größte Gefahr für Demokratien geht im Augenblick von Populisten aus, die in die demokratischen Institutionen vordringen und sie von innen aushöhlen. Wer ihnen dies ermöglicht, gefährdet die Demokratie“, sagte Habeck dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Ich hoffe, dass das jetzt alle demokratischen Parteien verstanden und aus dem historischen Fehler gelernt haben“, betonte der Parteichef. Die vergangenen Tage hätten gezeigt, „wie dünn der Firnis ist“. Habeck zufolge können auch nach demokratischen Regeln verlaufende Prozesse demokratieschädigende Wirkung haben. „Man kann Demokratien auch mit demokratischen Mitteln zerstören“, sagte er. Darauf hätten es Kräfte wie die thüringische AfD des Landesvorsitzenden Björn Höcke abgesehen. „Eine Regierung, die abhängig ist von Björn Höcke, kann keine unabhängigen, rechtsstaatlichen Institutionen mehr garantieren. Das untergräbt das Vertrauen der Menschen in Demokratie“, mahnte der Grünen-Chef. Trotz seines angekündigten Rückzugs markiere die Wahl des FDP-Politikers Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten einen „politischen Kulturbruch“, sagte Habeck dem RND. +++