Tarifvertrag Altenpflege – Keine ideale Lösung

Umfassenden Reform müsse insgesamt kommen

Dr. Markus Juch, Diözesan-Caritasdirektor im Bistum Fulda

Nachdem in der vergangenen Woche die Arbeitsrechtliche Kommission der Caritas für den katholischen Wohlfahrtsverband eine Allgemeinverbindlichkeit in Hinblick auf einen vorgeschlagenen „Tarifvertrag Altenpflege“ abgelehnt hatte, stand die Caritas deutschlandweit als „unsolidarisch“ und „profitorientiert“ in der Kritik. Auch im Bistum Fulda setzte man sich in und außerhalb der Caritas mit dieser Entscheidung äußerst kontrovers auseinander. Nun, nach ein paar Tagen, setzt langsam eine differenziertere Betrachtung der Entscheidung und der Beweggründe ein, welche das Caritas-Gremium bewogen hatte so zu entscheiden.

Zur Vorgeschichte: Am 1. Februar dieses Jahres hatte sich die Bundesvereinigung der Arbeitgeber in der Pflegebranche (BVAP) als eine von mehreren Pflegearbeitgeberverbänden in Deutschland mit der Dienstleistergewerkschaft ver.di auf einen Tarifvertrag für Beschäftigte in der Altenpflege geeinigt, der eine höhere Minimalvergütung als den derzeitigen gesetzlichen Mindestlohn für die Pflege vorsieht. BVAP und ver.di wollten diesen Tarifvertrag anschließend durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales für allgemeinverbindlich erklären lassen. Das Arbeitnehmerentsendungsgesetz wiederum regelt in Deutschland, wie ein von zwei Tarifparteien ausgehandelter Tarifvertrag – beispielsweise eben in der Pflegebranche – für allgemeinverbindlich erklärt werden kann. Auf Grund dieser Gesetzeslage war es erforderlich, dass in diesem Fall die Kirchlichen Wohlfahrtsverbände, also Caritas und Diakonie, als maßgebliche Dienstgeber in diesem Arbeitsfeld der Allgemeinverbindlichkeit des Tarifwerks zustimmen mussten. Erst nach einer solchen Zustimmung wären die Tarifparteien ver.di und BVAP in die Lage versetzt gewesen, beim Bundesministerium eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung für den Tarif zu beantragen. Wie bei allen Fragen, die Tarifbestimmung und Arbeitsrecht betreffen, ist bei der Caritas eine unabhängige „Arbeitsrechtliche Kommission“ zuständig.

Die Bundeskommission dieses Caritas-Gremiums hat – wie bekannt – am 25. Februar den Antrag des Pflegearbeitgeberverbandes BVAP und der Gewerkschaft ver.di auf eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung des von ihnen abgeschlossenen Tarifvertrages in der Pflege abgelehnt. Nach Einschätzung von Diözesan-Caritasdirektor Dr. Markus Juch hat sich die Dienstgeberseite der paritätisch besetzten Bundeskommission, von der die entscheidenden Nein-Stimmen kamen, diese Ablehnung alles andere als leichtgemacht. „Die Arbeitsrechtliche Kommission begründet ihre Ablehnung unter anderem damit, dass der von ver.di und BVAP ausgehandelte Tarifvertrag eine Vielzahl von Punkten beinhaltet, welche bei der Caritas bereits seit Jahren obligatorisch sind, und von denen viele Pflegekräfte im Dienste von Caritas-Einrichtungen partizipieren!“ Das Vertragswerk würde also für die Caritas-Einrichtungen und ihre Mitarbeitenden keinen arbeits- und tarifrechtlichen Fortschritt bedeuten, zumal das Tarifniveau der Caritas längst höher ist als die im vorgeschlagenen Tarifvertrag angestrebten Mindestlöhne. Weitere Punkte, welche Caritas-intern längst gut geregelt sind und durch das Tarifwerk aber neu zur Disposition stünden, sind die betriebliche Altersversorgung, passgenaue Arbeitsmodelle oder aber auch Überstundenzuschläge. „Weiterhin befürchtete die arbeitsrechtliche Kommission, dass sich zukünftig die Kostenträger – im Wesentlichen also die Pflegekassen – an einem allgemeinverbindlich erklärten ‚Tarifvertrag Altenpflege‘ als vorgegebener Norm orientieren würden und die Mehrkosten der Einrichtungen, die bessere Gehälter zahlen, dann nicht mehr zu refinanzieren wären“, erläutert Caritasdirektor Juch weiter. „Die Caritas-Pflegekräfte erhalten für ihre gute Arbeit gutes Geld und ein gutes Arbeitsumfeld, und das soll auch zukünftig so bleiben!“

Wie geht es nun weiter in dieser etwas vertrackten Situation, denn die Einsicht, dass insgesamt in der Pflegebranche für die Mitarbeitenden vieles im Argen liegt und die Löhne weiter steigen müssen, herrscht ja auch bei der Caritas vor. Der Pflegearbeitgeberverband BVAP kann in einem ersten Schritt das von ihm mit ver.di ausgehandelte Regelwerk auf die von ihm vertretenen Pflegeeinrichtungen fraglos anwenden. Denn die Caritas will keinesfalls verhindern, dass Pflegerinnen und Pfleger, die nicht in ihren Einrichtungen tätig sind, höhere Löhne bekommen können. Im Gegenteil ist die Caritas daran interessiert, das hohe Gehaltsniveau und die exzellenten tariflichen Rahmenbedingungen, die sie für ihre Mitarbeitenden in der Pflege seit Jahren erarbeitet hat, weiter fortzuführen und als Bezugsrahmen für die Gestaltung eines Pflegearbeitsmarktes in Deutschland anzubieten. Die Ankündigung von Bundesarbeitsminister Heil, die Pflegemindestlohnkommission, die für die Festlegung gesetzlicher Mindestlöhne in der Pflege zuständig ist, zeitnah einzuberufen, um mittelfristig höhere Lohnuntergrenzen für die Pflege bundesweit festzulegen, wäre auch aus Sicht der Caritas im Bistum Fulda ein guter weiterer Lösungsschritt aus der derzeitigen Situation. Grundsätzlich gelte, so Caritasdirektor Juch, dass es zu einer umfassenden Reform des Pflege- und Pflegeversicherungssystems in Deutschland und im Zuge dessen zu einer besseren Bezahlung der Pflegekräfte sowie zu einer Verbesserung der Arbeitsrahmenbedingungen in der Pflege insgesamt kommen müsse. „Der Vorstoß von BVAP und ver.di in dieser Form war dabei aus Sicht der Caritas aber nicht das geeignete Mittel!“ +++