Tann. Immerhin haben sie an Turnieren teilgenommen, denkt man, während mit einem romantischen Klischee nach dem anderen aufgeräumt wird. An die Faszination für Ritter möchte die Stadt Tann anknüpfen und lädt vom 10. Juli 2015 bis Juli 2016 zu der Ausstellung „Adel und Ritter der Rhön“ ein.
Eines zeigt das vorliegende Konzept: „Den“ Rhöner Ritter hat es nie gegeben. Man erfährt, wie sich Hoch- und niederer Adel unterschieden und was Ministeriale waren. Ritter, die in hohen Ämtern Karriere machten und Wohlstand erreichten, finden sich in dem Stand ebenso wie solche, die als „Raubritter“ ihr Dasein fristeten. Dazwischen lebten Amtmänner, die das Privileg genossen, sich durch den Ausschank von Wein auf Kirchweihfesten ein Zubrot verdienen zu dürfen. Zu jenen gehörte Moritz von Stein, der im 14. Jahrhundert auf der Lichtenburg bei Ostheim lebte. Sein Gehalt als Amtmann wird in der Ausstellung als Beispiel aufgelistet: „50 Malter Korn, 64 Malter Hafer, 50 Hühner zu Fastnacht und 50 im Sommer, 4 Kühe, ein Schwein oder Bargeld in Höhe von 20 würzburgischen Pfund…“
Nachdem in den Jahren 2008, 2009 und 2012 insgesamt 15.000 Besucher drei Ausstellungen unter dem Titel „Tanner Geschichte erleben“ gesehen haben, wird nun als vorläufiger Abschluss der Reihe das Thema ausgeweitet auf „Geschichte der Rhön erleben“. Als habe Organisator Manfred Dehler mit den Ausstellungen „Eberhard von der Tann“, „475 Jahre Reformation in Tann“ und „General Ludwig von der Tann“ auf dieses vierte Projekt als Höhepunkt hingearbeitet, ist dieses nicht nur thematisch, sondern auch zeitlich und räumlich weit-greifender: Beleuchtet wird die Zeit von Anfang des 12. bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts. Der Fokus reicht bis ins angrenzende Thüringen und Unterfranken sowie in die Kreise Main-Kinzig, Vogelsberg und Hersfeld-Rotenburg.
Dies ist das Gebiet, über das sich der „Ritterkanton Rhön-Werra“ erstreckte. Dieser hatte sich als Folge des Reichstags von Worms 1495 als einer von sechs Kantonen im Fränkischen Ritterkreis herausgebildet. Ein Themenschwerpunkt ist der Weg zur Unabhängigkeit der Ritter von den Fuldaer Fürstäbten. Allgemeine Informationen über das Rittertum werden mit Vorkommnissen in der Region verknüpft. So fällt in das Kapitel „Fehdewesen“ die Ermordung des Fuldaer Abtes Bertho II. von Leibolz 1271 und die anschließende Schleifung verschiedener Burgen als Racheakt.
Der Besucher erfährt nicht nur, weshalb von vielen Burgen in unserer Gegend heute bloß Ruinen erhalten sind, sondern auch, wie sie gebaut worden waren und in ihnen gelebt wurde. „Meist war nur ein Raum beheizbar, in der Kemenate saß man, in Decken gehüllt und mit tropfender Nase vor dem offenen Kamin, und der Wind drückte den Rauch in den Raum zurück, dass so mancher Ritter und seine Burgfrau den Geruch geräucherten Fleisches aus-strömten“, heißt es auf einer Texttafel, die einen Auszug aus einem Brief Ulrich von Huttens von 1518 wiedergibt.
Die Info-Texte werden bereichert von zahlreichen Originalexponaten sowie Nachbildungen zum Anfassen und von Bild- und Kartenmaterial. Mit einem Ritterburg-Modell zum Spielen für kleine Gäste beteiligt sich die Von-Galen-Schule in Eichenzell, und die Ulstertalschule in Hilders gestaltet als Kulisse einen Burgeingang. Auch das Biosphärenreservat Rhön und verschiedene Sponsoren haben ihre Unterstützung zugesagt. „Ich halte das Projekt für einen bedeutsamen Schritt, unsere Region als Geschichtsraum zu profilieren und regionale Identität zu stiften“, wertet Bruno Günkel vom Landkreis Fulda. Deshalb sei die geplante Ausstellung in das Regionale Entwicklungskonzept Rhön aufgenommen worden.
Dehler, der bis zu Beginn seines Ruhestands vor zwei Jahren das Tanner Tourismusbüro leitete, schlägt vor, mit der Ausstellung weitere Attraktionen wie Stadtführungen, Ritter- und Adelsessen, Weinproben, Lesungen oder Burgenwanderungen zu verbinden. Außer an einer Begleitbroschüre arbeitet er an einem Flyer, der beim Hessentag verteilt werden soll.
Die beste Werbung jedoch macht Manfred Dehler, dem die Historiker Dr. Joachim Peter und Dr. Christian Peter zur Seite stehen, persönlich: Mit Begeisterung zitiert er aus Urkundenkopien, die aufzeigen, wie es den hiesigen Rittern gelungen war, nach Verkündigung des Ewigen Landfriedens die Zahlung des „gemeinen Pfennigs“ zu umgehen, oder erläutert eifrig die Bedeutung des Augsburger Religionsfriedens von 1555 für die Buchonischen Ritter. Dann möchte man nicht glauben, dass er nach eigener Beschreibung früher im Geschichtsunterricht am liebsten aus dem Fenster geschaut habe. +++ fuldainfo

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