
Das Versprechen klingt gut: Wer Fisch mit dem hellblauen ASC-Siegel kauft, kann sich auf Nachhaltigkeit, Tierschutz und Transparenz in der Lieferkette verlassen. Doch genau hier offenbart das Siegel erhebliche Schwächen. Eine aktuelle Recherche der Verbraucherorganisation foodwatch zeigt: Bei zertifiziertem Lachs aus norwegischer Aquakultur bleibt die Herkunft in den meisten Fällen im Dunkeln.
Foodwatch hatte 22 Lachsprodukte mit ASC-Siegel in Supermärkten wie Rewe, Edeka, Lidl, Penny, Netto und Kaufland eingekauft, darunter Filets, Sushi und Wraps. Anschließend wurden die Hersteller gebeten, die genaue Zuchtfarm offenzulegen. Das Ergebnis ist ernüchternd: Nur zwei Hersteller nannten konkret den Ursprung des Fisches. In 85 Prozent der Fälle blieb die Herkunft entweder vage, wurde gar nicht beantwortet oder komplett verweigert.
„Das ASC-Siegel wirbt mit Rückverfolgbarkeit, doch wer die Herkunft des zertifizierten Lachses erfahren will, fischt im Trüben“, kritisiert Dr. Rebekka Siegmann von foodwatch. „Wer mit Transparenz wirbt, muss auch Transparenz liefern.“
Besonders bitter ist, dass einige Hersteller sogar angaben, eine Herkunftsangabe sei „nicht möglich“. Bei 13 Produkten kam auf die Anfrage von Foodwatch gar keine Antwort. Lediglich Mowi Germany („Signature Fjord Räucherlachs“) und Timea („Meine Lieblinge Lachs“) lieferten eine klare Auskunft. Escal nannte immerhin zwei mögliche Zuchtfarmen für seine „Edel-Lachs-Filetportionen“.
Dass ausgerechnet der norwegische Räucherlachs von „Fish Tales“, der ebenfalls mit einem ASC-Siegel versehen ist, für den „Goldenen Windbeutel 2025“ nominiert wurde, passt ins Bild. Mit dem Negativpreis zeichnet foodwatch alljährlich die dreisteste Werbelüge aus. Die Wahl läuft noch bis zum 13. Juli unter www.goldener-windbeutel.de.
Zertifiziert – aber zu welchem Preis?
Das ASC-Siegel (Aquaculture Stewardship Council) zählt zu den bekanntesten Labels für Fisch aus Aquakultur. Es wirbt mit Nachhaltigkeit, Tierwohl und vollumfänglicher Rückverfolgbarkeit „von der Zucht bis auf den Teller“. Laut foodwatch stehen diese Versprechen jedoch im Widerspruch zu den tatsächlichen Zuständen in norwegischen Lachszuchten.
Laut einem aktuellen Report sterben dort massenhaft Fische: Jeder vierte Junglachs und jeder sechste größere Lachs verendet noch vor der Schlachtung. Im Jahr 2024 starben demnach über 100 Millionen Tiere in norwegischen Zuchtanlagen – ein trauriger Rekord. Hauptursache sind Infektionskrankheiten. Daran änderten auch hohe Zertifizierungsquoten offenbar nichts. So sind laut ASC-Angaben rund 42 Prozent der norwegischen Lachsaquakultur zertifiziert, das GGN-Siegel nennt sogar eine Quote von 90 Prozent.
Bereits Ende 2024 hatte foodwatch die ASC Foundation mit der mangelnden Rückverfolgbarkeit konfrontiert. Die Organisation kündigte damals ein digitales Rückverfolgbarkeitstool an, das mehr Transparenz schaffen sollte. Doch bis heute – sieben Monate später – gibt es davon keine Spur. Auf der Website des ASC wird unterdessen weiterhin mit voller Transparenz geworben.
Transparenz bleibt somit ein Lippenbekenntnis
Was bleibt, ist ein Vertrauensproblem. Wenn ein Siegel, das explizit mit Rückverfolgbarkeit wirbt, diese im Alltag nicht gewährleisten kann, verliert es seine Glaubwürdigkeit. Für Verbraucher:innen, die beim Einkauf bewusst nachhaltige und transparente Produkte wählen wollen, ist das ein herber Rückschlag.
Foodwatch fordert nun Konsequenzen. „Solange ASC diese Transparenz nicht gewährleisten kann, sollte es damit auch nicht werben dürfen“, so Dr. Siegmann. Der Druck auf die Siegel-Initiative wächst – und mit ihm die Forderung nach echter, überprüfbarer Herkunft statt schöner Versprechen. +++
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