
Der Hessische Städtetag fordert eine grundlegende Reform der Kinderbetreuung im Bundesland. Nach der Sitzung des Präsidiums des kommunalen Spitzenverbandes mahnt dessen Präsident, Wiesbadens Oberbürgermeister Gert-Uwe Mende, ein Umdenken in der Bildungs- und Sozialpolitik an: „Bevor Bund und Länder neue Aufgaben und Ansprüche im Bereich dieser pflichtigen Selbstverwaltungsaufgabe übernehmen, sollten zunächst die bestehenden Aufgaben abgearbeitet, ausreichend Fachkräfte ausgebildet und die Finanzierung gesichert sein.“
Die Sorge der Städte ist groß: Der akute Fachkräftemangel gefährde die Umsetzung gesetzlich garantierter Rechtsansprüche auf einen Betreuungsplatz. Um dem entgegenzuwirken, fordern die Kommunen entschlossene Maßnahmen – allen voran eine Reform der gesetzlichen Rahmenbedingungen und der Erzieherausbildung. Die derzeitigen Regelungen würden die kommunale Selbstverwaltung zunehmend einschränken und müssten dringend überprüft werden. Der Grundsatz der Subsidiarität – also die Verantwortung der Gemeinden vor staatlicher Einmischung – müsse wieder Vorrang erhalten.
Ein zentraler Punkt ist die Reform der Erzieherausbildung. Der Städtetag spricht sich für die flächendeckende Einführung eines dualen Ausbildungssystems aus. Die Ausbildungszeit solle auf drei Jahre verkürzt werden, auch Haupt- und Realschülern müsse ein schnellerer Einstieg über praxisintegrierte Ausbildungsmöglichkeiten (PivA) offenstehen. Diese solle jedoch nicht länger eine rein schulische Ausbildung mit Praxisanteilen bleiben, sondern in eine echte duale Berufsausbildung überführt werden – mit angemessener Bezahlung der Auszubildenden durch die Träger. Die bislang befristete staatliche Förderung müsse durch eine dauerhafte Finanzierung ersetzt werden.
Auch die Schulen sieht der Städtetag in der Pflicht: Die Berufsorientierung müsse im Unterricht aller Schulformen gestärkt werden, um junge Menschen frühzeitig für soziale Berufe zu interessieren. Zudem drängt der Verband auf eine deutlich einfachere Anwerbung und Anerkennung ausländischer Fachkräfte – unterstützt durch feste Haushaltsmittel von Bund und Ländern.
Zugleich kritisiert der Städtetag, dass die politischen Reaktionen bisher zu unverbindlich seien. Statt konkreter Maßnahmen gebe es Stabstellen und Gipfeltreffen, während der Fachkräftemangel in der Praxis immer drängender werde. Die Forderung an die Politik lautet daher: Die bereits vorliegenden Vorschläge des Städtetages für „Fachkräfte für Heute und Morgen“ sollen endlich umgesetzt werden.
Neben strukturellen Reformen fordert der Verband eine Rückbesinnung auf die pädagogische Kernarbeit. Erzieherinnen und Erzieher sollen sich wieder stärker den Kindern widmen können, statt sich in Bürokratie zu verlieren. Dazu sei eine deutliche Entlastung durch Verwaltungs- und Hilfskräfte notwendig. Auch die Sprachförderung in den Kindertageseinrichtungen müsse ernster genommen und dauerhaft aus originären Haushaltsmitteln finanziert werden.
Finanzielle Forderungen richten sich sowohl an Bund und Land als auch an die Kirchen. Die Drittelfinanzierung der Investitions- und Betriebskosten, wie sie zwischen den Beteiligten verabredet sei, müsse dauerhaft und dynamisch abgesichert werden. Auch die Kirchen, so der Städtetag, sollten sich ihrer Verantwortung stellen und sich langfristig angemessen an den Kosten beteiligen.
Darüber hinaus müsse das Land Hessen sämtliche Pauschalen im Hessischen Kinder- und Jugendhilfegesetzbuch (HKJGB) erhöhen und dauerhaft dynamisieren – insbesondere jene zur Förderung von Kindern mit Behinderung. Die bisherige Praxis mit zahlreichen Einzelprogrammen solle einer umfassenden Betriebskostenförderung weichen.
Nicht zuletzt greift der Städtetag auch das Thema Elternbeitragsfreiheit auf. Wenn das Land weiterhin auf einer flächendeckenden Beitragsfreiheit besteht, müsse es sämtliche dadurch entstehenden Einnahmeausfälle der Kommunen vollständig ausgleichen – auch rückwirkend. Denn: Die Landeszuschüsse decken laut Städtetag nur noch einen schrumpfenden Anteil der tatsächlichen Betreuungskosten.
Mit seinem Positionspapier richtet der Hessische Städtetag einen deutlichen Appell an die politischen Entscheidungsträger in Wiesbaden und Berlin: Ohne grundlegende Reformen und eine stabile Finanzierungsbasis droht das System der frühkindlichen Bildung und Betreuung weiter unter Druck zu geraten – mit gravierenden Folgen für Kinder, Eltern und Kommunen gleichermaßen. +++
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