Staatsverschuldung könnte 2018 unter 60-Prozent-Schwelle sinken

Deutschland hat diese Regel von 2003 an in keinem einzigen Jahr eingehalten

Erstmals seit 2002 wird die Bundesrepublik die Schuldenregel aus dem Maastrichter Vertrag wohl bald wieder einhalten. Das berichtet die „Welt“. Der Grenzwert könnte noch im Laufe des Jahres erreicht werden, sagen demnach Ökonomen. Oliver Holtemöller, Vize-Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), hält es für „wahrscheinlich, dass die Schuldenquote bereits im laufenden Jahr unter die 60-Prozent-Marke fällt“. Roland Döhrn, Konjunkturchef des Essener Wirtschaftsforschungsinstituts RWI, sagte: „Es gibt noch keine Gewissheit, aber schneller als erwartet unter die 60 Prozent dürfte es schon gehen.“

Das RWI war bisher, wie auch die Bundesregierung, davon ausgegangen, dass die Wegmarke erst im kommenden Jahr erreicht wird. Als Mitglied der Euro-Zone hat sich die Bundesrepublik verpflichtet, die Verbindlichkeiten auf höchstens 60 Prozent zu begrenzen. Deutschland hat diese Regel von 2003 an in keinem einzigen Jahr eingehalten. Im vergangenen Jahr lag die Verschuldung bei 64,1 Prozent. In seiner aktuellsten veröffentlichten Prognose geht das Bundesfinanzministerium für 2018 von einem Schuldenstand von 61 Prozent aus. Diese Schätzung stammt aus dem Juni – und dürfte mit den vergangene Woche veröffentlichten Etatzahlen des Statistischen Bundesamtes überholt sein. Bund, Länder, Gemeinden und Sozialversicherung erwirtschafteten allein im ersten Halbjahr einen Finanzierungsüberschuss von mehr als 48 Milliarden Euro. „Das Bundesfinanzministerium hält es nicht für ausgeschlossen, dass Deutschland noch in diesem Jahr alle Maastricht-Kriterien wieder einhalten wird und damit also auch unter die Schuldenstandsquote von 60 Prozent rutschen wird“, teilte das von Olaf Scholz (SPD) geführte Finanzministerium auf Anfrage der „Welt“ mit. In Koalitionskreisen geht man gegenwärtig davon aus, dass diese Quote in den kommenden Jahren sogar noch deutlich weiter sinken wird. Führende deutsche Wirtschaftswissenschaftler würden das begrüßen. „Es wäre schon gut, wenn der deutsche Fiskus in den kommenden Jahren die Schuldenquote Richtung 50 Prozent drückt und so einen Sicherheitsabstand aufbaut zur 60-Prozent-Grenze“, sagte Niklas Potrafke, Leiter des Zentrums für öffentliche Finanzen am Münchener Ifo-Institut, der Zeitung.

„Wir sollten uns an die europäischen Vereinbarungen halten, zumal dann, wenn wir das auch von anderen Ländern einfordern.“ Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), forderte die Politik in diesem Zusammenhang auf, die Stabilisierung der Staatsfinanzen „nun nicht leichtfertig aufs Spiel“ zu setzen, „denn die größten Fehler werden in guten Zeiten gemacht“. Verantwortlich für die günstige Entwicklung sind natürlich auch die Zinsen, die die Europäische Zentralbank durch ihre lockere Geldpolitik auf sehr niedrigem Niveau hält. „Damit sollte man den Erfolg der deutschen Fiskalpolitik aber nicht klein reden“, sagte Friedrich Heinemann, Leiter des Forschungsbereichs Unternehmensbesteuerung und Öffentliche Finanzwirtschaft beim Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. „Die Tatsache, dass die größte Volkswirtschaft der Eurozone ihre Schulden eindrucksvoll konsolidiert, ist ein immenser Beitrag zur Stabilisierung der Euro-Zone“, so Heinemann. „Das Phänomen, dass die verantwortungslose Politik der neuen italienischen Regierung noch nicht zu einer Rückkehr der Euro-Krise geführt hat, liegt nicht zuletzt daran, dass Deutschland seine Rolle als Stabilitätsanker wahrnimmt.“ +++