Dieser Tage ist Marco Klee auf Heimatbesuch in Eiterfeld. Er hat das geschafft, wonach sich so mancher junge Kicker sehnt: Er arbeitet für einen Fußball-Bundesligisten. Marco Klee ist Teammanager/Zeugwart beim FC St. Pauli, dem Kultclub am Millerntor. Gut ein halbes Jahr engagiert er sich in Hamburg - und wer aus der großen Masse, die Fußball aufsaugen, wäre nicht gern dort? In der Stadt der zwei Bundesligisten. Auch die Tatsache, dass er für die Zweite Mannschaft, die gegenwärtig das Tabellenende der Regionalliga Nord ziert, ändert nichts an Klees Wertschätzung, die er im Klub erfährt. Eher im Gegenteil.
„Ich fühle mich hier pudelwohl“, sagt Marco Klee. Und das klingt nicht nur bestimmt, sondern auch voller Überzeugung. Er sei nicht nur super aufgenommen worden, er weiß auch dies zu schätzen. Das Gefühl, „wenn du vom ländlichen Raum kommst und bei einem solchen Verein landest“. Erst Eiterfeld und Eiterfeld/Leimbach, dann ein Gastspiel beim Südwest-Regionalligisten Steinbach Haiger. Klee wagte diesen Schritt in die Welt des Profifußballs - und so manch einer aus Eiterfeld hatte ihm das nicht zugetraut. „Es war und ist perfekt“, fügt er hinzu. Und nach folgender Episode denkt man sich doch: Was willst du eigentlich mehr? Andreas Bornemann, der Sportliche Leiter des Profiteams, auch des Öfteren auf TV-Bildern zu sehen, adelt Marco Klee quasi ständig. „Er kommt und klopft mir jeden Tag auf die Schulter“. Mehr und größere Anerkennung geht eigentlich nicht.
Ob er da keine Möglichkeit hat, ins Profiteam reinzurutschen? Trocken sagt Marco, was wohl auch naheliegend ist. „Ich breche nichts übers Knie. Wenn ich keine Löffel klaue, kann ich lange bleiben.“ Da bemüht er einen Vergleich zum Schmunzeln. Während wir in einem Eiterfelder Café sitzen. „Der Kehl hat mich noch nicht angerufen …“ Marco Klee meint Sebastian Kehl, der ja aus Tann-Lahrbach in der Rhön stammt und Sportdirektor bei Borussia Dortmund ist. „Nein. Ich bin bei St. Pauli glücklich“, macht er solchen Spekulationen ein Ende, ehe sie begonnen haben. Der BVB - da war doch was?… Richtig. Es war der Tag des Bundesliga-Auftakts, St. Pauli hatte das Team aus Westfalen zu Gast. Dortmund führte 3:1 - ehe die furiosen Schlussminuten begannen. Spannung. Dramatik. St. Pauli eben.
Klee erlebte das Duell hautnah mit. Mit seiner Arbeitskarte, der Berechtigung jedes St. Pauli-Mitarbeiters, hatte er einen Platz erwischt, wo das Herz schlägt. Neben all den Journalisten und jenen, die sich für wichtig halten. Plötzlich war das Spiel - das nach einem Elfer für St. Pauli und Manes Roter Karte noch 3:3 endete und dem Kult-Klub einen Punkt bescherte - beendet, und Marco Klee marschierte mit dem Fußball-Kommentatoren-Gesicht Wolff Fuß nach unten. „Mit dem hab‘ ich das Stadion verlassen. Und mit Matthäus wollte ich vorher ein Bild machen.“ Der lehnte aber ab, mit der knappen Begründung, „das Spiel geht schon los“. Ein Eiterfelder hatte wenigstens Momente aus der großen, vielleicht nicht der ganz großen, Welt des Fußballs erlebt. Es sind Augenblicke, die man nicht vergisst. Auch Marco Klee nahm einiges mit. „Das Spiel hat mich angezündet. Mega“. Er hatte das Gefühl, alles richtig gemacht zu haben. „Stimmung ist doch das A und O im Fußball“, vermittelt er. Ob nun in der bescheidenen osthessischen Welt oder der „da oben“. Halt, nicht ganz Ost-, aber dafür ein Stückchen Nordhessen. Mit Melvin Witte steht ein ehemaliger Spieler des KSV Baunatal im Tor von St. Paulis zweiter Mannschaft. Auch sein Ziel ist es gewiss, einmal Platz im Profi-Team zu finden.
Was seine Arbeit im Umfeld des Bundesligisten und speziell für den ausmacht? „St. Pauli ist halt Kult. Ein besonderer Verein.“ Jetzt leuchten seine Augen. „Wenn du einmal am Millerntor warst, hast es dich gefasst. Du bist Paulianer.“ Gibt es ein Glaubensbekenntnis im Fußball? Klees Aussage und Empfindung legen es nahe. Und die über seinen Job ist auch ein Stück Lebensgefühl. „Meine Arbeit ist entspannter jetzt. Viel entspannter. Du hast mehr Klamotten und kannst alles in Ruhe machen.“ Bei kleineren Vereinen ist das halt oft anders. Schön auch, wenn man den gestiegenen Selbstwert in Worte fassen kann: „Ich bin mein eigener Herr.“
Was dann der Unterschied zwischen einem Zeugwart unserer Sphären und dem Job bei St. Pauli sei? „Ein normaler Betreuer nimmt seinen Koffer mit und stellt ihn in die Kabine. Und stellt eine Kiste Wasser dazu. Das war‘s. Noch die Trikots und Obst halt.“ Im Handumdrehen aber ergänzt er: „So war‘s in Eiterfeld zum Beispiel. Jetzt mache ich alles anders.“ Marco Klee hat halt den Sprung gewagt. „Vor Weihnachten hatte ich ein Mitarbeiter-Gespräch. Ich wollte wissen, was ich besser machen könnte“, erklärt er, „es waren alle zufrieden. Trainer. Mannschaft. Alle“. Marco organisiert bei Auswärtsspielen den Bus. Das Essen. Und alles, was dazugehört.
Auch den Klassenerhalt „seiner“ Zweiten hat er noch nicht abgeschrieben. Noch längst nicht. „Wir haben fünf Punkte Rückstand auf das rettende Ufer. Aber laut Gerüchteküche kommt ein Stürmer aus Osnabrück sowie ein Abwehr- und Mittelfeldspieler. Zwei, drei erfahrene Spieler brauchen wir noch in unserer blutjungen Mannschaft.“ Das klingt spannend.
Schauen wir auf das Aufmacher-Bild, tut sich eine andere kleine Episode auf. Marco Klee vor dem Mannschaftsbus des FC St. Pauli. Es war vor dem letzten Auswärtsspiel der „Kiez-Kicker“ - wie sie bisweilen etwas abwertend tituliert werden - bei Mainz 05. Marco spielte nicht mehr mit der Zweiten - er war schon zu Hause. Prompt nahm er die Gelegenheit wahr - und fuhr mit seinem Vater August, ehemals Platzsprecher in Eiterfeld, nach Mainz. Da begrüßte ihn Peter Nemec, Co-Trainer der Profis und ehemaliger Kicker in Frankfurt, mit den Worten: „Marco, was machst du denn hier?“ Marco Klee ist halt präsent. Im Herz des FC St. Pauli. Sein Gesicht ist bekannt. Sein Wert wird allenthalben geschätzt.
Einen Tag vor Silvester geht‘s zurück nach Hamburg. In aller Frühe. „Ich bin mit dem Zug hier“, betont er. Sein Auto hat er in der Weltstadt Hamburg gelassen. Um 5.41 Uhr fährt der ICE ab in Fulda, „um 8 Uhr bin ich in Hamburg. Vom Hauptbahnhof dort fahre ich nochmal 20 Minuten bis zu meiner Wohnung“. Marco Klee hat Lunte gerochen. „Wenn du einmal in der Großstadt bist, willst du gar nicht mehr weg.“ +++ rl

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