SPD und CDU in Hessen einigen sich auf Koalitionsvertrag

Hessischer Landtag

CDU und SPD haben sich auf einen gemeinsamen Koalitionsvertrag verständigt. Der rund 190 Seiten umfassende Entwurf steht unter dem Motto "Eine für alle". Es ist das Programm der künftigen schwarz-roten Landesregierung unter Führung von CDU-Ministerpräsident Boris Rhein für die kommenden fünf Jahre. Die meisten bedeutsamen Vereinbarungen des Vertragsentwurfs entsprechen einem Eckpunktepapier, auf das sich beide schon Mitte November verständigt hatten. Am kommenden Samstag finden Parteitage statt. Die Zustimmung beider zum Bündnisvertrag gilt als gewiss. Am Montag könnte dieser dann unterzeichnet werden. Der neue Landtag konstituiert sich dann am 18. Januar des kommenden Jahres, hier wird dann auch der Ministerpräsident gewählt.

FDP: Entscheidend ist, was Schwarz-Rot umsetzt

Wiebke Knell und Dr. Stefan Naas, designierte Co-Fraktionsvorsitzende der Fraktion der Freien Demokraten im Hessischen Landtag für die 21. Wahlperiode, haben den heute bekannt gewordenen Entwurf des Koalitionsvertrags von CDU und SPD als Grundlage bezeichnet, gleichzeitig aber die Umsetzbarkeit infrage gestellt. „Der Koalitionsvertrag enthält einige sinnvolle Punkte, zum Beispiel in den Bereichen Bildung, digitale Transformation und das Bekenntnis zur Schuldenbremse. Papier ist aber bekanntlich geduldig - gemessen werden die Koalitionäre daran, was sie tatsächlich leisten, um die Versäumnisse aus zehn Jahren Schwarz-Grün aufzuholen. Wer mit dem Anspruch antritt, eine Koalition für alle sein zu wollen, muss aufpassen, dass er nicht beliebig wird und sich nicht verzettelt. Entscheidend ist, was am Ende rauskommt und dass die drängenden Probleme prioritär angegangen werden“, erklären Knell und Naas.

Knell ergänzt: „Während im Wahlkampf noch von einem eigenen Landwirtschaftsministerium und einem Ministerium für den ländlichen Raum die Rede war, ist davon nun nichts mehr übriggeblieben. Der ländliche Raum bleibt ein Anhängsel. Stattdessen gibt es künftig de facto zwei Sozialministerien: das Ministerium für Familie, Senioren, Sport, Gesundheit und Pflege für die CDU, das Ministerium für Arbeit, Integration, Jugend und Soziales für die SPD. Warum ausgerechnet hier ein zusätzliches Ministerium mit teuren Strukturen geschaffen werden soll, erschließt sich nicht und ist konzeptionell fragwürdig.“ Naas betont: „Jetzt ist weder der Zeitpunkt für eine Verteufelung der neuen Koalition, noch wird es von uns Freien Demokraten Vorschusslorbeeren geben. Wir werden uns die Arbeit der neuen Landesregierung genau ansehen und eine konstruktive Oppositionsarbeit machen. Wir werden darauf drängen, dass Hessen aus der unter Schwarz-Grün eingetretenen Mittelmäßigkeit herausgeholt wird und wollen als Fraktion der demokratischen Mitte deutliche liberale Akzente setzen.“

DGB: Positive Ansätze, aber auch Kritik

Der hessische DGB-Vorsitzende Michael Rudolph erklärte: „Die künftige Koalition rückt die Interessen der Beschäftigten stärker in den Fokus. Sie setzt sich zum Ziel, die Tarifbindung als wichtigen Grundpfeiler der sozialen Marktwirtschaft zu steigern und bekennt sich zu einer aktiven Wirtschafts- und Industriepolitik. Das begrüßen die hessischen Gewerkschaften ausdrücklich. Jetzt gilt es, diese Pläne schnell in Taten umzusetzen. Gleichzeitig fordert der DGB ein Überdenken der Schuldenbremse und betont die Notwendigkeit von mehr Investitionen in die soziale und ökologische Nachhaltigkeit. Kritisch äußern sich die Gewerkschaften zur der Migrations- und Integrationspolitik.“

Besonders positiv bewertet der DGB die Absicht von CDU und SPD, die öffentliche Vergabe grundsätzlich daran zu binden, dass die beauftragten Unternehmen sich an Tarifverträge halten, die Subunternehmerketten zu begrenzen und Kontrollstellen bei den Regierungspräsidien einzurichten. Ein weiterer wichtiger Baustein zur Stärkung der Tarifbindung ist die geplante Stärkung des Tarifausschusses beim Landesarbeitsministerium. „Ein wichtiger Schritt zur aktiven Gestaltung der Industriepolitik“, so Michael Rudolph, „ist die Einrichtung eines Hessen-Fonds, um betriebliche Investitionen zu unterstützen. Dies ist ein wichtiger Beitrag zur Bewältigung der Transformation. Mit der Einführung eines Hessen-Fonds zur Förderung betrieblicher Investitionen in die Transformation wird dieser Anspruch unterstrichen. Positiv ist das Knüpfen der Mittelvergabe an Bedingungen. Wer Fördermittel bekommt, muss eine Standort- und Beschäftigungsgarantie abgeben und sich an Kriterien guter Arbeit halten. Auch die Schaffung eines Landesprogrammes für den Bau von bezahlbarem Wohnraum für Auszubildende bewertet der DGB positiv.“

Gleichzeitig wolle die Landesregierung Vorbild sein und sichert die verfassungskonforme Alimentation der Beamtinnen und Beamten zu. Wünschenswert wäre hier auch eine klare Position zum Ausbau der Mitbestimmung im öffentlichen Dienst gewesen. „Jedoch weisen wir an der Stelle auch darauf hin, dass die öffentlichen Investitionen angesichts der Herausforderungen der Transformation insgesamt zu gering ausfallen. CDU und SPD sind aufgefordert, die Schuldenbremse kritisch zu hinterfragen, weil diese wichtige Zukunftsinvestitionen verhindert. Diese sind aber notwendig, um Arbeit und Einkommen zu sichern.“ So weise der Koalitionsvertrag in vielen Bereichen offensichtlich aufgrund fehlender finanzieller Mittel Mängel auf: „Die geplanten öffentlichen Investitionen in die Infrastruktur, in Bildung, in Wohnen, in Mobilität, in Energie, in soziale Einrichtungen und in die öffentliche Daseinsvorsorge sind unzureichend. „Besonders kritisch sehen wir die rückwärtsgewandte Ausrichtung der Migrationspolitik von CDU und SPD. Das Recht auf Asyl basiert auf universellen Grund- und Menschenrechten, diese sind für uns unantastbar. Hinzu kommen die steigenden Fachkräftebedarfe. Um den Wohlstand und die wirtschaftliche Stärke unseres Bundeslandes zu halten, sind wir auf deutlich mehr Zuwanderung angewiesen. Hier ließen sich Menschenrechte, Humanität und arbeitsmarktpolitische Herausforderungen gut verbinden. Die Integration von Zugewanderten in den Arbeitsmarkt sollte deutlich für alle Menschen erleichtert werden“, betont Rudolph.

Im Bildungsbereich begrüßt der DGB die geplante Arbeitszeiterfassung der Lehrkräfte, betont jedoch, dass hieraus die richtigen Schlussfolgerungen hinsichtlich eines angemessenen Personalbestands gezogen werden müssen. Kritisch sieht der DGB die Widersprüche in Bezug auf das Bekenntnis zur UN-Behindertenrechtskonvention, da bei der Inklusion Grenzen ausgemacht werden. Eine Begrenzung von Menschenrechten sollte aber nicht Grundlage der Landespolitik sein. +++


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