SPD-Chefin will Zukunft der Autoindustrie zur Chefsache machen

Koalition an Arbeits- und Bildungsreformen messen

Andrea Nahles

Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles will die Zukunft der Automobilindustrie in der Bundesregierung zur Chefsache machen. „Es geht um das Rückgrat der deutschen Wirtschaft“, sagte Nahles der „Welt am Sonntag“. „Hier arbeiten mehrere hunderttausend Beschäftigte, und wir wollen, dass das so bleibt. Darum muss die notwendige Umstellung auf Elektromobilität und andere alternative Antriebsformen auch in der Regierung Chefsache sein“, so Nahles weiter.

Sie habe deshalb Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) vor Weihnachten angeschrieben und ihr vorgeschlagen, eine neue „Industriepartnerschaft“ auf den Weg zu bringen, sagte Nahles. Damit sei ein kontinuierlicher Dialog zwischen Politik und Industrie über den Transformationsprozess gemeint, der den größten Wirtschaftszweig Deutschlands erfasst habe. „Wir müssen gemeinsam Lösungen entwickeln, damit die Menschen eine Perspektive bekommen. Es geht darum, alle Anforderungen im Zusammenhang zu sehen und gemeinsam dafür zu sorgen, dass die Automobilindustrie in Deutschland eine gute Zukunft hat“, so die SPD-Chefin. Die bisherigen Diesel-Gipfel griffen zu kurz. „Das waren Ad-hoc-Veranstaltungen, es ging nur um das Thema Diesel, immer kurzfristig und von den drohenden Fahrverboten getrieben. Das wird der Aufgabe überhaupt nicht gerecht“, so Nahles weiter. Ein Transformationsprozess nach Vorstellungen der SPD habe ständigen Nachjustierungsbedarf, man müsse dauerhaft und umfassend im Gespräch bleiben. „Ich denke, wir müssen das langfristig auf zehn Jahre mindestens anlegen. Das geht nicht innerhalb einer Legislatur. Ich will, dass im Jahr 2030 in Deutschland noch immer die besten Autos der Welt gebaut werden – allerdings andere, vielleicht Elektroautos“, sagte die SPD-Chefin. Von der Industrie verlange sie, „dass sie investiert, die Beschäftigen qualifiziert, die ganze Transformation sozialverträglich gestaltet“.

Aber auch die Politik müsse ihren Teil beitragen. „Die Industrie kann zu Recht erwarten, dass wir Klarheit beim Ausbau der Ladeinfrastruktur schaffen und bei Qualifizierung helfen. Kurzfristig brauchen wir auch gesetzliche Klarheit: Wer darf wie wo reinfahren bei Fahrverbotszonen? Diese Gesetze könnten schon im Januar auf den Weg gebracht werden“, so die SPD-Politikerin. Das Hauptproblem bei den Dieselfahrzeugen seien inkompatible Grenzwerte. „Es wurden Grenzwerte gemacht für die Region, für eine Stadt. Und es wurden Grenzwerte gemacht pro Auto. Die passten aber nicht zusammen. Deswegen ist das Ganze unter anderem so eskaliert“, sagte Nahles. Davon strikt zu trennen sei der Skandal um die manipulierten Fahrzeuge: „Das ist eine Verantwortung, die die Konzerne tragen und beseitigen müssen.“ Im Rahmen der Industriepartnerschaft müsse es auch um die gerade in Brüssel beschlossenen Reduktionsziele für CO2-Werte gehen. „Wir sind mit 30 Prozent Reduktionsziel in die Verhandlungen eingestiegen. Am Ende wurden es 37,5 Prozent. Die Beschlüsse von Brüssel kann man erreichen, aber nur wenn alle Zahnräder ineinandergreifen. Und genau darum ginge es in dem vorgeschlagenen Dialog einer Industriepartnerschaft“, so die SPD-Chefin.

Koalition an Arbeits- und Bildungsreformen messen

Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles will den Erfolg der schwarz-roten Koalition an der Umsetzung der vereinbarten Arbeits- und Bildungsreformen messen. „Die wesentlichen Zielmarken für die Bilanz sind für mich die Verabredungen mit der Union zu den Themen Wert der Arbeit sowie Kinder und Bildung“, sagte Nahles der Zeitung weiter. Im Koalitionsvertrag ist eine Revision der Zusammenarbeit der großen Koalition im kommenden Herbst vereinbart. Als Beispiele für Gesetzesvorhaben, die unbedingt umgesetzt werden müssten, nannte Nahles eine Grundrente, Tariflöhne in Pflegeberufen und die Einschränkung der sachgrundlosen Befristung. „Das findet sich alles im Koalitionsvertrag, war aber schon in den Verhandlungen damals knifflig“, sagte die SPD-Chefin. Man werde mit dem Koalitionspartner darum kämpfen müssen. „Wenn wir das hinbekämen, hätte sich die Große Koalition in wichtigen Themen bewährt“, so Nahles weiter. Im Bereich der Bildungsreformen nannte sie die M indestausbildungsvergütung als strittiges Projekt. „Die CDU-Bildungsministerin versteht darunter offenbar etwas anderes als wir. Sie will so eine Art Bafög schaffen, das reicht uns nicht. Wir wollen eine an den Tarifverträgen orientierte Mindestausbildungsvergütung nach Vorbild des Mindestlohns“, so die SPD-Politikerin. Außerdem müssten die begonnenen Reformen wie das Gute-Kita-Gesetz oder der Kinderzuschlag samt Bildungs- und Teilhabepaket ins Ziel gebracht werden. Außerdem müsse im Januar „die Grundgesetzänderung durch den Vermittlungsausschuss kommen, damit sich der Bund konkret an den Bildungsinvestitionen beteiligen kann“. Der Ehrgeiz der SPD sei es jedenfalls, „Deutschland zum kinderfreundlichsten Land in Europa zu machen – und 2019 zum Jahr des Aufbruchs in der Bildungspolitik“, so Nahles.

Bedingungsloses Grundeinkommen lehnt die SPD-Vorsitzende ab

Die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles lehnt ein bedingungsloses Grundeinkommen ab. „Die SPD steht für ein Recht auf Arbeit – und nicht für bezahltes Nichtstun“, sagte Nahles der „Welt am Sonntag“. Gleichzeitig verteidigte die Parteichefin ihre Aussage, die SPD müsse Hartz IV hinter sich lassen. „Das bedeutet eine Debatte nach vorne, über die Zukunft, und nicht über die Frage: Wer hatte 2003 recht?“, so Nahles. Sie halte nichts von der kompletten Verunglimpfung der Agenda-Reformen. So sei die Zusammenlegung von Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe „absolut überfällig“ gewesen. „Aber man darf nach 15 Jahren doch fragen: Was haben wir für Erfahrungen damit gemacht? Wie geht es weiter?“, so die SPD-Vorsitzende. Die SPD werde im Februar Antworten auf diese Fragen geben, kündigte Nahles an. Es gehe darum, dass die Lebensleistung der Menschen besser geschützt werde, und sie „schneller und einfacher an ihr Recht kommen“. +++

Sie können uns jederzeit Leserbriefe zukommen lassen. Diskutieren kann man auf X oder Facebook