Sommerlad stellt klar

Fulda. Die Beschlussvorlage der Regionalplanung des Regierungspräsidiums Kassel zum Abweichungsantrag der Gemeinde Künzell zum geplanten Bauvorhaben der Firma Sommerlad, die im Zusammenhang mit der nächsten Sitzung des Zentralausschusses der Regionalversammlung Nordhessen steht, sorgt für ein erhöhtes, regionales Medienecho. In der örtlichen Berichterstattung werden Sachverhalte und Prüfvorgaben jedoch teils nur unzureichend dargestellt bzw. vertauscht, so das RP-Kassel in einer Stellungnahme. Dass Regierungspräsidium hatte dies zum Anlass genommen, die in der Öffentlichkeit falsch dargestellten Vorgänge nochmals näher zu erläutern. Jetzt äußert sich das Möbelhaus Sommerlad zum bisher Publizierten, um die Sache ein für allemal klar zu stellen.

1. Zuständigkeiten: Die Geschäftsstelle der Regionalversammlung bereitet die Beschlüsse der Gremien der Regionalversammlung vor. Die abschließende Entscheidung trifft der Zentralausschuss der Regionalversammlung. Die Beschlussempfehlung zum Vorhaben der Firma Sommerlad ist ablehnend. Dass das Vorhaben auf der Ostseite der Bundesautobahn A7 im Gewerbegebiet gegen grundlegende Ziele des Regionalplans verstößt, wurde seit der ersten Veröffentlichung zu den Planungen im Sommer 2013 von der Fachbehörde so kommuniziert.

Die Behörde hat weder der Gemeinde Künzell, noch dem Unternehmen die Möglichkeit gegeben, mit ihr die Bedenken – obwohl mehrmals dazu Gelegenheit bestand – zu erörtern.

2. Zeit: Der Antrag der Gemeinde Künzell wurde – samt den vom Vorhabenträger bzw. der Stadtregion erstellten Gutachten und Unterlagen – im November 2014 zur Vorprüfung eingereicht und bedurfte der Nachbesserung. Dies wurde dem Vorhabenträger am 03. Februar 2015 mitgeteilt. Der vervollständigte Antrag ging am 21. Mai 2015 ein und wurde sodann in das einmonatige, notwendige Beteiligungsverfahren gegeben.

Die Behörde hat dem Vorhabenträger (Unternehmen Sommerlad) weder mit Schreiben vom 03. Februar 2015 mitgeteilt, noch in späteren Besprechungen einen Hinweis gegeben, dass sie eine Nachbegutachtung der vom Lenkungsausschuss beschlossenen Verkaufsfläche im „Kernsortiment Möbel“ für erforderlich hielt. Dazu hätte noch Gelegenheit in der Besprechung bei Herrn Regierungspräsident Dr. Lübcke am 13.07.2015 bestanden. In dieser Besprechung hatte die zuständige Dezernentin selbst die Frage aufgeworfen, ob die Stellungnahmen der Gemeinden, die einen Verstoß gegen das Beeinträchtigungsverbot geltend machen, nicht den Gutachtern Junker und Kruse zur Nachprüfung vorgelegt werden sollten. Auf die Notwendigkeit einer Nachbegutachtung der beschlossenen Verkaufsfläche von 16.800 Quadratmeter (Differenz zur gutachterlichen Empfehlung 1.300 Quadratmeter) ist die Dezernentin mit keinem Wort eingegangen. Die fehlende Nachbegutachtung, die sofort nachgeholt worden wäre, ist jedoch einer der tragenden Gründe der Ablehnung des Abweichungsantrages durch die Behörde.

3. Auswertung und fachliche Abwägung: Etwa 60 sog. Träger öffentlicher Belange, d.h. Nachbarkommunen, Kreise, Kammern, Einzelhandelsverbände etc. wurden zu Stellungnahme zu dem Vorhaben aufgefordert (Einleitung 01. Juni 2015, Frist zur Abgabe der Stellungnahmen bis zum 06. Juli 2015). Dabei ging eine Vielzahl negativer Stellungnahmen – auch aus dem näheren Umfeld – ein.

Die Behörde lässt unerwähnt, dass einige Stellungnahmen widersprüchlich sind. Die thüringischen Städte Geisa und Vacha behaupten eine Verletzung des Beeinträchtigungsverbotes. Demgegenüber hat das Thüringer Landesverwaltungsamt erklärt, dass nach Einschätzung der oberen Landesplanungsbehörde bei der zugrunde liegenden Planung des neuen Möbelhauses, keine wesentlichen Auswirkungen auf Einzelhandelseinrichtungen mit dem Sortiment Möbel bzw. auf die Einzelhandelsstruktur von Thüringen zu erwarten seien. Der RP Gießen befürchtet u.a. Umsatzverlagerungen auf Kosten des Einzelhandels in den Städten Lauterbach und Alsfeld. Beide Städte haben jedoch mitgeteilt, dass ihre Belange durch die Standortverlagerung und Verkaufsflächenerweiterung nicht nachteilig berührt werden. Eine Nachprüfung durch die Gutachter wäre auch deshalb geboten gewesen, weil diese Stellungnahmen erfahrungsgemäß von der interkommunalen Konkurrenz im Bereich der Wirtschaftsförderung beeinflusst und häufig übertrieben sind.

4. Antragsgegenstand: In der kürzlich geführten Berichterstattung wird auf eine Größe von 2,7 ha abgestellt. Dies ist falsch, denn in die Originalantragsunterlage der Gemeinde Künzell lautet der Antragstext (S.2) wie folgt: „Die Gemeinde Künzell beantragt die Zulassung einer Abweichung von den entgegenstehenden Zielen des Regionalplanes Nordhessen (RPN 2009) und des Landesentwicklungsplanes (LEP 2000), um im Bereich der nachfolgend dargestellten Fläche in einer Größenordnung von rd. 6,6 ha ein Sondergebiet im Sinne § 11 Abs. 3 BauNVO für großflächigen Möbeleinzelhandel darstellen bzw. ausweisen zu dürfen. Beantragt werden folgende Verkaufsflächen: Gesamtverkaufsfläche 21.900 Quadratmeter davon für – Möbel 16.800 Quadratmeter -zentrenrelevante Randsortimente 2.050 Quadratmeter- nichtzentrenrelevante Randsortimente 3.050 Quadratmeter“

Der Antragsgegenstand ist richtig wiedergegeben. Das ändert aber nichts daran, dass vom Möbelhaus selbst – einschl. Stellplätze – nur etwa 2,7 ha belegt werden. Das Lager ist unbestritten im Gewerbegebiet zulässig. Die Stadt Gießen z. B. hat daher im Bebauungsplan nur für das Möbelhaus ein Sondergebiet festgesetzt; die Festsetzung für das angrenzende Lager ist Gewerbegebiet. Die Behörde selbst hat die Größe des interkommunalen Gewerbegebietes mit 60 ha ermittelt. Die vom Möbelhaus beanspruchten 2,7 ha machen nur 4,5 % des interkommunalen Gewerbegebietes aus.

5. Arbeitsplatzargumente: Angesichts der angestrebten Verkaufsflächenerhöhung von 19.800 Quadratmeter auf 21.900 Quadratmeter, also 2.100 Quadratmeter, erscheint die von der Firma Sommerlad angegebenen Erhöhung der Arbeitsplätze wenig plausibel; Es sei denn, dies wären allesamt Arbeitsplätze, die durch den Internethandel neu geschaffen würden.

Es überrascht zunächst, dass die Behörde auf das Arbeitsplatzargument überhaupt eingeht. In ihrer ablehnenden Stellungnahme zum Abweichungsantrag führt die Behörde nämlich aus, dass ihre Bedenken mit dem Arbeitsplatzargument nicht ausgeräumt werden könnten (S. 20). Das Arbeitsplatzargument dürfte auch aus Sicht der Landesplanung nicht nebensächlich sein, denn zu den Zielen des Landesentwicklungsplanes Hessen, gehört ausdrücklich die Erhaltung und Schaffung von Arbeitsplätzen. Die Behörde hat zutreffend festgestellt, dass die Verkaufsfläche nur um 2.100 Quadratmeter vergrößert werden soll. Die zusätzlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen eingestellt werden, um vor allem die Beratung der Kundinnen und Kunden zu intensivieren. Nur durch eine persönliche Beratung lässt sich die von den Gutachtern Junker und Kruse prognostizierte Umsatzsteigerung von 20 Prozent am neuen Standort erreichen. (Nach einer Untersuchung des „EHI Retail Institute“ zu „Die Grenzen des Wachstums – Konzepte, Kennzahlen und Perspektiven für den deutschen Möbeleinzelhandel“, Köln 2014 stagniert der Bruttoumsatz des Möbeleinzelhandels seit Jahren; in 2002 betrug der Bruttoumsatz 30,4 Mrd. €, in 2013 31,1 Mrd. € (a.a.O. S. 7)). Zusätzlicher Personalbedarf im Vergleich zum Altstandort Petersberg entsteht durch die neue Gardinenabteilung (einschl. Näherei), das neue Restaurant und die Kinderbetreuung (durch ausgebildete Erzieher / Erzieherinnen). Nach der aktuellen Personalbedarfsplanung werden 97 Stellen neu geschaffen. Noch nicht berücksichtigt ist der Personalbedarf im Online – Handel, da dieser sich erst im Aufbau befindet.

6. Vergleichbare Fälle in der Planungsregion: Das Möbelhaus Finke in Fuldabrück bei Kassel ist ca. 1 km von der BAB A 7 entfernt. Ein Erweiterungsansinnen wurde seitens des Zweckverbandes Raum Kassel verwehrt. Das Möbelhaus Höffner mit Standorten in den Verdichtungsräumen Frankfurt am Main, Köln, Mannheim etc. ist mit dem mittelständischen Möbelanbieter Sommerlad so nicht vergleichbar. Schließlich wurden die anzunehmenden Umsätze in der entsprechenden Auswirkungsanalyse auch auf die Firma Sommerlad und nicht die Branchengrößten bezogen.

Der Fall des Möbelhauses Finke in Fuldabrück ist schon deshalb als Bezugsfall nicht geeignet, weil hier die Stadtregion Fulda bzw. die Gemeinden des oberzentralen Siedlungsbereiches Fulda der Verlagerung zugestimmt haben (einstimmige Beschlüsse der Gemeindevertretungen Künzell, Petersberg und Eichenzell, eine 85 %-Mehrheit in der Stadtverordnetenversammlung Fulda). Die Verkaufsfläche von Finke ist mit rd. 30.000 Quadratmetern bereits um rd. 37 % größer, als die von Sommerlad am neuen Standort. Dass Finke mit 30.000 VKF in Fuldabrück und Möbel Höffner mit 55.000 VKF in Gründau-Lieblos von den Größenordnungen mit Sommerlad nicht vergleichbar sind, ist offenkundig. Was die Behörde aber übersieht, ist, dass sich die Einzugsbereiche der drei Unternehmen überschneiden. Seitdem Lückenschluss der A 66 bewirbt Möbel Höffner intensiv die Region Fulda. Umso wichtiger wird es für den „mittelständischen Möbelanbieter“ Sommerlad, dass er sich attraktiv aufstellt, um dieser starken Konkurrenz Stand zu halten. Jeder Kenner der Möbelbranche wird bestätigen, dass der Altbau in Petersberg den Anforderungen eines Möbelhaus mit dem Angebotsniveau von Sommerlad nicht genügt, und jeder Architekt, der auf Einzelhandelsimmobilien spezialisiert, ist wird zustimmen, dass sich der Altbau mit vertretbarem Aufwand – nicht zu einem attraktiven Möbelhaus herrichten lässt, wie es beispielsweise Finke in Fuldabrück betreibt. +++ fuldainfo

[ad name=“Textwerbung“]