Söder kritisiert Regierung wegen Impfstoff-Mangel

AstraZeneca: EU-Kommission bestellte Impfstoff zu spät

Markus Söder (CSU)

Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kritisiert die mangelnde Impfstoff-Versorgung in Deutschland. „Nahezu alle zugesagten Versprechen können derzeit leider nicht eingehalten werden. Da wird viel Vertrauen grade in dieser Frage verspielt“, sagte er der „Bild“. Söder monierte, es müsse „da etwas schief gelaufen“ sein. „Die Transparenz, wie genau muss noch hergestellt werden. Erkennbar ist, dass entweder zu wenig bestellt wurde, deswegen hat man ja nachbestellt, offenkundig auch zu bürokratisch.“

Der CSU-Chef nannte es „ein Armutszeugnis“, dass die Impfzentren leer seien und Ärzte nicht impfen könnten. Der Ministerpräsident machte außerdem Druck auf Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und dessen Versprechen, dass jeder Deutsche bis Ende des Sommers ein Impfangebot bekommen solle. „Ich hoffe, dass das klappt. Dringend notwendig wäre es“, sagte Söder: „Aber ehrlicherweise sollte es schneller gehen.“ Der Sommer sei auch sehr lange. „Man darf nicht vergessen, wir sind jetzt erst im Januar und wir spüren jetzt schon, dass wir zu wenig Impfstoff haben. Wir spüren die Debatte über Lockerungen, wir spüren die Sorge vor der Mutation.“ Bayerns Ministerpräsident appellierte an die Pharmaindustrie, bei der Impfstoffproduktion in Deutschland zu unterstützen. „Eines verstehe ich nach wie vor nicht: Wir sind ein Pharmaland, ein Industrie-Riese“, so der CSU-Politiker. Es müsse doch gelingen, aus einem einzigen Werk in Marburg mehr zu tun, um Impfstoff zu produzieren. „Es ist eine echte Notsituation. Beim Impfen geht es um Leben, aber es geht auch um Freiheit, wirtschaftliche Stärke“, sagte Söder der „Bild“. Sein Appell an die Bundesregierung: „Wir müssten die Bemühungen wirklich darauf konzentrieren und nicht nur jeden Tag darüber reden, sondern schneller und effizienter handeln.“

Ärztekammer drängt Regierung zur Aufklärung der Impfschwierigkeiten

Die Bundesärztekammer macht wegen der Lieferschwierigkeiten bei den Impfstoffen Druck auf die Bundesregierung. „Vor allem die besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen und natürlich auch die Beschäftigten in Kliniken und Pflegeinrichtungen müssen geimpft sein, bevor sich die hochansteckende Virusvariante aus Großbritannien weiter in Deutschland ausbreitet. Da zählt buchstäblich jeder Tag“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, der „Rheinischen Post“. Ausreichend Personal und Infrastruktur seien vorhanden, so Reinhardt. Die mehr als 440 Impfzentren in Deutschland könnten längst im Volllastbetrieb laufen, wenn genügend Impfstoffe zur Verfügung stünden. Gleiches gelte für die Arztpraxen. „Für den breiten Einsatz in den Praxen brauchen wir Impfstoffe, die unkompliziert zu transportieren und ohne spezielle Kühltechnik gelagert werden können. Diese Voraussetzungen scheint das Vakzin von Astrazeneca zu erfüllen.“ Solc  he Impfstoffe seien unerlässlich, um das Ziel der Herdenimmunität bis zum Sommer zu erreichen. „Die Ursachen der jetzt bekannt gewordenen Lieferschwierigkeiten müssen deshalb umfassend geklärt und so schnell wie möglich behoben werden“, sagte der Mediziner. „Die Bundesregierung und die EU-Kommission sollten darauf drängen, dass die vertraglich zugesicherten Liefermengen und Liefertermine eingehalten werden.“

AstraZeneca: EU-Kommission bestellte Impfstoff zu spät

Im Streit mit der EU-Kommission sieht der Pharmakonzern Astrazeneca den langsamen Vertragsabschluss als Grund für Lieferengpässe. „Wir sind in Europa jetzt zwei Monate hinter unserem ursprünglichen Plan. Wir hatten auch Anfangsprobleme in Großbritannien, aber der Vertrag mit den Briten wurde drei Monate vor dem mit Brüssel geschlossen“, sagte Astrazeneca-Chef Pascal Soriot der „Welt“. Man hätte dort drei Monate mehr Zeit gehabt, um Pannen zu beheben. Sein Unternehmen sei vertraglich nicht zur Lieferung bestimmter Mengen Impfstoff verpflichtet. Astrazeneca habe eine „Best effort“-Vereinbarung mit der Europäischen Union abgeschlossen. „Der Grund war, dass Brüssel mehr oder minder zum selben Zeitpunkt beliefert werden wollte wie die Briten – obwohl die drei Monate früher unterzeichnet hatten. Darum haben wir zugesagt, es zu versuchen, uns aber nicht vertraglich verpflichtet“, so Soriot und fügte hinzu: „Vergessen Sie nicht: Wir entwickeln den Impfstoff gemeinnützig, wir verdienen damit kein Geld. Ich denke, wir behandeln Europa wirklich fair.“ In Hinblick auf Berichte deutscher Medien, die Wirksamkeit des Impfstoffs von Astrazeneca sei bei älteren Menschen nur gering, sagte Soriot: „Ich habe keine Ahnung, woher diese Zahl kommt. Sie stimmt nicht. Wie kann man annehmen, dass Prüfbehörden rund um den Globus ein Mittel zulassen, das nur acht Prozent Wirksamkeit hat? Wie gesagt, die Nerven liegen blank. Es wird über alles Mögliche dummes Zeug geredet.“

Hausärzte nennen Lieferverzögerung von AstraZeneca-Impfdosen fatal

Der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, hat die vom britisch-schwedischen Pharmaunternehmens Astrazeneca angekündigten Lieferverzögerung von Impfdosen als „fatal“ bezeichnet. Das Impfen in den Praxen der rund 50.000 Hausärzte sei die einzige Möglichkeit, die Schutzimpfung der breiten Bevölkerung flächendeckend zur Verfügung zu stellen, sagte Weigeldt dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Leider verzögere sie sich immer weiter. „Die aktuellen Meldungen über Lieferverzögerungen des Herstellers Astrazeneca reihen sich in eine Folge unerfreulicher Nachrichten rund um die Organisation der Corona-Schutzimpfung ein.“ Das rücke nicht nur das Ziel einer schnellen Immunisierung der Bevölkerung in immer weitere Ferne, es sorge auch für Verunsicherung und Misstrauen. „Das ist fatal, bedenkt man, dass die Impfung der Hoffnungsschimmer der Menschen nach diesem schwierigen Jahr ist.“ Man brauche „endlich eine positive Kommunikation statt dieser ständigen Schwarzmalerei, die aktuell überall zu lesen und zu hören ist“. Astrazeneca will der EU vorerst weniger Impfstoff als die 400 Millionen bestellten Impfdosen liefern, andere Vertragspartner sind davon offenbar nicht betroffen. Deutschland soll rund 56 Millionen Dosen über die gemeinsame EU-Bestellung bekommen. +++