Seminarreise führte in geschichtsträchtige polnisch-tschechische Grenzregion

In der vergangenen Woche unternahm das Deutsch-Europäische-Bildungswerk in Hessen e.V. mit dem Sitz in Wiesbaden seine letzte verständigungspolitische Seminarreise in diesem Jahr. Es ging in die geteilte polnisch-tschechische Stadt Teschen sowie ins schlesische Mähren. 25 Seminaristen aus der Bundesrepublik waren dabei und bekundeten damit ihr besonderes Interesse, bei der Verständigung und Aussöhnung mit den östlichen Nachbarvölkern und der Intensivierung des friedlichen Miteinanders in Europa mitzuwirken. Die Leitung dieser einwöchigen Veranstaltung hatte Siegbert Ortmann (Lauterbach), Landesvorsitzender des Bundes der Vertriebenen in Hessen, der mit der Thematik solcher Reisen, wonach ein zukunftsorientiertes Europa sich immer seiner Geschichte bewusst sein müsse und Verbindendes nicht jenseits, sondern nur über die jeweiligen geschichtlichen Erfahrungen geschaffen werden könne, aus zahlreichen früheren Veranstalten bestens vertraut ist.

Vom Bundesministerium des Inneren wird übrigens diese verständigungspolitische Arbeit des Deutsch-Europäischen-Bildungswerks Hessen e.V., einer Einrichtung des BdV-Hessen, aus Steuermitteln unterstützt. Grundlage dieser Bundesförderung ist der mehrfach in der Vergangenheit zum Ausdruck gekommene Wille des Deutschen Bundestages, die Deutschen Heimatvertriebenen in das Werk der europäischen Aussöhnung und Verständigung mit einzubeziehen. Das jetzt durchgeführte Seminar stand unter dem Motto „Das deutsch-tschechisch-polnische Miteinander im gemeinsamen Europa“ und gliederte sich in eine abwechslungsreiche Mischung aus Vorträgen, Diskussionen und Exkursionen. Der Ausgangspunkt war nach der rd.1000 km langen Busanreise das traditionsreiche Städtchen Teschen/Cieszyn, wie der schlesische Ort bis zum ersten Weltkrieg genannt wurde. Heute ist diese Stadt nach wechselvoller, teils sehr schmerzhafter Geschichte im vorigen Jahrhundert in einen polnischen und einen tschechischen Teil getrennt, wobei die gemeinsame Landesgrenze entlang des Flusses Olsa verläuft. Dank der Europäischen Union und dem Schengener Abkommen kann diese Grenze jedoch kaum als solche wahrgenommen und bequem zu Fuß überquert werden. Und so erlebten die Seminarteilnehmer beiderseits der Grenze ein vielfältiges und interessantes Tagungsprogramm.

In Tschechien wurden die Stadt Tschechisch-Teschen, die nordmährische Metropole Mährisch-Ostrau, die erst junge Bergmannstadt Havirov (entstanden: 1955) sowie das Zentrum des ehemaligen deutschen Kuhländchens, die Stadt Neutitschein mit dem recht umfänglichen Regionalmuseum, besucht. Auf polnischer Seite waren Polnisch-Teschen, der Kurort Ustron und das Wintersportzentrum Wisla-Malinka mit der luftigen Adam-Malysz Skisprungschanze die programmgemäßen Standorte für weitere verständigungspolitische Aktivitäten. Und es fanden auch herzliche Begegnungen bei den ortsansässigen deutschen Minderheiten mit Vertretern des Deutschen Freundschaftskreises in Polnisch-Teschen, des Regionalverbandes für Lokale Zusammenarbeit Teschener Schlesiens in Tschechisch-Teschen, des Verbandes des Teschner Schlesiens in Havirov mit der Vorsitzenden Wilma Matthis, sowie schließlich bei dem Deutschen Freundschaftskreis in Ustron statt. Hier begrüßte der Vorsitzende der Sozial-Kulturellen Gesellschaft der Deutschen Schlesien, Martin Lippa (Gleiwitz) die deutschen Gäste und informierte über die Lage der deutschen Minderheit in der Woiwodschaft Schlesien.

In den Städten Mährisch-Ostrau und Polnisch-Teschen gab es zudem offizielle Empfänge bei der Kommunalpolitik, wobei im Teschener Rathaus mit Bürgermeister Ryszard Macura als Gastgeber sogar noch ein kleiner Hauch von Nostalgie aus früheren Habsburger Zeiten zu spüren war. Denn auf die Einweihungsfeierlichkeit des Erweiterungsbaues mit dem repräsentativen Sitzungssaal im Jahre 1880 im Beisein Kaiser Franz Josef des I. und dessen Wirken für diese Region wird in deutscher Sprache immer noch verschiedentlich hingewiesen. Einen „Ohrenschmaus vom Feinsten“ genossen die Seminarteilnehmer als Gäste der Sozial-kulturellen Gesellschaft für Deutsche in Schlesien mit Kulturreferentin Frau Doris Gorgosch (Ratibor) bei einem Konzert der international bekannten staatlichen Musikschule von Teschen im historischen Theater dieser Stadt mit einem brillanten und abwechslungsreichen Repertoire jugendlicher polnischer Musikschüler/innen. Das schwierige Zusammenleben unterschiedlicher Volksgruppen in Vergangenheit und Zukunft beleuchteten die beiden Wissenschaftler Dr. Grzegorz Studnicki (Pl) und Martin Krul (Cz) mit ihren sehr informativen Referaten über die wechselvolle Geschichte dieser Nachbarländer und trugen so nach einhelliger Meinung der Seminaristen wesentlich zum besseren Verständnis über die geschichtsträchtige Teschener Grenzregion bei.

Und schließlich war noch eine weitere Station des kurzweiligen Wochenprogramms der Besuch bei der evangelischen Kirchengemeinde in Wisla-Malinka mit einem sehr interessanten Überblick von Pfarrer Leszek Czyz über die heutige Lage der mit 40000 Mitgliedern sehr bedeutsamen evangelischen Kirche in Teschener Schlesien in dem ansonsten überwiegend verbreiteten Katholizismus auf nationaler Ebene in Polen. Aber im Gegensatz zu den ökumenischen Verhältnissen in anderen Landesteilen, gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen der evangelischen und der katholischen Kirchengemeinde im Teschener Grenzbereich durchaus sehr harmonisch und intensiv. Darauf verwies der im Übrigen erkennbar recht engagierte evangelische Gemeindepfarrer auch mit einigem Stolz.
Dieses sicherlich nicht nur aus Sicht des Veranstalters erfolgreich abgeschlossene Seminar zeigt einmal mehr die Wichtigkeit solcher Begegnungen zum besseren Verständnis für die Probleme bei osteuropäischen Nachbarstaaten mit dem Ziel des Abbaus von gegenseitigen Vorurteilen, die leider trotz gemeinsamer EU-Mitgliedschaft vielfach noch immer vorhanden sind. Für die hervorragend getroffene Auswahl des äußerst interessanten, in Deutschland aber wenig bekannten Reiseziels im fernen östlichen Europa sowie die Organisation und Durchführung dieser einwöchigen Veranstaltung gebührt dem Deutsch-Europäischen-Bildungswerk in Hessen e.V. mit seinem Kulturreferenten Hubert Leja sowie dem Tagungsleiter Siegbert Ortmann der herzliche Dank aller Reiseteilnehmer. +++ pm