Seltene Käferart erstmals in Hessen nachgewiesen

Gersfeld. Die Südhänge des Kyffhäusers in Thüringen sind seit Langem bekannt für ihre reiche und seltene Fauna und Flora mit zahlreichen wärmeliebenden Arten, die sonst nur viel weiter im Süden oder im Mittelmeerraum gefunden werden. Jetzt wurde erstmals auch in Hessen am Dreienberg bei Friedewald in der nördlichen Rhön östlich von Bad Hersfeld ein Käfer gefunden, der nur in extrem klimatisch begünstigten, sonnenexponierten Lagen auf Kalkböden leben kann.

Der rotbraune, etwa eineinhalb Zentimeter lange Vertreter der Blatthornkäfer mit dem lateinischen Namen Rhizotrogus cicatricosus ist ein kleiner Verwandter des Maikäfers. Er war in Deutschland bisher nur aus einem eng begrenzten Gebiet in Südthüringen bzw. Franken bei Coburg und eben aus dem südlichen Kyffhäuser bekannt gewesen. Ansonsten lebt das seltene Insekt, das in Deutschland zu den vom Aussterben bedrohten Arten gezählt wird, eher in Frankreich, Italien und Spa-nien. In der nördlichen Rhön war es kaum zu vermuten.

Auch der Kasseler Biologe und Käferspezialist Dr. Ulrich Schaffrath, der den Käfer entdeckte, war überrascht, denn der Fundort liegt weit von den bisher bekannt gewordenen Vorkommen entfernt. Allerdings, so meint der Forscher, seien nicht nur am Dreienberg, sondern auch an etlichen weiteren Wärmestellen im Meißner oder am Dörnberg solche Entdeckungen möglich, es gebe jedoch zu wenig Möglichkei-ten sprich Mittel, diese zu erkunden. In der Rhön dagegen gibt es einen Forschungsauftrag, d.h. eine Aufgabe des Biosphärenreservats ist die Erkundung und Inventarisierung der Pflanzen und Tiere der Kernzonen und ihrer Randbereiche sowie die Dokumentation von Veränderungen im Laufe der Zeit.

Ewald Sauer, zuständig für den Naturschutz im Biosphärenreservat Rhön, regte die Forschung am Dreienberg an. Er ist ebenfalls begeistert über den ersten Fund des seltenen Tiers in Hessen, und das ausgerechnet in seiner Rhön. Einen großen An-teil an dem Erfolg sieht er dabei besonders in der Arbeit der örtlichen Naturschutz-gruppe des NABU Dreienberg in Friedewald: „Horst Wenzel und seine Mitstreiter haben hier ganze Arbeit geleistet. Denn das Gebiet war Mitte des 20. Jahrhunderts mit Kiefern aufgeforstet worden und allmählich zu Wald geworden. Erst seitdem die Bäume weg sind, und der Südhang durch die Initative des NABU wieder wie früher in Form der Dreifelderwirtschaft und durch Beweidung der Magerrasen bewirtschaftet wird, ist eine typische und artenreiche Gesellschaft von Wildkräutern der Kalkäcker und Magerrasen zurückgekehrt, die kaum noch irgendwo anders zu finden ist.“

Die Maßnahmen sicherten auch dem auf offene, sonnige und warme Steppenlagen angewiesenen Blatthornkäfer das Überleben. Dies bestätigt der Käferspezialist Schaffrath, der seit Jahren für das Biosphärenreservat die Rhön erforscht: „Wäre das Gelände weiter verwaldet, hätte der Käfer hier auf Dauer wohl kaum eine Chance gehabt. Die hat er schon den Naturschützern vor Ort zu verdanken.“

Horst Wenzel, „Das ist natürlich eine schöne Bestätigung für unsere Arbeit. Wir wissen zwar, dass bei Pflanzen und anderen Insekten viele seltene Arten am Dreienberg vorkommen. Was wir jedoch nicht wussten, ist, dass solch eine Rarität hier bei uns am Dreienberg seinen Lebensraum hat. Ich hoffe sehr, dass dieser Fund uns bei der Umsetzung weiterer Projekte hilft. Eines haben wir schon im Auge: Den Südhang der Friedewalder Kuppe, den wir ebenfalls gerne vom Fichten- und Kiefernwald befreit und in artenreichen Magerrasen zurück verwandelt, sehen würden. Nicht allen, aber der seltenen Kalkflora und –fauna dürfte dies mit Sicherheit sehr gefallen.“

Hintergrund: Im Untersuchungsjahr 2014 wurden im Auftrag des Biosphärenreservates Rhön und Hessen-Forst FENA Gießen die Käferfauna in den sonnenexponierten Hän-gen am Südwestrand des Dreienberges, nördlich von Motzfeld, durch den Kasseler Biologen und Käferforscher Dr. Ulrich Schaffrath erforscht. Dabei kamen Luft- und Bodenfallen zum Einsatz. Zahlreiche Arten wurden aber auch mit der Hand gefangen. Im Untersuchungszeitraum von Anfang Mai bis Ende August wurden 303 Arten ermittelt. Die Untersuchungen ergaben eine ausgesprochen hochwertige und typi-sche Fauna der Kalkmagerrasen. Zwei Arten, Rhizotrogus cicatricosus (in Hessen bislang völlig unbekannt) und Zyras fulgidus, 4,5- 6 mm groß, der bei Ameisen lebt, wurden erstmals in Hessen nachgewiesen. 28 Käferarten sind auf der Roten Liste Deutschlands zu finden. Viele wertgebende Arten sind darüber hinaus noch am Dreienberg zu erwarten, die die hohe ökologische Bedeutung dieses Gebietes belegen und unterstützen. Die Bestandsaufnahme hat zwar den Wert des Gebietes belegt, jedoch sind noch nicht alle Parameter erforscht. Aus diesem Grund hat Dr. Schaffrath den Auftrag erhalten, in diesem Jahr auch die bundesweit bedeutenden Naturschutzäcker zu erforschen. +++ fuldainfo