Schwarzbaudiskussion in Eichenzell – Entsetzen bei den Fraktionen

Rechtswidrige Genehmigung durch den Gemeindevorstand?

Die Immobilie in Eichenzell.

Kaum ein Thema hat in den letzten Jahren die kommunalpolitischen Gemüter in Eichenzell derart erhitzt wie der sogenannte Schwarzbau Wilhelmstraße/Turmstraße, nur wenige Meter vom Eichenzeller Schlösschen entfernt. Der zweigeschossige Flachbau mit insgesamt 14 Wohneinheiten widerspricht den Vorgaben des Bebauungsplans sowie einer vertraglich von Gemeinde und Investor getroffenen Durchführungsvereinbarung und wurde deshalb von der Bauaufsicht beim Landkreis Fulda vor zwei Jahren mit einem Baustopp belegt. Wie seit Donnerstagmorgen kolportiert wird, soll der Gemeindevorstand mit CDU-Mehrheit jetzt plötzlich sein bisher verweigertes Einvernehmen zu dem Bauvorhaben doch noch erklärt haben. Damit hätte sich der Investor zu 100 % durchgesetzt.

Claus-Dieter Schad kritisiert Bürgermeister Rothmund für sein unabgestimmtes Vorgehen scharf. „Wozu haben wir uns jahrelang vom Bürgermeister sagen lassen müssen, dass die Gemeindevertretung für diese Angelegenheit zuständig sei? Wozu hat der Bürgermeister das Thema immer wieder auf die Tagesordnung der Gemeindevertretung setzen und beraten lassen? Noch im November hat Eichenzells Gemeindevertretung einstimmig über alle Fraktionsgrenzen hinweg einen Kompromissvorschlag verabschiedet. Jetzt wird alles mit einem Federstrich vom Tisch gewischt. Es braucht plötzlich keine Beschlüsse der Gemeindevertretung. Man fühlt sich als Gemeindevertreter durch dieses eigenmächtige Vorgehen des Bürgermeisters wie vor den Kopf gestoßen“, so der FDP-Fraktionsvorsitzende.

Joachim Weber von der Bürgerliste bringt seine Gemütslage wie folgt auf den Punkt: „Ich bin fassungslos. Über zwei Jahre haben wir als Gemeindevertretung mit dem Thema gekämpft und auch einstimmige Beschlüsse dazu gefasst. Jetzt wird einfach so in einer Nacht- und Nebelaktion von der CDU-Mehrheit im Gemeindevorstand das Bauvorhaben genehmigt. Die Gemeindevertretung wird bewusst außen vorgelassen. Das ist eine Missachtung der gewählten Gemeindevertreter. Ich fordere den sofortigen Rücktritt von Bürgermeister Rothmund. Wer sich so verhält, kann die Gemeinde nicht mehr führen.“

Lutz Köhler zeigt sich tief enttäuscht: „In der Sitzung der Gemeindevertretung am 20. Februar dieses Jahres habe ich für die SPD-Fraktion einen Antrag zur weiteren Vorgehensweise in dieser Causa gestellt. Leider wurde nicht beraten. Die notwendige Zweidrittelmehrheit für eine Erweiterung der Tagesordnung ist durch die CDU-Fraktion verhindert worden. Es hieß, dass keine Eilbedürftigkeit gegeben sei. Noch Anfang März konnte man der Presse entnehmen, dass aus Sicht unseres Bürgermeisters zumindest kein akuter Handlungsbedarf bestehe. Und nur wenige Stunden später stellt sich das Ganze völlig anders dar. Da sind offensichtlich doch Informationen vorhanden gewesen, die nicht mitgeteilt wurden. So kann man nicht miteinander umgehen.“

Eichenzells Ortsvorsteher Dirk Fischer, ebenfalls Mitglied der Gemeindevertretung, verweist auf die Hessische Gemeindeordnung. Er sieht im Vorgehen von Bürgermeister Rothmund möglicherweise eine Amtspflichtverletzung, die von der Aufsichtsbehörde zu rügen wäre. Für Alfons Schäfer, Fraktionsvorsitzender der CWE in der Gemeindevertretung, steht die Entscheidung des Gemeindevorstands im Widerspruch zu dem einstimmigen Beschluss der Gemeindevertretung vom November letzten Jahres. „Wir sind mit dieser Vorgehensweise nicht einverstanden.“

Im Moment herrscht ziemlich dicke Luft in Eichenzells Kommunalpolitik. In einem interfraktionellen Treffen haben sich deshalb Bürgerliste, SPD und FDP zusammengesetzt und darüber ausgetauscht, wie es weitergehen soll: Die Kommunalaufsicht ist einzuschalten, um den bestehenden Baustopp bis auf weiteres aufrecht zu erhalten. Zu klären ist die Frage, ob das Vorgehen des Gemeindevorstands rechtswidrig war, indem die Gemeindevertretung übergangen wurde. Vieles spricht dafür. Auch ein Eilverfahren beim Verwaltungsgericht in Kassel ist nötigenfalls anzustrengen. Ferner hat die Gemeindevertretung unverzüglich in einer Sondersitzung zur weiteren Vorgehensweise zu beraten. Vermutlich muss ein Akteneinsichtsausschuss einberufen werden, um weiter Licht in die internen Abläufe zu bringen. Ob und inwieweit ein Disziplinarverfahren gegen Bürgermeister Rothmund beantragt wird, steht zumindest im Raum. +++


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6 Kommentare

  1. Manch ein Kommunalpolitiker wünscht sich sicher manchmal, wir hätten auch bei uns chinesische Verhältnisse. Dann würden solche Bauvorhaben auch nicht so unendlich lange dauern. Und der Bürgermeister hätte reale Macht, sich durchzusetzen. Doch leider sind wir hierzulande in der Quak Quak Demokratie bzw. Bürokratie gefangen, die alles aber auch wirklich alles unendlich zerredet und es Investoren immer schwerer macht, hier zu bauen. Kein Wunder, dass bundesweit immer mehr Wohnungen fehlen.

    • Ganz so einfach ist es in diesem Fall nicht. Wer meint, man könne einfach Dinge eigenmächtig ändern und sich darauf verlassen, dass „die Partei“ das im Nachhinein schon regelt, liegt meiner Meinung nach falsch. Jetzt meldet sich zwar auch noch der Landkreis zu Wort und erklärt, alles sei in Ordnung – aber das macht die Sache für mich nicht weniger fragwürdig. Im Gegenteil: Der ganze Vorgang wirkt auf mich mehr als bedenklich! Da sollte man schon genauer hinschauen, anstatt einfach zur Tagesordnung überzugehen.

      • Allein aus dem Umstand, dass der Landkreis das seitens der Gemeinde bislang nicht erklärte Einvernehmen (wohl zu einer Änderung des B-Plans?) ggf. ersetzt hätte und die Gemeinde aufgefordert hat, das Einvernehmen zu erklären (weil der Widerspruchsführer offenbar einen Anspruch hat), lässt sich doch nicht ableiten, der LK glaube, es „sei alles in Ordnung“. Natürlich war das Bauen im teilweisen Widerspruch zur BG nicht in Ordnung, das bestreitet niemand. Diese Situation muss gelöst werden, da gibt und gab es diese Möglichkeiten, die das Baurecht bietet. Das aber war offenbar seitens einiger lauter Stimmen in der Gemeindevertretung nicht gewollt. Diese haben den Fall benutzt, um der Gemeindeverwaltung, dem BM und dem Investor zu schaden. Und dieses Motiv ist es, was empören sollte.

  2. Die Empörung über den Schwarzbau in Eichenzell war schnell da. Laute Kritik, deutliche Worte – es schien, als hätte man sich sofort ein Urteil gebildet. Doch genau hier liegt das Problem. Die altbekannte CDU-Maier-Manier, wie manche sagen? Vielleicht. Aber wer wirklich aufklären will, sollte sich zuerst mit den Fakten auseinandersetzen.

    Es gibt zahlreiche Dokumentationen und Analysen, die die Vorgänge detailliert beleuchten. Diese sollte man kennen, bevor man sich ein Urteil erlaubt. Fehler wurden gemacht, keine Frage. Doch die Art, wie hier agiert wurde, ist schwer nachvollziehbar. Inakzeptabel, wie Entscheidungen getroffen und durchgesetzt wurden.

    Wichtig ist jetzt, die richtigen Lehren zu ziehen: Aufklärung muss vor Vorverurteilung stehen. „Cui bono?“ mag als Frage wenig bringen, aber eins ist klar: Der Investor scheint der große Gewinner zu sein. Und das wirft Fragen auf, denen man sich stellen muss – sachlich, faktenbasiert und konsequent.

    • Ich stimme Ihnen zu, wenn Sie fordern, es bedürfe einer Aufarbeitung des Sachverhalts. Im Zentrum müsste die Frage stehen, welche Lösungsansätze für diesen Fall gegeben waren, die nicht genutzt wurden und seitens der „Scharfmacher“ in der Gemeindevertretung verhindert wurden. Das Baurecht kann nicht genutzt (benutzt) werden, um zu sanktionieren. Das ist dem Strafrecht vorbehalten. Der Sachverhalt und die baurechtlich möglichen Lösungsansätze sind doch angeblich seitens der Gemeinde durch externen Rechtsbeistand entwickelt worden. Warum ist man nicht schon längst den begründeten Empfehlungen gefolgt? Ich kann nur mutmaßen: Weil das Ergebnis nicht gepasst hat.
      Das könnte gut aufgeklärt werden. Damit würde sich die Frage „Cui Bono“ auch beantworten. Kaum dem Investor, vermute ich, denn dessen Schaden war schon aufgrund des Zeitablaufs dürfte immens sein. Er musste sein Recht offenbar erst durchsetzen, bevor das LRA die Anweisung erteilte. Und der internen Verwaltung Parteilichkeit zu unterstellen (nicht durch Sie!) ist infam.

  3. Echt jetzt? Man reibt sich die Augen: Erst einmal laut gebrüllt, den Verfahrensbeteiligten -insbesondere dem Bürgermeister- rechtswidriges Verhalten unterstellen und dann erst die Lage prüfen wollen? Da kann man gespannt sein. Und das immer wieder kehrende lautstarke moralische Entrüsten, ohne vorher den hier angegriffenen auch nur anzuhören oder sich zuvor durch Akteneinsicht schlau zu machen. Hauptsache die politische Gegenseite ist diffamiert.
    Wer immer betont, um unser demokratisches Gemeinwesen besorgt zu sein, sollte um ernst genommen zu werden, zunächst diese schäbige Debattenkuktur ablegen.
    Lauthalse Empörung ohne Faktencheck ist allzu durchsichtig. Um die Sache geht es hier schon längst nicht mehr. Der Skandal liegt zu allererst darin, dass es der Gemeindevertretung über Jahre nicht gelungen ist, diesen Fall einer sachgerechten Lösung zuzuführen. Dabei ging es von Anfang an nicht darum, dem Baurecht Geltung zu verschaffen. Das wäre zu einfach gewesen. Cui bono??

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