Schulz: Sondierungen standen mehrfach vor Abbruch

Juso-Chef hält Nachverhandlungen für unglaubwürdig

Martin Schulz (SPD)
Martin Schulz (SPD)

Berlin. Nach Einschätzung von SPD-Chef Martin Schulz standen die Sondierungsgespräche mit der Union in der entscheidenden Nacht vor dem Scheitern. „Als wir in den frühen Morgenstunden alle übermüdet waren und wir noch keine Ergebnisse hatten, wurde es mehrfach brenzlig“, sagte Schulz dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Das waren Momente, in denen man fast verzweifelt war. Aber diese Situationen kenne ich aus Brüssel und konnte daher sehr gut damit umgehen. Und wir haben zum Glück jedes Mal die Kurve bekommen.“

Schulz will für den Fall einer Neuauflage der Großen Koalition nach zwei Jahren kritisch Bilanz über die Zusammenarbeit mit der Union ziehen. „Wir werden den Koalitionsvertrag nach zwei Jahren einer Bestandsaufnahme unterziehen. Wir müssen nach dieser Zeit einen Strich ziehen und uns fragen: Wie weit sind wir eigentlich gekommen? Und was müssen wir verändern?“, sagte Schulz dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Für die SPD ist das die Chance zu sagen, mit diesen Ergebnissen sind wir zufrieden – und in anderen Punkten muss man nachbessern.“ Schulz sagte, eine derartige Verabredung sei Bedingung für Koalitionsgespräche: „Diese Mid-Term-Evaluierung ist für die SPD entscheidend, um den Koalitionsverhandlungen zuzustimmen.“ Für die aktuell anstehenden Gespräche mit der Union dämpfte Schulz Erwartungen mehrerer SPD-Spitzenpolitiker an grundlegende Veränderungen der Verhandlungsergebnisse. „Ich kann keine konkreten Änderungen für bestimmte Punkte versprechen“, sagte Schulz. Er wolle nun auf der Grundlage der Sondierungsergebnisse mit der Union verhandeln. „Wir werden noch einmal über alle Themen reden. Sondierungen sind keine Koalitionsverhandlungen“, sagte Schulz. „Dann werden wir sehen, wie weit wir kommen. Wenn wir an der einen oder anderen Stelle noch Verbesserungen erreichen, dann umso besser.“ Schulz wandte sich dagegen, am Wochenende beim SPD-Parteitag einen Beschluss zu Verhandlungen mit der Union unter bestimmten Vorbedingungen zu fassen. „Ich glaube, dass wir gut beraten sind, uns auf die Ergebnisse und ihre Vertiefung zu konzentrieren“, sagte Schulz.

Juso-Chef hält Nachverhandlungen für unglaubwürdig

Der Juso-Chef und Wortführer der GroKo-Gegner in der SPD, Kevin Kühnert, lehnt Nachverhandlungen der Sondierungsergebnisse mit der Union ab. „Wir sollten uns nicht selber belügen“, sagte Kühnert der Funke-Mediengruppe. „Was in Sondierungen nicht auf dem Tisch gelandet ist, wird in Koalitionsverhandlungen auch nicht mehr hereinkommen.“ Sollte der Sonderpartei der SPD an diesem Sonntag in Bonn den Einstieg in Koalitionsverhandlungen verweigern und SPD-Chef Martin Schulz darüber stürzen, sieht Kühnert sich keineswegs als Königsmörder. „Ich bin nicht naiv. Mir sind die ungeschriebenen Gesetze des Politikbetriebs bewusst. Aber für mich, für die Jusos muss niemand zurücktreten, und wir werden auch niemanden dazu auffordern.“ Dennoch sollte absehbar eine Frau die SPD anführen. „Das darf gerne sehr bald passieren. Und das meine ich nicht in dem Sinn, Martin Schulz muss weg, damit da eine Frau Platz hat. Es ist einfach kein Zustand, dass eine über 150 Jahre alte Partei nie eine Parteivorsitzende hatte. Das ist kein Ruhmesblatt.“ +++