Schäfer-Gümbel: Vieles bleibt beim Alten

Pentz: Weichen für eine zukunftsgewandte Politik in Hessen gestellt

SPD-Landesvorsitzender Thorsten Schäfer-Gümbe
Thorsten Schäfer-Gümbel (SPD)

Die gestrige Vorstellung des Koalitionsvertrages von CDU und Grünen nahm der SPD-Landesvorsitzende und Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Thorsten Schäfer-Gümbel, zum Anlass, der neuen Landesregierung „mangelnden Gestaltungswillen in wichtigen Zukunftsfragen“ vorzuhalten. Die SPD kündigte an, dass sie auch zukünftig „konstruktive Opposition“ sein und im Einzelfall Zustimmung zu Gesetzen und Anträgen prüfen werde. Der Sozialdemokrat forderte Ministerpräsident Bouffier auf, den Posten der Digitalministerin oder des Digitalministers extern zu besetzen und dafür jemanden zu finden, die oder der den nötigen Sachverstand mitbrächte.

Schäfer-Gümbel sagte in einer Pressekonferenz am Freitag in Wiesbaden: „Der Berg kreißte und gebar eine Maus. Die Geheimhaltung während der Verhandlungen steht jedenfalls in keinem Verhältnis zu den Inhalten des Koalitionsvertrages. Bei den wichtigsten Themen, die die Zukunft unseres Landes bestimmen werden und auch die Menschen im Wahlkampf am meisten umgetrieben haben, Bildung, Wohnen und Mobilität, liefert Schwarzgrün ein „weiter so“. Man muss kein Prophet sein, um heute schon festzustellen, dass es am Ende der nächsten Legislaturperiode abermals weniger bezahlbare Wohnungen geben wird als heute! Daher kann man die gestrige Ankündigung des Ministerpräsidenten und seines Stellvertreters, dass Hessen mit Hilfe ihrer Politik in weiteren Bereichen die Führung übernehmen solle, nicht ernst nehmen, da Hessen in keinem Politikfeld führend in Deutschland ist. Die Maxime „Hessen vorn“ aus der Zeit Georg-August Zinns gilt schon lange nicht mehr.“

Im Bereich der Bildungspolitik sei man erstaunt, dass CDU und Grüne sich mindestens rhetorisch der Methode „Copy and Paste“ bei den Oppositionsfraktionen bedient hätten. „Dazu gehören beispielsweise der Ausbau der gebunden und teilgebundenen Ganztagsschulen, kleineren Grundschulklassen oder die dritte Sportstunde im Grundschulbereich, die Stärkung der politischen und kulturellen Bildung – dies alles wurde von der SPD beantragt und von CDU und Grünen wiederholt abgelehnt“, erinnerte Schäfer-Gümbel. Die Kritikpunkte aus den vergangenen fünf Jahren, wie beispielsweise die Überlastung der Lehrerinnen und Lehrer mit Verwaltungsaufgaben, seien bei jeder sich bietenden Gelegenheit als „Hirngespinste der Opposition“ abgetan worden. Nun plane man die Entlastung von Schulen und Lehrkräften durch Verwaltungskräfte und Entbürokratisierung. „CDU und Grüne wollen eine zusätzliche Deutschstunde im Grundschulbereich und in den Jahrgangsstufen 5 und 6 einführen. Wie die dafür benötigen Lehrerinnen und Lehrer aber gewonnen werden sollen, dazu schweigt sich die alte und neue Koalition aus. Wer sich weiterhin der gleichen Bezahlung aller Lehrkräfte, egal ob an Grundschulen, weiterführenden Schulen und an Gymnasien, verweigert, der darf sich nicht wundern, wenn die in Hessen gut ausgebildeten Lehramtsanwärterinnen und -Anwärter beziehungsweise die Referendarinnen und Referendare in andere Bundesländer abwandern“, so Thorsten Schäfer-Gümbel. Die Aussage des Ministerpräsidenten, dass dieser Begriffe, die das Wort „Wende in sich tragen“, ausdrücklich ablehne, konterkariere den Bereich des Koalitionsvertrages zur Mobilität, der auch die in Hessen dringend notwendige Verkehrswende beinhalte, auf eine geradezu abstruse Weise. „Es ist schön und gut, wenn die Koalitionäre nun die im  Bundesverkehrswegeplan 2030 genannten vordringlichen Maßnahmen schneller planen und umsetzen wollen. Dass dafür jedoch die dringend benötigten Fachkräfte fehlen und auch nicht so schnell auf dem Jobmarkt zu finden sind, wird verschwiegen. Für die staugeplagten Pendlerinnen und Pendler, vor allem im Rhein-Main-Gebiet, wird sich auf absehbare Zeit nichts an der Tatsache ändern, dass sie auch weiterhin viele Stunden an Lebenszeit im Stau verbringen müssen. Die Hoffnung von Schwarzgrün, die Lenkung der Verkehrsströme mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz besser regeln zu können, bleibt erst einmal nicht mehr als eine Hoffnung“, sagte Schäfer-Gümbel.

Die soziale Frage des kommenden Jahrzehnts, die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum, sei der zukünftigen Landesregierung noch nicht einmal ein eigenes Ministerium, so wie auch von der Wohnungswirtschaft gefordert, wert gewesen. Nachdem das Thema Wohnen in den vergangenen fünf Jahren lediglich ein Anhängsel im Umweltministerium gewesen sei, habe man nun nicht viel Hoffnung, dass sich dieses durch den Zuschlag für das Wirtschaftsministerium ändern werde. „Wir haben es der verfehlten Wohnungsbaupolitik der vergangenen Legislaturperiode zu „verdanken“, dass heute nur noch die Hälfte der Anzahl der Sozialwohnungen existiert, mit der Schwarzgrün im Jahr 2014 gestartet ist. Die Aussage von Herrn Bouffier, dass bei der Wohnraumförderung jeder Antrag bewilligt werden soll, geht schlicht am Thema vorbei. Die Förderung ist in Zeiten von Niedrigzinsen falsch angesetzt. Es bleibt abzuwarten, ob sich die Landesregierung wenigstens in der kommenden Legislaturperiode an ihre eigene Verpflichtung hält, das Instrument der Konzeptvergabe bei der Veräußerung von landeseigenen Liegenschaften stärker zu berücksichtigen. Der Verkauf des Alten Polizeipräsidiums in Frankfurt ist uns ein mahnendes Beispiel“, sagte der Sozialdemokrat. Schäfer-Gümbel kündigte zudem an, der neuen schwarzgrünen Landesregierung die übliche Schonfrist von 100 Tagen nicht zu gewähren. Die SPD werde sofort und  konsequent in den politischen Diskurs vom ersten Tag an eintreten. Die Schonfrist gelte schließlich nur für neue Regierungen und nicht für ein Bündnis, das bereits am Anfang so wirke, als ob die Protagonisten alles beim Alten belassen wollten, um in Ruhe vor sich hin regieren zu können. Nachdem in Hessen jetzt schon ein Vierteljahr faktisch nicht regiert worden sei, müssten Probleme zügig angegangen werden.

Rock: Fünf weitere verlorene Jahre stehen Hessen bevor

Der Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion, René Rock, hat den schwarzgrünen Koalitionsvertrag als ein Dokument der Ambitionslosigkeit bezeichnet. „Auf 192 Seiten heißt es: Weiter so mit dem Stillstand in Hessen. Schwarz-Grün hat keine Idee, das Land voranzubringen. Und dokumentiert einmal mehr die eigene Reformunwilligkeit. An keiner Stelle sind die dringend erforderlichen Trendwenden erkennbar. Nicht in der Bildung, nicht bei der Infrastruktur und auch nicht bei der Energiepolitik. Was die beiden Parteien in den vergangenen Wochen ausgehandelt haben, ist die Fortschreibung eines Fahrplans in die Mittelmäßigkeit. Hessen kann mehr, aber mit dieser neuen Regierung wird es weiterhin unter seinen Möglichkeiten bleiben. Fünf verlorene Jahre stehen unserem Land bevor. Die Kleinteiligkeit des Koalitionsvertrages zeigt, dass beide Partner sich nicht über den Weg trauen. Anstatt Visionen für die Zukunftsfähigkeit unseres Landes zu formulieren und umzusetzen, beschäftigt sich die alte und neue Koalition mit der Polizeihundestaffel.“ Rock weiter: „Das Megathema Digitalisierung wird total verschlafen. Hier hätte es einer Bündelung und Vernetzung in einem starken Ministerium bedurft. Stattdessen wird die Landesregierung aufgebläht. Die CDU bekommt einen zusätzlichen Minister für Digitalisierung in der Staatskanzlei. Damit wird ein Versorgungsposten für einen CDU-Parteifreund geschaffen und der Machtverlust der Union gegenüber den Grünen kaschiert. In der Staatskanzlei gibt es bald so viele Staatsminister und Staatssekretäre, dass Ministerpräsident Bouffier dort sein eigenes CDU-Kabinett leiten kann.“

Rock hebt hervor: „Die von Fahrverboten bedrohten und betroffenen Diesel-Fahrer in Hessen werden auch weiterhin im Stich gelassen. Ein Versprechen zur Mobilitätssicherung für tausender Pendlerinnen und Pendler vermisse ich genauso wie ein klares Bekenntnis zur Verhinderung von Fahrverboten. Die Koalition begeht hier Wortbruch mit Ansage.“ „In der Bildungspolitik misst sich Hessen auch künftig nicht an den weltbesten Standards, sondern an Bremen und an Berlin. Eine Qualitätsoffensive für Kitas, Schulen und Hochschulen ist nicht erkennbar. Stattdessen verlieren sich die Koalitionspartner in wohlfeilen Obersätzen ohne Substanz. Es fehlt ein klares Bekenntnis der Qualität in unseren Bildungseinrichtungen, von der KiTa bis zur Universität, die erforderliche Priorität einzuräumen. Auch bei der Verkehrsinfrastruktur wird die Zukunft verschlafen. Das ideologiegetriebene Festhalten am Grundsatz Sanierung vor Neubau ist ein schwerer Fehler. Und auch der dringend erforderliche Mittelaufwuchs im Landesstraßenbau bleibt aus. Für ein Transitland wie Hessen sind dies keine guten Aussichten. Zum Flughafen Frankfurt findet sich ein lapidares Bekenntnis zu Hessens Jobmotor Nummer 1. Und dann folgen Unmengen an Forderungen und Ideen, wie der Flughafen und seine Betriebsabläufe geknebelt werden können. Hier werden alte Feindbilder der Grünen weiter bedient“, betont Rock.

Rock weiter: „In diesem Koalitionsvertrag ist kein übergeordnetes strategisches Ziel zur Umsetzung einer ideologiefreien Energiepolitik erkennbar. Anstatt endlich Bezahlbarkeit und Versorgungssicherheit in den Mittelpunkt zu stellen, hält die Koalition an den gescheiterten Instrumenten der Energiewende fest. Weiterhin sollen in wertvollen Wäldern Windanlagen gebaut werden. Auch am 2-Prozent-Ziel hält die neue Regierung gegen alle Widerstände der Menschen und Kommunen unbeirrbar fest. Die von der CDU im Wahlkampf versprochene 10H-Abstandsregelung findet sich im Vertrag nicht. Damit begeht die Union begeht einen glatten Wortbruch. Dem Schutz der Menschen misst diese Regierung offensichtlich keinen Stellenwert zu.“ „In der Frage einer geordneten, gesteuerten und rechtsstaatlichen Zuwanderung zeigt der Koalitionsvertrag: Auch nach fünf Jahren wächst nicht zusammen, was nicht zusammen gehört. Anstatt endlich die Blockadehaltung in der Frage der sicheren Drittstaaten im Bundesrat aufzulösen dokumentieren CDU und Grüne nur ihre Uneinigkeit. Dies werden die Menschen im Land kaum verstehen. Denn sie haben Anspruch auf Lösungen und eine klare Haltung“, so Rock. Rock abschließend: „Wir Freien Demokraten haben Qualitätsoffensiven in der frühkindlichen Bildung, Selbstständigkeit für Schulen, ein Ende des Kampfs gegen das Gymnasium, Neubau von Straßen und eine unidiologische Energiepolitik gefordert. Mit diesen und vielen anderen Maßnahmen hätte es in Hessen einen Aufbruch und einen Neuanfang gegeben. Mit dem jetzt vorliegenden Koalitionsvertrag von CDU und Grünen dümpelt das Land dagegen weiter in der Selbstgefälligkeit zweier Parteien, deren Grundhaltung nicht die Innovation ist, sondern das krampfhafte Festhalten am Alten. Das hat Hessen nicht verdient.“

Manfred Pentz: Koalitionsvertrag stellt die Weichen für eine zukunftsgewandte Politik in Hessen

„Aufbruch im Wandel durch Haltung, Orientierung und Zusammenhalt“: Diesen Titel trägt der Koalitionsvertrag, auf den sich CDU Hessen und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN geeinigt haben. „Mit dem schwarz-grünen Koalitionsvertrag, über den der Landesausschuss der CDU morgen entscheidet, können wir die erfolgreiche Arbeit fortsetzen, die wir im Jahr 1999 begonnen haben. Dem Vertrag konnten wir eine klare CDU-Handschrift geben. Eine personell und sachlich gut aufgestellte Polizei garantiert den Hessen auch weiterhin Sicherheit: Wir schaffen 1000 zusätzliche Stellen, zudem soll eine weitere Ausstattungsoffensive die Polizei technisch auf ein noch höheres Niveau bringen“, sagte der Generalsekretär der CDU Hessen, Manfred Pentz. „Ein Kernpunkt bleibt für uns auch der Erhalt des vielfältigen Schulangebotes und eine Absage an die Einheitsschule. Gleichzeitig werden wir den Kommunen mit einem Schulmodernisierungsprogramm dabei helfen, ihre Schulgebäude zu sanieren und die dortige digitale Infrastruktur auszubauen. Dies geht Hand in Hand mit einer Digitalisierungsoffensive, die für flächendeckend schnelles Internet und ein modernes Mobilfunknetz ohne Funklöcher in ganz Hessen sorgen soll. Die Digitalisierungspolitik bündeln wir künftig in einem Ministerium für digitale Strategie und Entwicklung“, so Pentz. „Ebenso bekennen wir uns zum Ländlichen Raum, den wir mit einem Förderplan weiter stärken wollen, und zu einer starken Wirtschaft, zu der insbesondere der Frankfurter Flughafen gehört. Es bleibt jedoch dabei, dass wir auch zukünftig keine neuen Schulden zu Lasten unserer Kinder und Enkelkinder machen werden.“ Die Union besetze mit den Ministerien für Bildung, Finanzen und Innere Sicherheit weiterhin wichtige Ressorts, um ihre Positionen in Kernpolitikfeldern umzusetzen. Pentz betonte: „Der Koalitionsvertrag ist ein Kompromiss, in dem sich aber beide Partner mit ihren Kernthemen wiederfinden. Wir wollen auf die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN aufbauen und in den kommenden fünf Jahren weiter gemeinsam entschlossen eine erfolgreiche Zukunft unseres Landes gestalten.“ +++