Sachverständigenrat erwartet deutliche Rezession

Krise lässt auch EU-Geschäftsklimastimmung einbrechen

Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung geht davon aus, dass die deutsche Volkswirtschaft wegen der Coronakrise im Jahr 2020 deutlich schrumpfen wird. Die Ausbreitung des Coronavirus habe die beginnende konjunkturelle Erholung gestoppt, heißt es in einem Sondergutachten des Gremiums, welches am Montag veröffentlicht wurde. „Wir gehen davon aus, dass die Corona-Pandemie die Weltwirtschaft stark beeinträchtigen wird“, sagte der Chef der Wirtschaftsweisen, Lars Feld. „Dabei ist die Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung aufgrund der außergewöhnlichen Situation und der schwierigen Datenlage enorm.“

Für die wirtschaftliche Entwicklung in den Jahren 2020 und 2021 werden in dem Sondergutachten drei Szenarien beschrieben – ein „Basisszenario“ sowie zwei „Risikoszenarien“. Im „Basisszenario“ erwartet der Sachverständigenrat für das Jahr 2020 ein jahresdurchschnittliches Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von -2,8 Prozent. Im Jahr 2021 könnte das BIP um 3,7 Prozent steigen. In diesem Szenario, welches dem Gremium zufolge das wahrscheinlichste ist, würde sich die wirtschaftliche Lage über den Sommer wieder normalisieren. Zum ersten sogenannten „Risikoszenario“ mit einem Verlauf in Form eines ausgeprägteren V komme es etwa bei großflächigen Produktionsstilllegungen oder länger andauernden gesundheitspolitischen Maßnahmen, so der Sachverständigenrat weiter. Aufgrund des stärkeren Einbruchs im ersten Halbjahr ergäbe sich in diesem Szenario ein BIP-Wachstum im Jahr 2020 von -5,4 Prozent. Im Jahr 2021 könnten Aufholeffekte dafür sorgen, dass das BIP um 4,9 Prozent wächst, wozu insbesondere ein hoher statistische Überhang beitragen würde. Bei einem zweiten „Risikoszenario“ würde eine Wirtschaftsentwicklung in Form eines langen U eintreten. Die sei der Fall, wenn die gesundheitspolitischen Maßnahmen über den Sommer hinaus andauerten und die wirtschaftliche Erholung sich erst im Jahr 2021 einstelle, so die Wirtschaftsweisen.

Die getroffenen Politikmaßnahmen reichten dann womöglich nicht aus, tiefgreifende Beeinträchtigungen der Wirtschaftsstruktur zu verhindern. Verschlechterte Finanzierungsbedingungen und eine verfestigte Unsicherheit könnten zudem Investitionen bremsen und zu Kaufzurückhaltung bei Haushalten führen. Das Wachstum im Jahr 2020 würde dem Gutachten zufolge in einem solchen Szenario -4,5 Prozent betragen. Im Jahr 2021 würde die Wirtschaftsleistung mit 1,0 Prozent nur sehr langsam wachsen. Die wirtschaftspolitischen Maßnahmen gegen die Krise sollten sich dem Gremium zufolge an fünf Kriterien orientieren: Gesundheit schützen, klar kommunizieren, Kapazitäten erhalten, Einkommen stabilisieren und die Zeit gut nutzen. Der Schutz der Gesundheit stehe dabei an erster Stelle. „Voraussetzung für eine Rückkehr auf den Wachstumskurs ist die Eindämmung der Corona-Infektionen, sodass sich das soziale und wirtschaftliche Leben normalisiert“, sagte Feld. „Eine klar kommunizierte Normalisierungsstrategie kann die Erwartungen der Unternehmen und Haushalte stabilisieren und die Unsicherheit verringern.“

Krise lässt auch EU-Geschäftsklimastimmung einbrechen

Das Geschäftsklima in der EU ist nach Angaben aus Brüssel im März deutlich eingebrochen. Der Economic-Sentiment-Indicator (ESI) sank demnach im dritten Monat des Jahres in der Euro-Zone um 8,9 auf 94,5 Punkte, in der EU ging er um 8,2 auf 94,8 Zähler zurück, teilte die EU-Kommission am Montag mit. Im Euroraum war es der stärkste monatliche Rückgang des ESI, der bisher gemessen wurde. Die Stimmung ging sowohl bei den Verbrauchern als auch in allen untersuchten Geschäftsbereichen zurück. Vor allem der Dienstleistungssektor und der Einzelhandel waren betroffen. Grund für den Einbruch ist die sich immer weiter zuspitzende Krise rund um das Coronavirus. Allerdings dürfte das volle Ausmaß der Krise in den Daten noch nicht vollständig abgebildet sein – in vielen Ländern wurde nach Angaben der EU-Kommission die Mehrheit der Daten gesammelt, bevor strenge Eindämmungsmaßnahmen zur Bekämpfung der Ausbreitung des Coronavirus ergriffen wurden. +++