Roth: Integrationsprobleme führten zu Erdogans Wahlerfolg unter Deutsch-Türken

Diese prodemokratischen Kräfte müssen wir jetzt stärken

Claudia Roth (Grüne)

Berlin. Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) führt den Wahlerfolg des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan bei den türkischstämmigen Wählern in Deutschland auf Fehler bei der Integration hierzulande zurück. „Ja, wir haben ein Integrationsproblem“, sagte Roth der „Welt“. Es seien gravierende Fehler gemacht worden: „Deutschland hat sich über viele Jahre nicht offen gezeigt. Wie oft hat man unser Land als Teil des christlichen Abendlandes dargestellt und damit auch gesagt, dass Muslime nicht dazugehören“, kritisierte die Grünen-Politikerin.

„Wie oft hat man immer wieder in Frage gestellt, ob die Türkei überhaupt zu Europa gehört und ob es den Doppelpass geben soll. Das mussten viele Menschen als ausgrenzend empfinden.“ Und dann habe Erdogan diesen Menschen im Wahlkampf gesagt: „Ich gebe euch euren Stolz zurück“, sagte Roth. „Das fällt dann auf fruchtbaren Boden.“ Erdogans antideutsche Kampagne habe offenbar Erfolg gezeigt: „Tatsächlich sind ja im Umgang mit unseren türkeistämmigen Mitbürgern in den vergangenen Jahrzehnten Fehler gemacht worden, die Verletzungen hinterlassen haben. Ein türkischer Nachname ist auch heute noch eine Hürde beim Zugang zu Wohnung oder Ausbildungsplatz“, kritisierte Roth. Die frühere Grünen-Vorsitzende forderte stärkere Integrationsbemühungen vor allem seitens der Deutschen: „Wir müssen uns extrem bemühen um diese Menschen, die glauben, dass Erdogans Putsch von oben gut sei für die Türkei. Wir müssen viel stärker den Wert von Demokratie und Rechtsstaat in und mit der EU bewerben.“

Dies gelte nicht nur wegen der Erdogan-Anhänger in unserem Land: „Auch so manchem AfD-Anhänger muss der Wert einer freiheitlichen Gesellschaft noch viel stärker klar gemacht werden.“ Das Modell eines demokratischen Europas müsse entschiedener gegen diejenigen verteidigt werden, die es ablehnten. Außerdem forderte Roth, türkischen Menschen in Deutschland das kommunale Wahlrecht zuzugestehen und ihnen auch die Einbürgerung zu erleichtern. „Das wäre ein Zeichen der Gleichberechtigung.“ Zugleich warnte die Bundestagsvizepräsidentin vor türkeifeindlichen Ressentiments: „Wir dürfen nicht zulassen, dass jetzt eine antitürkische Stimmung aufkommt. Die Hälfte der Menschen in der Türkei und der Großteil der Türkeistämmigen hier in Deutschland sind für Demokratie. Diese prodemokratischen Kräfte müssen wir jetzt stärken.“ +++