Pro Asyl: Gabriel muss neue Lagebewertung für Afghanistan vornehmen

Absage von Abschiebeflug nach Afghanistan begrüßt

Sigmar Gabriel (SPD)
Sigmar Gabriel (SPD)

Frankfurt/Main. Angesichts des schweren Anschlags in der Nähe der deutschen Botschaft in Kabul hat Pro-Asyl-Geschäftsführer Günter Burkhardt umgehend eine Neubewertung der Sicherheitslage von Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) gefordert. „Der Außenminister muss jetzt dringend Rückgrat beweisen und eine neue Lagebewertung vornehmen“, sagte Burkhardt der „Heilbronner Stimme“.

Dass für diesen Mittwoch überhaupt Abschiebungen geplant waren, sei ein Skandal. Sämtliche Bundesländer müssten Abschiebungen nach Afghanistan nun generell stoppen. Auch das Bundesinnenministerium müsse jetzt handeln. Über Monate hinweg seien für die Asylverfahren Fakten ignoriert worden, die eine weitere Verschlechterung der Sicherheitslage belegten. „Statt die Berichte des UN-Flüchtlingshilfswerks zur Kenntnis zu nehmen, wurden Satzbausteine verwendet, die schon Jahre alt sind“, klagte Burkhardt. „Der Rechtsstaat hat versagt.“ Burkhardt forderte eine zusätzliche Überprüfung von abgelehnten Asylbescheiden von Afghanen. „Der Verdacht liegt nahe, dass es Tausende Fehlentscheidungen gab, weil die Fluchtgründe nicht richtig berücksichtigt wurden“, sagte Burkhardt. Das betreffe alleine 32.000 Bescheide in diesem Jahr und viele Tausend Altfälle. Gerade abgeschobene Flüchtlinge stünden allein wegen ihrer westlich orientierten Kleidung im Fokus der Taliban.

CDU-Innenpolitiker begrüßt Absage von Abschiebeflug nach Afghanistan

Der Obmann der Union im Innenausschuss des Bundestages, Armin Schuster (CDU), hat den Abbruch eines für heute geplanten Abschiebeflugs nach Afghanistan begrüßt. „Die Entscheidung heute nicht zu fliegen, liegt auf der Hand. Die für die Abschiebung in Afghanistan zuständigen deutschen Beamten haben nach dem Anschlag heute ganz andere Prioritäten“, sagte der CDU-Politiker der „Welt“. An den im vergangenen Oktober zwischen der Bundesregierung und Afghanistan vereinbarten Sammelrückführungen abgelehnter Asylbewerber mit Chartermaschinen will Schuster festhalten. „Unsere grundsätzliche Haltung bleibt unverändert. Wir berufen wegen der Gefährdungslage ja auch nicht unsere deutschen Beamten aus Afghanistan ab“, sagte Schuster. Bei dem Anschlag im Diplomatenviertel der afghanischen Hauptstadt Kabul kamen am Mittwochmorgen aktuellen Behördenangaben zufolge mindestens 80 Menschen ums Leben, etwa 350 weitere Personen wurden verletzt.

Dreyer: Regierung soll Haltung zu Abschiebungen nach Afghanistan überprüfen

Bundesratspräsidentin Malu Dreyer (SPD) hat die Bundesregierung aufgefordert, ihre Haltung zu Abschiebungen nach Afghanistan auf den Prüfstand zu stellen. Nach dem Anschlag in Kabul müsse die Regierung „die Sicherheitslage in Afghanistan überprüfen und damit die Voraussetzungen, unter denen Abschiebungen dorthin stattfinden können“, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Die rot-grüne Landesregierung in Mainz verzichtet auf Abschiebungen in das Land am Hindukusch. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) hatte eine Sammelabschiebung nach Afghanistan abgesagt, zugleich allerdings betont, an der grundsätzlichen Haltung der Bundesregierung werde sich nichts ändern.