Populisten aufs Maul geschaut

Guido Rohm und Marianne Blum entlarven die schlimmsten Populisten

Fulda. „Alles, was Sie vor der Wahl wissen müssen!“, so hatten Marianne Blum und Guido Rohm ihre Veranstaltung angekündigt. In der Tat bot dieser Abend allen, die es hören wollten, einen Ausblick auf das, was uns blüht, wenn Populisten an die Macht kommen. Denn die Texte, die der Schriftsteller und die Entertainerin gemeinsam geschrieben hatten und in einer Bühnenshow vortrugen, die weit mehr war als eine Lesung, waren zwar allesamt erfunden, aber sie waren so gut erfunden und darüber hinaus mit echten Zitaten gespickt, dass überdeutlich wurde, was die Figuren, denen sie zugeschrieben waren, im Schilde führen.

Wenn Erdogan in dem „Interview mit einer deutschen Fernseh-Journalistin“ auf die Frage nach den inhaftierten Reportern z.B. antwortet, dass er sie nicht einsperrt, sondern sie „in kleinen Kästchen aufbewahrt – zu ihrem eigenen Schutz“, sich selbst als „lieben Onkel Cepl“ präsentiert, der für alle da ist, die für ihn sind, sich selbst als eigentlichen Erfinder der Demokratie und des Feminismus preist, die Journalistin aber wegen jeder kritischen Frage als „ständig geschiedene, frustrierte westliche Nazi-Schlampe“ bezeichnet, dann ist das ebenso entlarvend wie die „Auszüge aus dem Tagebuch des Björn Höcke“, der in einer Kindergartentagesstätte Reden über den Erhalt der deutschen Rasse schwingt, aber noch bei Mutti wohnt und Angst vor dem „Negerkind Anton“ aus der Kindergartengruppe hat. Überdeutlich wurde auch die Doppelmoral, die alle Populisten kennzeichnet, bei dem „Brief von Marine le Pen an einen französischen Rammler“, in dem einerseits stets von „reinrassiger Liebe“ schwadroniert, andererseits von den gut bestückten südländischen Kerlen geträumt wurde.

Moralische Maßstäbe gelten bei Populisten stets nur für Andere, nie für sich selbst. Offensichtliche Verfehlungen werden abgestritten („Ich bin auf der Maus ausgerutscht!“) oder umgedeutet und als positive Errungenschaften dargestellt. Grandios wurde gerade dieses Umwerten aller Werte in dem „Lobgesang auf Donald Trump“ erfasst, in dem der Lobredner mit geradezu unheimlichem religiösem Eifer davon schwärmt, wie der US-Präsident eine Mauer bauen will, um die Menschen zu einen: „Denn nur, wer Hass sät, wird Liebe ernten“. Ein Text, der in einer Art Glaubensbekenntnis gipfelte, in dem es z.B. hieß: „Und Donald schuf als erstes den Donald“, „unseren täglichen Tweet gib er uns heute“ oder: „er erlöse uns von unserem Geld und vergibt nicht den Schuldigern, wie auch wir nicht unseren Schuldigern vergeben sollten“.

Harter Tobak. Dennoch wurde viel gelacht. Den beiden Künstlern gelang das Kunststück, beängstigende Wahrheiten auszusprechen und ihr Publikum gleichzeitig bestens zu unterhalten. Ein Grund dafür war sicher die vollkommen uneitle Kompromisslosigkeit, mit der Marianne Blum und Guido Rohm ihre unangenehmen Protagonisten darstellten und damit auch deren unfreiwillige Komik bloßstellten, ein anderer war der geniale Kunstgriff der beiden, ihre Texte in eine Show einzubetten, die wie ein „Musikanten-Stadl“ funktionierte mit extrem gut gelaunten, fesch in Tracht gewandeten Moderatoren, Blasmusik-Auftakt, Hymnen-Pathos, Schunkel-Alarm und mitreißenden Musikeinlagen, begleitet von Michael Günther an der Tuba und André Barthelmes an der Gitarre. Jedem Zuschauer wurde dabei sofort klar, dass die Nähe von seichter Unterhaltung und despotischen Machthabern (oder Möchtegern-Machthabern) kein Zufall ist. „Ich musste dauernd lachen, habe jetzt aber ein mulmiges Gefühl“, meinte eine nachdenkliche Zuschauerin hinterher. Recht hat sie. Man ertappte sich dabei, „Schwarzbraun ist die Haselnuss“ mitzusingen und dabei an den vorher gehörten Tagebuchauszug von Björn Höcke zu denken.

Das einzige Problem der Show war: Diejenigen, die Leuten wie Trump, Erdogan, le Pen, Höcke oder Petry anhängen, würden sich einen solchen Abend nie anschauen. Man kann sie nur bedauern und alle anderen, die nicht da waren auch. Denn wenn politische Aufklärung immer so verabreicht würde, wie von diesen beiden Künstlern, müssten wir keine Angst vor Populisten egal welcher Couleur haben. Berührend auch wie der Abend seinen Abschluss fand: Bei einer wunderbaren Blues-Version des Volksliedes „Die Gedanken sind frei“ stimmte die Zuschauer vollen Herzens ein und Vielen war die Erkenntnis des Abends anzusehen: „Ja, noch sind die Gedanken frei, aber wir müssen aufpassen, dass das so bleibt. +++ S. Metzger