Polnische Kirche: Rufe nach Missbrauchsaufarbeitung werden lauter

Wojciech Polak, Primas der katholischen Kirche Polens, hat eine „neue Mentalität“ und eine gründlichere Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch durch katholische Priester in Polen gefordert. „Wir haben in der Kirche eine starke, lähmende Kultur umfassender Diskretion. Wir müssen uns nicht nur entschuldigen, sondern auch die Opfer anhören, um die Mentalität zu ändern“, sagte Polak der „Süddeutschen Zeitung“. Der Gnesener Erzbischof ist als Primas der Erste unter Gleichen der polnischen Bischöfe. Polens katholische Kirche, zu der sich 85 Prozent der 38 Millionen Polen zählen, hatte im März einen Bericht über Missbrauch durch katholische Priester in den Jahren von 1990 bis 2018 vorgelegt. Dem nur sieben Seiten umfassenden Bericht zufolge wurden Polens Bischöfen in diesem Zeitraum 382 Fälle von Missbrauch Minderjähriger gemeldet. Untersuchungen über die katholischen Kirchen in Deutschland und Irland, Australien und den USA kamen indes auf jeweils Tausende Missbrauchsopfer seit dem Zweiten Weltkrieg. Die polnische Parlamentarierin Joanna Scheuring-Wielgus sagte der SZ, die polnische Untersuchung offenbare „nur die Spitze des Eisbergs. Wir reden mit Sicherheit nicht über ein paar Hundert Missbrauchsfälle, sondern über etliche Tausend.“ Primas Polak, der in Polens katholischer Kirche zu den Liberalen gehört, sagte: „Ich bin überzeugt, dass wir nicht alle Opfer empfangen und erfasst haben – das ist jetzt unsere Aufgabe. Auch im Polnischen gibt es die Formulierung von der Spitze des Eisberges. Aber wie groß der Teil unter Wasser ist, ob es Tausende Opfer sein werden – wir wissen es nicht.“ +++