Politik für Freie Demokraten auch eine Stilfrage

Lindner: „Ergebnis dieser Scheinlösung ist Chaos im Innen- und Bauministerium!“

Christian Lindner (FDP)

FDP-Bundesvorsitzender Christian Lindner MdB hat sich gestern in Fulda kritisch über die Beförderung von Hans-Georg Maaßen, bisheriger Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, zum Staatssekretär im Innenministerium ausgesprochen – zumal dieses Thema im Verhältnis zu wichtigeren Themen „zu lange“ diskutiert werde. Hierzu Christian Lindner: „Fast eine Woche oder länger spricht dieses Land über einen Behördenleiter. Ich meine, wir haben Brexit und Trump, Putin – Erdogan, Digitalisierung – Alterung der Gesellschaft, Defizite bei der Bildung, Probleme bei bezahlbarem Wohnen – und wir sprechen über Maaßen.

Da frage ich mich, haben wir keine anderen Probleme, als dass sich die Regierung nur an diesem, einzigen Thema festbeißt? Und dann etwas, was uns dann als Ergebnis präsentiert wird… Herr Maaßen hat die Flüchtlingspolitik der Bundeskanzlerin kritisch begleitet in den letzten Jahren. Wir auch. Das ist kein Grund, warum auch wir jetzt ein Problem mit Herrn Maaßen haben. Das Problem mit Herrn Maaßen ist eine ganz andere Sache. Die AfD will glauben machen, er müsse gehen, weil er kritisch gegenüber Frau Merkel in der Flüchtlingsfrage sei, aber da müsse der Präsident der Bundespolizei auch gehen, aber der ist noch im Amt. Das Problem bei Herr Maaßen war, dass er als Geheimdienstchef fahrlässig, öffentlich Spekulationen und falsche Behauptungen in die Welt gesetzt hat. Das kann man nicht als Geheimdienstchef. Das muss stimmen, was man sagt. Damit sind die Zweifel an seiner Amtsführung begründet.“, sagte der FDP-Bundesvorsitzende, Christian Lindner MdB, gestern in Fulda.

Landtagskandidat Jörg Witzel, Jürgen Lenders MdL , Christian Lindner MdB und Mario Klotzsche bei der FDP-Wahlkampfveranstaltung „Die nächste Stufe Hessen.“ im ParkHotel in Fulda (v.l.)Nach Lindner rechtfertige ein solches Verhalten, wie es die Bundesregierung gerade vorlebt nur eine einzige Manier: „Entweder man vertraut Maaßen – und da kann er das bleiben, was er ist – oder man vertraut ihm nicht, wobei er nicht befördert werden kann. Und was passiert jetzt? Er wird befördert? Ein anderer Staatssekretär muss in den Ruhestand gehen, nämlich der Einzige, der für Bauen im Bauministerium zuständig ist und Herr Maaßen, dem man nicht zugetraut hat, die Verfassung zu schützen, soll jetzt der zuständige Mann werden für die öffentliche Sicherheit in Deutschland? Aber ohne Verfassungsschutz, weil der soll woanders beaufsichtigt werden. Das heißt, das Ergebnis dieser Scheinlösung ist Chaos im Innen- und Bauministerium.“

Weiter hat sich der FDP-Bundesvorsitzende gestern klar und deutlich gegen eine „Verrohung der Sprache“ ausgesprochen. „Für uns, als Freie Demokraten, sind Gewalt und Hetze keine Mittel der Politik.“, sagte Lindner am Mittwoch in Fulda. Immer wieder komme es – selbst bei Spitzenpolitikern – vor, dass diese in ihren politischen Reden, die nach Lindner eher einer „politischen Gossensprache“ gleiche, den „Jargon der Straße“ einfließen ließen, weil sie, so Lindner, dann nämlich glauben, „besonders volkstümlich“ zu sein. „Diese Verrohung der Sprache wollen wir nicht. Für uns, Als Freie Demokraten, ist Politik auch eine Stilfrage.“

Bezugnehmend den Protestaktionen im Braunkohlerevier Hambacher Forst und den damit korrelierenden Wiederstandsleistungen durch Aktivisten, wo mit Gewalteinwirkungen der Rechtsstaat gehindert werde, rief Christian Lindner die Freien Demokraten dazu auf, ihre Friedfertigkeit und liberale Grundordnung zu verteidigen. „Wir müssen unsere Friedfertigkeit und unsere liberale Grundordnung in alle Richtungen verteidigen. Wenn ich von einem Stein am Kopf getroffen werde, ist es mir egal, ob dieser von Links oder Rechts geworfen wird.“, so Lindner.

Dass es gegenwärtig in Deutschland nach den Worten des FDP-Bundesvorsitzenden „nervös“ zugehe, sieht er vor allem in der Frage der Migrationspolitik begründet. „Seit drei Jahren – seit dem Sommer 2015 – bekommt die Politik dieses Thema motorisch nicht in den Griff. Nicht jeder, der daraus resultierend jetzt irgendetwas komisches wählt, ist deshalb automatisch ein Rassist. Ich glaube einfach, dass ganz viele verstört und verärgert über das staatliche Organisationsversagen sind. Drei Jahre haben wir dieses Problem nicht in den Griff bekommen.“ Bezugnehmend auf Seehofers Äußerung „Migration sei die Mutter aller Probleme“ widersprach Lindner gestern in Fulda: „Nicht Migration ist die Mutter aller Probleme, sondern das mangelhafte, fehlerhafte Management von Migration.“ In diesem Kontext sprach sich Lindner für ein Einwanderungsgesetz aus. „Gerade weil unser Land ein Einwanderungsland ist, braucht es endlich auch die Regeln eines Einwanderungslandes. Seit zwanzig Jahren warten wir auf ein Einwanderungsgesetz – wann, wenn nicht jetzt, sollte es ein neues Gesetz geben?“ Nebenstehend warnte Lindner davor, Familien, die vollständig integriert sind und arbeiten gehen, diese Familien in ihre Herkunftsländer zurückzuschicken. Vielmehr müsse man bei denen, die sich nicht integrieren lassen wollen und sich nicht an das Deutsche Rechtssystem halten, stringenter agieren und diese abschieben. „Wir schieben die Falschen ab.“, sagte Linder vor über 300 Gästen aus Bildung, Wirtschaft und Verwaltung sowie interessierten Bürgern gestern im ParkHotel Fulda.

Zum Thema Bildung sagte Lindner, dass Hessen – da dies beständig von der CDU vorgebracht werde – zwar im Vergleich zu Bremen „bombe dastehe“ im Verhältnis zu Nordamerika oder südasiatischen Staaten aber nur Mittelmaß sei. „Beim Wohlstand, Lebensstandard, der Sozialen Absicherung sind wir weltweit spitze – bei der Bildung sind wir aber weltweit nur Mittelmaß.“, so Lindner. In diesem Zusammenhang forderte Lindner eine Schwerpunktsetzung in hessischen Kindertagesstätten, die sich konkret der Qualität von Bildung widmet. „Kitas müssen echte Bildungseinrichtungen werden.“, forderte er. Als Beispiel, wie dieses Ziel erreicht werden könne, diente ihm gestern ein Regularien-Katalog, der sich den Schwerpunktthemen „Deutsche Sprache“, „Konzentration“, „Naturverständnis“, „Soziales Miteinander“ sowie „Distanz zum Smartphone“ widmet. Der Auftrag von Kindertagesstätten müsse nach Lindner sein, anders als bisher, in die Persönlichkeitsentwicklung der Kinder eingreifen „Hier dürfen Erzieherinnen und Erzieher politisch nicht alleine gelassen werden. Wenn wir bei der Bildung weltweit führend sein wollen, braucht Hessen unbedingt eine Bildungswende, die durchweg Qualität fordert.“, sagte Linder abschließend. +++ jessica auth