Parteienforscher: „Projektregierung“ in Thüringen ausprobieren

Als Vermittler ist Altbundespräsident Joachim Gauck im Gespräch

Angesichts einer fehlenden Regierungsmehrheit nach der Landtagswahl in Thüringen wird der Ruf immer lauter, neue Formate der Macht auszuprobieren – einschließlich einer Zusammenarbeit von CDU und Linkspartei. „Den Parteien bleibt gar nichts anders übrig, als im Falle von Minderheitskabinetten flexibler zu werden“, sagte der Parteienforscher Jürgen W. Falter von der Universität Mainz der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Der thüringische CDU-Landesvorsitzende Mike Mohring hatte sich zuvor offen gezeigt, mit der Linkspartei über eine sogenannte „Projektregierung“ in Erfurt zu sprechen.

Er sehe in Thüringen keine unüberwindbaren Hürden für die CDU, denn Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sei ein Pragmatiker und im Grunde eher ein linker Sozialdemokrat, so der Parteienforscher weiter. „Mit ihm punktuell zusammenzuarbeiten sollte für die CDU nicht allzu schwer sein – speziell dann, wenn es um die Realisierung konkreter, der CDU am Herzen liegend er Projekte geht“, sagte Falter. Man solle die jetzt diskutierte „Projektregierung“ in Thüringen „gut durchdenken und, falls man zu einer inhaltlichen Einigung kommt, auch ausprobieren“, so der Politikwissenschaftler weiter. Ein Exportmodell werde sie allerdings sicher nicht werden. „Denn in anderen Bundesländern ist die Linke deutlich linker und sind die Christdemokraten deutlich konservativer als das für diese Parteien in Thüringen gilt“, sagte Falter. Ähnlich äußerte sich auch der renommierte Parteienexperte Karl-Rudolf Korte von der Universität Duisburg-Essen. „Neue Formate der Macht bieten Auswege aus der Patt-Republik. Das können – wie in Österreich – Koalitionen der gelebten und vereinbarten Differenz ebenso sein wie Minderheitsregierungen, die ad hoc und punktuell projektbezogen Mehrheiten erarbeiten“, sagte Korte der Zeitung auf Anfrage.

Dies belebe den Parlamentarismus und stärke das Politikmanagement jedes einzelnen Abgeordneten. „Durch AfD kontaminier te Mehrheiten sind transparent sicher ausschließbar“, so der Politologe weiter. Die Linkspartei von Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow hatte die Landtagswahl Ende Oktober gewonnen, ihr Bündnis mit SPD und Grünen verlor jedoch seine Mehrheit. Auch die CDU, die nach starken Verlusten hinter der AfD auf Platz drei landete, hat mangels Partnern keine Mehrheit. Eine förmliche Koalition mit der Linkspartei hat sie ebenso wie ein Bündnis mit der AfD ausgeschlossen. Mohring hob nun aber hervor, er halte den Vorschlag einer Projektregierung von CDU und Linkspartei für „diskussionswürdig“. Auch Ramelow ist nach Darstellung der Staatskanzlei in Erfurt grundsätzlich gesprächsbereit. Als Vermittler ist Altbundespräsident Joachim Gauck im Gespräch. +++