Palmer wirbt weiter für Tübinger Modell und lehnt Lockdown ab

Rock: Auswahl der Modellkommunen in Hessen mutlos

Trotz steigender Inzidenzwerte in Tübingen hat Oberbürgermeister Boris Palmer weiter für sein Modell von Tests und Öffnungen geworben. „Ich bin davon überzeugt, dass unser Modell auch anderswo angewandt werden könnte“, sagte er der „Rheinischen Post“. „Wichtig ist die Vorbereitung eines solchen Projekts“, so Palmer. Er äußerte Verständnis für Ministerpräsidenten, die die Notbremse nun nicht konsequent ziehen. „Ich kann die Ministerpräsidenten verstehen, die jetzt nicht einfach blind die Rückkehr in den harten Lockdown von Anfang März anordnen wollen.“

Er halte ihre Sorge für berechtigt, dass man damit die Schraube überdrehen könnte und die Akzeptanz der Menschen für Lockdown-Maßnahmen insgesamt gefährdet, sagte Palmer. „Zumal die heutigen Probleme erst entstanden sind, weil Bund und Länder sich vor knapp vier Wochen auf Öffnungen geeinigt haben, ohne ausreichend Tests etwa an Schulen zur Verfügung zu stellen.“ Er forderte eine neue Form  der Überprüfung von Infektionsketten. „Die Kontaktnachverfolgung muss weniger auf Datenschutz und mehr auf Effizienz und Wirksamkeit ausgerichtet sein. Es gibt zahlreiche digitale Helfer, die in Deutschland ungenutzt bleiben.“ Das sei fatal, sagte Palmer. „Es ist doch absurd, dass unsere Gesundheitsämter die Menschen erst nach Tagen finden und die ihre Infektion längst weitergegeben haben.“ Man brauche die konsequente Einbindung von Tracing-Software bei den Ämtern. „Vor zwei Monaten schrieb mir die Kanzlerin, dass es dafür keinen Bedarf gebe. Das rächt sich jetzt.“ Trotz scharfer Kritik von SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach am Tübinger Modell sieht Palmer unterdessen keinen Grund für eine Aussprache. „Karl Lauterbach und ich begegnen uns doch eh in gefühlt jeder dritten Talkshow und können uns dort austauschen.“ Außerdem sei man gar nicht so weit auseinander. „Ich trage die Forderung nach einer Ausgangssperre von 20 bis 6 Uhr mit und finde auch, dass es eine Testpflicht für Unternehmen braucht. Nur seine Idee vom Lockdown als erstes Mittel der Wahl teile ich nicht“, sagte Palmer.

Rock: Auswahl der Modellkommunen in Hessen mutlos

„Das ist mutlos“ – so kommentiert René Rock, Fraktionsvorsitzender der Freien Demokraten im Hessischen Landtag, die Auswahl der sogenannten Modellkommunen durch die Landesregierung. „Dass lediglich Dieburg, Alsfeld und Baunatal ausgewählt wurden, um Öffnungsschritte in der Corona-Pandemie auszutesten, ist wenig ambitioniert. Mit entsprechenden Konzepten hätten alle geeigneten und interessierten Städte oder auch Kreise die Möglichkeit bekommen sollen zu beweisen, dass Gesundheitsschutz und Öffnungen in Einklang zu bringen sind.“ Rock erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass sogar die Bundeskanzlerin davon gesprochen hatte, dass jeder Landrat und Bürgermeister ein solches Modell umsetzen könne. „Davon ist nun nichts mehr übriggeblieben.“ Rock ergänzt: „Fraglich ist zudem, wie Dieburg und Baunatal damit umgehen sollen, wenn sie von Bürgerinnen und Bürgern aus Darmstadt beziehungsweise Kassel förmlich überrannt werden. Schon mit Blick auf eine gleichmäßige Verteilung von Menschen, die einkaufen oder ins Café gehen wollen, wäre es besser gewesen, mehr und auch größere Städte oder gar einen Landkreis einzubeziehen.“  +++