Oppositionsfraktionen wollen Ende der Staatsleistungen an Kirchen

FDP werde eine entsprechende politische Initiative entwickeln

Die Oppositionsfraktionen im Bundestag dringen auf eine Regelung zur Beendigung der Staatsleistungen an die beiden großen Kirchen. Damit soll die Vorgabe der Weimarer Reichsverfassung und des Grundgesetzes umgesetzt werden, wonach die von derzeit 14 Bundesländern aus Steuermitteln finanzierten Zahlungen zum Ausgleich für kirchliche Vermögensverluste in der Reformationszeit und im 19. Jahrhundert „abgelöst“ werden, wie es im Grundgesetz heißt. Für die Umsetzung dieses Auftrags werde die FDP „eine entsprechende politische Initiative entwickeln“, sagte der kirchenpolitische FDP-Fraktionssprecher Stefan Ruppert der „Welt“.

Nach Rupperts Ansicht wäre „die Ablösung der Staatsleistungen nicht nur ein wichtiger Beitrag für weltanschauliche Neutralität, sondern würde auch die Glaubwürdigkeit der Kirchen durch die völlige Gleichstellung mit anderen Körperschaften steigern“. Es gelte dabei, „die Rechte der Kirchen zu beachten“ und „mit ihnen in konstruktive Gespräche einzutreten“. Für die Linksfraktion, die schon in früheren Legislaturperioden eine Ablösung der Staatsleistungen gefordert hatte, sagte deren kirchenpolitische Sprecherin Christine Buchholz, ihre Fraktion setze sich „selbstverständlich auch in dieser Wahlperiode dafür ein, endlich den Verfassungsauftrag umzusetzen“. Es könne nicht angehen, so Buchholz, „dass die Verantwortung von einer Stelle zur anderen geschoben wird und die Bundesregierung das Problem aussitzt“. Gerade in Zeiten größerer religiöser und weltanschaulicher Vielfalt müsse „diese Bevorzugung der großen christlichen Kirchen beendet werden“.

Grundsätzlich bereit zu einer Ablösung sind auch die Grünen. Nach Ansicht ihres Fraktionsvizes Konstantin von Notz bedarf es dafür aber „erheblicher politischer Vorarbeit“. Zunächst müsse „angesichts der sehr unterschiedlichen Situation und der unterschiedlichen Höhe der Leistungen in den einzelnen Ländern“ nun Transparenz geschaffen werden, „wie sich die Situation jeweils da rstellt“. Sodann müsse es „zu sehr individuellen Lösungen kommen“. Zu bedenken gab von Notz, dass es bei Abstandszahlungen um „enorme Summen“ gehen könne und dass viele Länder eine „sehr angespannte Haushaltslage“ hätten. Eine Umsetzung der Ablösungsforderung sei „ein schwieriges Unterfangen“.

Entschlossener zeigt sich die AfD. Deren Fraktion bereitet nach Auskunft ihres kirchenpolitischen Sprechers Volker Münz „eine parlamentarische Initiative zur Ablösung in dieser Wahlperiode vor“. Münz sagte, dass „die Ablösung durch einen zwischen Bund, Ländern und Kirchen auszuhandelnden Betrag in Form einer Einmalzahlung oder innerhalb von fünf bis zehn Jahren in Raten erfolgen“ könne. Münz begründete die AfD-Position auch mit einer kritischen Sicht seiner Partei auf die Kirchen. Es mangele den beiden Amtskirchen nicht am Geld, wohl aber „an der Standfestigkeit gegen die Stürme des Zeitgeistes“. Die Kirchen hätten „sich trotz Mitgliederrückgangs bequem auf die Geldflüsse eingerichtet“, und nur wegen der „derzeit hohen Gesamteinnahmen“ könne sich die evangelische Kirche „ein Institut zur Förderung der unbiblischen Gender-Ideologie leisten“. Die Kirchen, so Münz, sollten sich auf ihre „Kernaufgaben“ von biblischer Verkündigung, Seelsorge und Diakonie konzentrieren.

Hingegen sieht die SPD-Fraktion „keinen akuten Handlungsbedarf“, wie ihr religionspolitischer Sprecher Lars Castellucci sagte. Er sieht bei den betroffenen Bundesländern „bislang kein Interesse an der Ablösung“, schon weil sie „verständlicherweise die dann fällige Einmalzahlung in unbestimmter Höhe“ scheuen würden. Ähnlich sieht das Hermann Gröhe (CDU). „Eine Ablösung der Staatsleistungen durch eine Einmalzahlung“, so der Unionssprecher für das Thema, „wäre für die Haushalte der Länder und des Bundes mit Belastungen in Milliardenhöhe verbunden“. Daher sei für ihn die Ablösung „keine vordringliche politische Aufgabe“. Als „unangemessen“ bezeichnete Gröhe „eine polemische Kritik an den Staatsleistungen“, da sich „die beiden großen Kirchen zu Gesprächen über eine Ablösung bereit erklärt haben“.

Das zuständige Bundesinnenministerium verwies auf „Welt“-Anfrage lediglich auf Antworten der Bundesregierung auf Kleine Anfragen der Linksfraktion aus den Jahren 2013 und 2014. In jenen Antworten schrieb damals die Bundesregierung, dass sie „gegenwärtig keinen Handlungsbedarf“ sehe, „durch ein Grundsätzegesetz die Länder zu verpflichten, die von diesen gewährten Staatsleistungen abzulösen“. Wenn aber, so das Innenministerium damals weiter, „aufseiten der Länder oder der Kirchen der Wunsch nach Änderung der Staatsleistungen bestehen sollte“, dann sei „die jederzeit mögliche, einvernehmliche Lösung auf Landesebene der einfachere und sachgerechtere Weg“. Hintergrund der Debatte: In Artikel 138 der Weimarer Reichsverfassung, der in Artikel 140 des Grundgesetzes wortgleich übernommen wurde, heißt es: „Die auf Gesetz, Vertrag oder besonderen Rechtstiteln beruhenden Staatsleistungen an die Religionsgesellschaften werden durch die Landesgesetzgebung abgelöst. Die Grundsätze hierfür stellt das Reich auf.“ Da aber bisher die Länder bis auf wenige Ausnahmen in Detailfragen keine Verhandlungen mit den Kirchen begonnen haben und ein Grundsätze-Gesetz des Bundes nie erarbeitet wurde, werden die Staatsleistungen von 14 Ländern (außer Hamburg und Bremen) in unterschiedlicher Höhe weiterhin gezahlt. Im Jahre 2018 beliefen sie sich nach einer Erhebung der Katholischen Nachrichten-Agentur auf insgesamt 520 Millionen Euro. Die Humanistische Union errechnete für 2018 sogar 532 Millionen Euro. Unter der vom Grundgesetz vorgesehenen „Ablösung“ der Staatsleistungen wird von den meisten Staatsrechtlern eine Einmalzahlung in mehrfacher Höhe einer jährlichen Zahlung verstanden. +++