Ohne die Luftbrücke wäre Berlin nicht überlebensfähig gewesen

„Hurra – wir leben noch!“

Luftb2

Was hatten der Anlass der Einladung des Vereins DAFKS Kontakt Fulda und das Thema des Vortrags von Michael Seidenberg als Quintessenz gemein? Amerikaner halten zusammen, wenn es darauf ankommt und wachsen durch ihre Hilfsbereitschaft manchmal über sich selbst hinaus. Bestes Beispiel: Die „Luftbrücke Frankfurt – Berlin“, ohne die die sowjetische Blockade West-Berlins wahrscheinlich unzähligen Bewohnern der ehemaligen Reichshauptstadt das Leben gekostet hätte.

Gedenken an 9/11

Doch bevor Seidenberg vom Verein „Luftbrücke Frankfurt – Berlin 1948-1949“ mit einer Fülle an Details die damalige Versorgungssituation der geteilten Stadt  sowie die Luftbrücken-Aktion selbst beschrieb, erinnerte DAFKS Vorsitzender Winfried Jäger an den Hintergrund des Treffens im Vereinshaus auf dem früheren Gelände der US-Armee: den 11. September 2001. Exakt an diesem Tag krachten zwei von Al-Quaida Terroristen gekaperte und gesteuerte Passagierflugzeuge in die „Twin Tower“ des New Yorker World Trade Centers. Bilanz dieses furchtbaren Ereignisses: 2996 Tote darunter 343 Feuerwehrleute und 60 Polizisten. 6000 Opfer des Anschlags erlitten erhebliche Verletzungen mit der Folge zahlreicher weiterer Sterbefälle – bis heute.

Brillante humanitäre Hilfe

Rund 80 Opfer (die Quellen variieren), vor allem Mitglieder der amerikanischen und englischen Flugzeugbesatzungen, aber auch deutsche Helfer und Zivilisten hat ihr Einsatz für die notleidende Bevölkerung Berlins das Leben gekostet. Die Luftbrücke der Alliierten jedoch war im besten Sinne des Wortes ein Riesenerfolg. „Eine große humanitäre Leistung, die 2,2 Millionen Menschen das Leben rettete. Eine brillante humanitäre Hilfe,“ schwärmt Seidenberg geradezu, der selbst als Pilot jahrzehntelang für die Lufthansa flog. Aber: Die Versorgung Berlins aus der Luft war zugleich die erste große Auseinandersetzung im kalten Krieg, aus dem „der Westen als Sieger hervorgegangen ist und sich behauptet hat.“ Bilanz der Aktion in den Jahren 1948/1949: Bei 277.569 Flügen konnten Seidenberg zufolge zwei Millionen Tonnen dringend benötigter Güter durch das rund 70.000 Mann starke Flug- und Bodenpersonal nach Berlin befördert werden. Die Kosten lagen umgerechnet bei etwa 1,7 Milliarden D-Mark.

„We stay“

Welche Ursachen haben dazu geführt, dass die Sowjetunion überhaupt die Zugänge nach Berlin blockierte?  Seidenberg spricht von „Reibereien“ zwischen Ost und West, die damit begonnen hätten, dass im Westen der so genannte Marshall-Plan (das European Recovery Program ERP) – eine amerikanische Wiederaufbauhilfe - Fahrt aufgenommen habe, während im Ostteil Deutschlands nach wie vor industrielle Anlagen und Infrastruktur demontiert worden seien. Die Währungsreform von 1948 war der letzte Punkt in einer Kette von Ereignissen, die schließlich am 24. Juni 1948 Auslöser der Berlin-Blockade waren. Bis zum 29. Juni blockierte die sowjetische Besatzungsmacht komplett den Zugang aus den westlichen Besatzungszonen nach West-Berlin auf Straße, Wasser und Schiene. Selbst die Stromversorgung wurde gekappt. Wäre es den USA, Großbritannien und Frankreich nicht gelungen, die Versorgung ihrer rund 20.000 Soldaten und der rund 2,2 Millionen Bewohner des Westteils der Stadt  sicherzustellen, wären sie gezwungen gewesen, sich aus Berlin zurückzuziehen und die Stadt den Sowjets zu überlassen. Da die Regierungen in Washington, London und Paris nicht mit einer militärischen Intervention reagieren wollten, blieb ihnen nur ein gewagter Plan: die Versorgung der Stadt ausschließlich aus der Luft über die drei vorhandenen Korridore. Eine entsprechende schriftliche Vereinbarung der Siegermächte aus dem Jahr 1945, „auf die sich US-Präsident Truman berufen konnte“, machte es möglich. Er war es auch, der sich klar zu Berlin in seinem berühmten Satz „We stay“ bekannte. An die dauerhafte Versorgung der Bevölkerung hat laut Seidenberg damals „niemand geglaubt.“ Fast ein Jahr sollte der Einsatz der West-Alliierten dauern, die die Berliner Flughäfen Tempelhof und Gatow sowie den innerhalb von nur drei Monaten neu gebauten  Flughafen Tegel anflogen. Ein nie dagewesenes Unterfangen, das die Berliner beispielsweise mit dem Slogan „Hurra – wir leben noch“ dankbar auf Plakaten quittierten.

Operation Proviant

Fehlende Erfahrung mit einer Luftbrücke und der Mangel an Transportflugzeugen – lediglich 20 US-Flugzeuge und 24 britische Maschinen standen anfangs zur Verfügung - waren die Hauptschwierigkeiten in den ersten Wochen. Ein echtes Problem: Denn Berlins täglicher Bedarf an überlebenswichtigen Gütern betrug rund 4.000 bis 4.500 Tonnen, während die Flugkapazität bei gerade mal 150 Tonnen lag. Mit der Ernennung des US-Generals William H. Tunner zum Oberkommandierenden der amerikanischen und britischen Transportstaffel beginnt die Erfolgsgeschichte der „Operation Vittles“ („Operation Proviant“). Tunner plante eine effiziente Logistik, während der amerikanische Militärgouverneur General Lucius D. Clay für die politische Unterstützung in den USA und zusätzliche Flugzeuge sorgte. In den ersten Monaten stieg die tägliche Tonnage stetig und auch der Wintereinbruch konnte die Versorgung Berlins aus der Luft nicht gefährden. Kohle machte den größten Teil der Fracht aus, aber auch Mehl, Milchpulver, Benzin und alles andere, was eine Stadt zum Überleben benötigt, wurde eingeflogen.

Der „Candy Bomber“ und die „Rosinenbomber“

Was wäre die Luftbrücke ohne eine liebenswerte Geschichte am Rande gewesen: etwa die des so genannten „Candy-Bombers“ Gail S. Halvorsen (1920-2022). Bei einem seiner Flüge überraschte der amerikanische Pilot Berliner Kinder bei seinem Anflug auf den Flughafen Tempelhof mit Schokolade, die er bei geöffnetem Fenster aus dem Cockpit seiner Maschine abwarf. Halvorsen ermunterte Kameraden, es ihm gleich zu tun. Gemeinsam bastelten sie kleine Fallschirme, an denen sie ihre süße Fracht in Kinderhände schweben ließen. Damit sie ihn auch immer wiedererkennen konnten, wackelte der  Amerikaner bei seinen Überflügen immer mit den Flügeln seiner Transportmaschine. Inklusive der beispiellosen Aktion des „Candy-Bombers“ lieferten die Amerikaner fast 23 Tonne Schokolade – meist Hershey - als Spende des Militärs sowie ziviler Geber aus den USA an Berliner Schulen, wo sie an Kinder verteilt wurde. Diese Geschichte und die Tatsache, dass die an der Luftbrücke beteiligten Flugzeuge  tatsächlich auch Trockenobst wie Rosinen für die Berliner geladen hatten, trug ihnen den Namen „Rosinenbomber“ bei der Bevölkerung ein.

Am 12. Mai 1949 hob die Sowjetunion die Blockade Berlins endlich wieder auf. Die Luftbrücke wurde noch bis Oktober 1949 fortgeführt. +++ mb


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