Offenbar nicht alles im grünen Bereich beim Kläranlagenbau in Flieden

Wollte Henkel die EU-weite Ausschreibung umgehen?

Flieden. Die Kläranlage in der osthessischen Gemeinde Flieden im Landkreis Fulda wird seit letztem Jahr umfangreich modernisiert. Wie man aus dem Rathaus hört, befinde sich die Baumaßnahme zurzeit im Kosten- und Zeitrahmen. Man gehe von Gesamtkosten in Höhe von 7,8 Millionen Euro aus. Womöglich gab es aber in der Vergangenheit diesbezüglich Vorkommnisse, die nicht alle im grünen Bereich lagen.

Wie aus uns überlassenen Unterlagen hervorgeht, wurde der Gemeinde Flieden von einem Mitarbeiter eines Ingenieurbüros aus Vellmar (Landkreis Kassel) am 24.07.2014 ein angepasster Ingenieurvertrag zugesendet, um die Vorplanungen der Kläranlage in der Gemeinde bis Dezember 2014 bearbeiten zu können. Am 13.01.2015 kontaktierte der Bürgermeister der Gemeinde Flieden, Christian Henkel, einen Anwalt, um zu erfragen, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die Gemeinde Flieden eine Ausschreibung nach den „Vorgaben der Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen“ – kurz: VOF – vermeiden könne.

Wie aus den Unterlagen weiter hervorgeht, hat der Rechtsanwalt Bürgermeister Henkel mit Schreiben vom 05.02.2015 mitgeteilt, dass der EU-Schwellenwert für öffentliche Ausschreibungen von Architekten- und Ingenieurleistungen im Jahr 2012 bei 200.000 Euro und im Jahr 2014 bei 207.000 Euro lag. Hierbei handelte es sich nicht um einen Brutto-, sondern um einen Nettobetrag. Das Oberlandesgericht Schleswig hat durch Beschluss vom 30.03.2004, 6 VERG1/03 entschieden, dass Nebenkosten bei der Berechnung des Schwellenwertes außer Ansatz bleiben. Gemäß §3 VgV ist maßgeblicher Zeitpunkt für die Schätzung des Auftragswertes der Tag, an dem die Bekanntmachung der beabsichtigten Auftragsvergabe abgesendet oder das Vergabeverfahren auf anderer Weise eingeleitet wird. Unterstellt, die Gemeinde hätte die Neufassung des Ingenieurvertrages des besagten Ingenieurbüros in Vellmar, die lediglich die Ingenieurbauwerke und die technische Ausrüstung mit einem Nettohonorar (Nebenkosten) in Höhe von 190.406,07 Euro beinhaltet, angenommen, dann läge der Auftragswert unterhalb des EU-Schwellenwertes. Wie der Anwalt in dem Schreiben Bürgermeister Henkel weiter mitteilte, könne er ihm allerdings aus haftungsrechtlichen Gründen nicht zu einem derartigen Konstrukt raten, da nach seinem Kenntnisstand, die Neufassung des Vertrags rückdatiert wurde.

Auch geht aus den Unterlagen hervor, dass auf jeden Fall nach der „Honorarordnung für Architekten und Ingenieure“ (HOAI), die zum Zeitpunkt der Auftragserteilung gültig ist, abzurechnen sei. Es könne deshalb nicht nach der HOAI von 2009 abgerechnet werden, wenn die Auftragserteilung nicht angreifbar sein soll, so der Anwalt in seinem Schreiben an Bürgermeister Henkel. Die Prüfung der Notwendigkeit einer Ausschreibung nach kommunalrechtlichen Vorschriften, habe er „weisungsgemäß“ nicht vorgenommen. Als 2017 feststand, dass die Kosten den heutigen Stand erreichen, hätte man sicherlich nach Alternativen für das Gesamtsystem suchen können. Ebenso wurde wahrscheinlich nicht konsequent nach Fördermöglichkeiten gesucht. Es erfolgte lediglich eine Verrechnung über die Abwasserabgabe und eine Umschichtung von geringen Fördermitteln aus dem Kanalbau. Die Gewährung von Fördermitteln erfordert eine strikte Einhaltung von allen Vergabekriterien. Vor 2015 galt die VOF und ab Dezember 2014, das Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz (HVTG). Die oben genannten Schwellenwerte von 50.000 Euro netto wurden auf jeden Fall überschritten. Dennoch wurden die Ingenieurleistungen nicht ausgeschrieben. Selbst wenn die „HOAI 2009“ vereinbart wurde, steht dem Ingenieurbüro das Honorar der zum Zeitpunkt gültigen HOAI in der Fassung 2013 zu.

Der Gemeinde entsteht somit ein erheblicher Schaden, da nur die Leistungen vergütet werden müssen, die nicht strittig sind. Es ist jedoch absehbar, dass mehrere hunderttausend Euro an zusätzlichen Kosten anfallen werden. Im Raum steht also die Frage, warum der Ingenieurvertrag von Bürgermeister Henkel und dem ersten Beigeordneten der Gemeinde Flieden, Winfried Happ, am 01.04.2015 nach der „HOAI“-Fassung 2009 unterschrieben wurde. Inzwischen hat das mit der Projektsteuerung beauftragte Büro seine Tätigkeiten an der Kläranlage eingestellt. +++

Hinweis: Für alle (oder der eine oder die eine) die uns Mails schreiben auf die man nicht antworten kann. Wir bleiben dran. Schauen Sie sich die Bilder an. Die sagen schon einiges.