Özdemir sieht in Türkei-Krise eine Chance

Kritik an Wirtschaftshilfen für die Türkei

Grünen-Chef Cem Özdemir
Cem Özdemir (Grüne)

Der Grünen-Politiker Cem Özdemir sieht in dem Sturz der Lira und der Konfrontation zwischen der Türkei und den USA eine Möglichkeit zur Wiederannäherung des Landes an Europa. Zwar schmerze es ihn, mitanzusehen, wie der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan „die Türkei in sklavischer Gefangenschaft mit in den Abgrund zieht“, sagte Özdemir dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. „Aber vielleicht birgt diese Krise die Chance auf eine Kurskorrektur“, so der frühere Grünen-Chef. Dies hänge auch vom Auftreten der Bundesregierung und der EU-Kommission in den nächsten Wochen ab: „Deutschland und die EU müssen den Wandel der türkischen Politik einfordern – sie müssen Erdogan deutlich machen: Es gibt keine Leistung ohne Fortschritte bei Demokratie und Menschenrechten“, forderte Özdemir.

Kritik an Wirtschaftshilfen für die Türkei

In der Debatte um deutsche Wirtschaftshilfen für die Türkei hat sich die Vorsitzende der Deutsch-Türkischen Parlamentariergruppe, Sevim Dagdelen (Linke), kritisch geäußert. Das berichtet „Bild“. „Es ist ungeheuerlich, dass deutsche Steuergelder jetzt noch dazu dienen sollen, das Erdogan-Regime zu stabilisieren“, sagte Dagdelen dem Blatt. Es bleibe das Geheimnis der Bundesregierung, wie sie „diese Hilfen mit Grundgesetz und Demokratie in Einklang bringt“, sagte Dagdelen weiter. Zuvor hatte SPD-Chefin Andrea Nahles Hilfen für die Türkei ins Gespräch gebracht, „unabhängig von den politischen Auseinandersetzungen mit Präsident Erdogan“. Auch der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages, Eric Schweitzer, äußerte gegenüber der Zeitung Vorbehalte gegenüber Hilfen für die Türkei. „Die Verantwortung für die wirtschaftliche Entwicklung liegt in erster Linie bei der türkischen Regierung“, erklärte Schweitzer gegenüber „Bild“. „Eine mögliche finanzielle Unterstützung hängt vom konkreten Einzelfall ab und ist von der EU bzw. dem IWF zu klären. Bedingungen dafür sind aber in jedem Fall Rechtssicherheit und eine unabhängige Zentralbank.“

Oettinger empfiehlt Ankara den IWF

EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger hat der Türkei nahegelegt, notfalls Finanzhilfen beim Internationalen Währungsfonds (IWF) zu beantragen. Dieser sei eingerichtet worden für „dramatische Entwicklungen und Zuspitzungen“, sagte Oettinger den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Der IWF vergebe Darlehen unter Auflagen und mit der Maßgabe, Strukturreformen durchzuführen. „Deswegen ist der IWF keine pflegeleichte Adresse, aber er ist die richtige Adresse.“ Unterstützung aus dem EU-Haushalt lehnte Oettinger ab. Zwar gebe es finanzielle Förderprogramme für Beitrittskandidaten. „Ob wir solche Hilfen freigeben oder ihren Umfang erhöhen, hängt entscheidend von den Fortschritten in der Türkei ab“, sagte der deutsche Kommissar. „Leider müssen wir feststellen, dass die Türkei seit wenigen Jahren keine Fortschritte, sondern Rückschritte macht auf ihrem Weg in die EU.“ Auch Finanzhilfen aus Deutschland halte er „im Augenblick nicht für angezeigt“. Gleichwohl nahm Oettinger für die EU in Anspruch, sich „kollegial und fair“ zu verhalten, da die Europäer anders als die USA keine Sanktionen gegen die Türkei verhängten. In der türkischen Wirtschaftskrise gehe es zuallererst um eine „richtige Politik in Ankara“, fügte Oettinger hinzu. Konkret nannte er eine unabhängige Notenbank, eine veränderte Zinspolitik und vertrauensbildende Maßnahmen der türkischen Regierung etwa mit Blick auf die Wirtschaftsförderung. +++