Özdemir: Bundestag soll zu Nein bei Türkei-Referendum aufrufen

Türkische Gemeinde Bayern wirft Erdogan Rechtsbeugung vor

Grünen-Chef Cem Özdemir
Cem Özdemir (Grüne)

Berlin. Grünen-Chef Cem Özdemir hat alle Parteien im Bundestag dazu aufgerufen, sich gemeinsam an die Deutsch-Türken zu wenden: „Die Fraktionen im Bundestag könnten sich zusammentun und gemeinsam die Deutsch-Türken dazu aufrufen, an dem Referendum teilzunehmen, aber mit Nein zur Diktatur und mit Ja zur Demokratie zu stimmen“, sagte er der „Welt am Sonntag“. Es sei widersinnig, hier in Deutschland die Vorzüge einer freiheitlichen Demokratie zu genießen und für die Türkei die Einrichtung einer Diktatur zu befürworten. „Wir müssen endlich den Kampf um Kopf und Herz der Deutsch-Türken aufnehmen“, sagte Özdemir.

Er selbst werde in den nächsten Tagen ein Facebook-Video veröffentlichen, in dem er auf Deutsch und Türkisch auf Erdogans Taktik hinzuweisen will. Erdogan wolle die Türken in Deutschland bloß „in Geiselhaft“ nehmen. „Ich werde ihnen sagen: Lasst nicht zu, dass Erdogan mit seinem Tam-Tam hier in Deutschland Unfrieden sät und damit seine Brüder im Geiste von den Rechtspopulisten wie die AfD stark macht. Wir gehören zusammen und unsere Probleme werden in Deutschland gelöst. Dort entscheidet sich die Zukunft eurer Kinder.“ Sollte Erdogan das Referendum gewinnen, erwartet Özdemir eine Emigrationswelle. „Dann werden die letzten kritischen Journalisten zu uns kommen, ganze Universitätsfakultäten werden auswandern, die Türkei wird der letzten eigenständigen Köpfe beraubt. Denn in einer solchen Türkei muss jeder damit rechnen, dass die Kinder in der Schule einer nationalistisch-islamistischen Gehirnwäsche unterzogen werden.“ Den Doppelpass sieht Özdemir nur als Mittel zum Zweck. „Die doppelte Staatsbürgerschaft ist für mich immer nur Mittel zu Zweck, nicht mehr. Und der Zweck ist die Einbürgerung, dass aus Ausländern dann Inländer werden“, sagte Özdemir.

Fall Yücel: Türkische Gemeinde Bayern wirft Erdogan Rechtsbeugung vor

Der Sprecher der Türkischen Gemeinde in Bayern (TGB), Vural Ünlü, hat der türkischen Regierung im Fall des inhaftierten „Welt“-Journalisten Deniz Yücel Rechtsbeugung vorgeworfen. „Angesichts der grotesken Vorverurteilung“ Yücels sei mit einem fairen und unabhängigen Gerichtsverfahren nicht zu rechnen, sagte Ünlü der „Welt am Sonntag“. Nach Wochen im Polizeigewahrsam hatte ein Haftrichter in Istanbul Untersuchungshaft für Yücel angeordnet. Der Vorwurf der Terror-Propaganda aber sei an den Haaren herbeigezogen, so Ünlü: „Deniz Yücel hat sich mit PKK-Anhängern getroffen, hat deren Position beschrieben. Das mögen viele in der Türkei für deplatziert und geschmacklos halten. Die PKK hat dem Land ja auch viel Leid zugefügt. Aber Yücel deswegen einzusperren? Das ist doch absurd.“ Der Journalist sei vielmehr ein politischer Gefangener, sagte Ünlü. Yücel würde vom türkischen Präsident Erdogan „instrumentalisiert, um im national-konservativen Lager auf Stimmenfang zu gehen“ und für das bevorstehende Referendum in der Türkei zu punkten: „Deshalb inszeniert er sich als starker Mann, der sich nichts gefallen lässt. Von niemandem. Yücel kommt ihm da gerade recht.“ +++