Ökonomen schlagen „Anti-Stau-Maut“ vor

Berlin. Der Wissenschaftlerbeirat des Wirtschaftsministeriums hat grundsätzliche Kritik an den Regierungsplänen zur Maut-Vignette und zur Energie- und Internetpolitik geäußert: In einem Gutachten, das der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ vorab vorlag, empfiehlt der Ökonomen-Beirat die Einführung einer sogenannten Anti-Stau-Maut für Personen- und Lastwagen. Wenn viele Fahrzeuge auf der Straße sind, würde die Benutzung teurer. „Wir brauchen eine intelligente Maut, damit die Verkehrsnachfrage geglättet wird“, sagte der für das Gutachten federführende Freiburger Wirtschaftsprofessor Günter Knieps der Zeitung.

Die Mautpläne von Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) lehnen die Wissenschaftler ab, weil sie ihrer Ansicht nach keine Lenkungswirkung haben. Das Gutachten wird am Montagmittag offiziell vorgestellt. Als positive Beispiele für auslastungsabhängige Mautsysteme werden in dem Gutachten Erfahrungen aus Amerika beschrieben, wo die Befahrung vieler Highways je nach Verkehrsaufkommen unterschiedlich viel kostet. So würden Staus vermieden. Lobend erwähnt wird auch die City-Maut in London und Stockholm. Durch sie wurde das Verkehrsaufkommen reduziert und Stauprobleme entschärft. Technisch umgesetzt werden könnte die Maut durch satellitengestützte Ortungssysteme in jedem Fahrzeug. Die datenschutzrechtliche Problematik streifen die Wissenschaftler nur am Rande.

Auch zu anderen Reizthemen hat der Wissenschaftler-Beirat Vorschläge, die für Diskussionen sorgen werden. Um Engpässe in den Stromübertragungsnetzen zu vermeiden, plädieren sie für eine Abkehr von überall gleichen Netzentgelten. Differenzierte Tarife würden den Stromanbietern und -Nachfragern Signale geben, ihre Produktionsmengen und den Verbrauch den Kosten anzupassen, heißt es in dem Gutachten. „Durch unterschiedliche Preise kann man die Nutzung des Netzes so steuern, dass es stabiler wird“, erklärte Achim Wambach, der Vorsitzende des Wissenschaftlichen Beirats des Wirtschaftsministeriums. Ist das Netz überlastet, steigen die Nutzungspreise, sodass Kraftwerke die Produktion drosseln. Gerade angesichts der zunehmenden schwankenden Ökostrom-Produktion kommt dem Vorschlag Bedeutung zu.

Die Wissenschaftler nehmen auch zur Debatte über die sogenannte Netzneutralität im Internet Stellung. Dabei geht es um die Frage, ob der Staat den Netzbetreibern vorschreiben soll, dass sie alle Daten gleich schnell transportieren müssen. Viele Internetnutzer wünschen sich dies. Der Wissenschaftlerbeirat ist dagegen. „Im Telekommunikationsnetz sollten Qualitätsunterschiede in der Datenübertragung nicht beschränkt werden“, schreiben die Ökonomen. Auch beim Internet sei das Netz kein „öffentliches Gut“, sondern es könnten Engpässe auftreten. Diese würden reduziert, wenn die Nutzungspreise je nach Datenmenge und Auslastung unterschiedlich hoch wären. „Es ist überhaupt nicht einsichtig, warum der Staat das regulieren muss“, sagte Wambach der Zeitung. +++ fuldainfo