Ökonom hält Corona-Bonds für unumgänglich

Auch einige CDU-Politiker für Corona-Bonds

Der Wirtschaftsexperte Jens Südekum hält ein gesamteuropäisches Rettungspaket für unumgänglich, um den wirtschaftlichen Folgen der Coronakrise zu begegnen. Die notwendigen Summen seien realistischerweise nur durch Schulden finanzierbar, schreibt er in der „Welt am Sonntag“. Daher schlage jetzt die Stunde für europäische Gemeinschaftsanleihen, sogenannte Corona-Bonds. Nur so könne Europa die Jahrhundertkrise bewältigen. Den Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM) hält Südekum für keine geeignete Alternative. Sie seien dazu entwickelt worden, Ländern in selbst verschuldeten Krisen kurzfristige Kredite zu gewähren und dafür Strukturreformen zu verlangen. Zudem würde die Refinanzierung für Italien und Spanien „schnell zu einem Ritt auf der Rasierklinge“. Jens Südekum ist Professor für Internationale Volkswirtschaftslehre an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. Er berät die Bundesregierung, EU-Kommission und der Bundesbank zu internationalen Wirtschaftsfragen.

Auch einige CDU-Politiker für Corona-Bonds

Mehrere CDU-Politiker können sich in der Krise gemeinsame EU-Anleihen vorstellen. Man könne sich „angesichts der Opferzahlen im Süden“ nicht vorstellen, „was in italienischen, spanischen, französischen Seelen los ist“, sagte CDU-Vorstandsmitglied Elmar Brok der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS). Wegen der Katastrophe in diesen Ländern seien „klar definierte und begrenzte“ europäische „Corona-Anleihen“ als Teil eines Pakets von Hilfen „unvermeidbar“. Wenn Deutschland sich weigere, stärke das die Populisten im Süden Europas. „Dann kreischen die Le Pens und Salvinis vor Freude auf“, sagte Brok. Falls aber große EU-Länder in der Krise zusammenbrächen und an Radikale fielen, gebe es auch in Deutschland keinen Aufbau. „Es gibt keine nationale Lösung für ein Land, das vom Export lebt.“ Der Obmann der Unionsfraktion im Auswärtigen Ausschuss, Roderich Kiesewetter, äußerte zwar grundsätzliche Bedenken gegen gemeinsame europäische Schulden, aber Italien oder Spanien müssten „jetzt Liquidität bekommen, die nicht kurzfristig mit hohen Zinsen zurückzuzahlen ist“. 1974 habe die Europäische Gemeinschaft schon einmal eine Anleihe aufgelegt, um die Folgen der damaligen Ölkrise abzufedern. „Das könnte ein Modell für heute sein“, sagte Kiesewetter. „Wir könnten die Liquidität besonders hart betroffener Staaten über eine gemeinsame Anleihe punktuell wieder herstellen.“ Der Vizepräsident des Europaparlaments, Rainer Wieland, verlangte einen Kompromiss um Ländern zu helfen, die unverschuldet in die Krise geraten seien. Allerdings dürfe es kein „frisches Geld für alte Probleme“ geben. „Solidarität und Solidität dürfen nicht getrennt werden.“ Dann könne er sich als letzte von vielen Varianten der Hilfe auch vorstellen, „dass die EU gemeinsam etwas auflegt“ – allerdings „nicht für irgendwelche Wolkenkuckucksheime, sondern klar begrenzt auf die Bewältigung der jetzigen Krise“, so Wieland.

Österreichs Finanzminister kritisiert Debatte um Corona-Bonds

Wenige Tage vor der Videokonferenz der europäischen Finanzminister am kommenden Dienstag, in der über Finanzhilfen in der Coronakrise beraten werden soll, hat der österreichische Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) die Idee gemeinsamer europäischer Anleihen in der Coronakrise scharf kritisiert. „Es ist nicht legitim, unter dem Deckmantel von Corona die Ideen von vor fünf, zehn oder zwanzig Jahren wiederaufzuwärmen, die damals aus guten Gründen nicht umgesetzt wurden“, sagte Blümel der „Welt am Sonntag“. Es gebe „keine sachlichen Gründe für Corona-Bonds“. Selbst hochverschuldete Länder könnten „derzeit günstig Kredite aufnehmen“, so der ÖVP-Politiker weiter. In dieser Situation über mangelnde Solidarität zu klagen, um eine seit Langem angestrebte Vergemeinschaftung von Staatsschulden durchzudrücken, sei unseriös. Österreichs Finanzminister plädierte stattdessen dafür, sich bei den in der kommenden Woche anstehenden Diskussionen auf die bestehenden Instru  mente zu beschränken, besonders auf die beschleunigten Kreditlinien des Euro-Rettungschirms ESM oder auch Kredite der Europäischen Investitionsbank (EIB). Unterdessen geht die Diskussion über gemeinsame europäische Anleihen zur Finanzierung der Krisenfolgen weiter. Aktuell werden sogenannte „Wiederaufbau-Anleihen“ diskutiert, mit denen Konjunkturprogramme finanziert werden sollen. Frankreich hat diese Idee eingebracht, die von Italien und Spanien unterstützt wird. +++