Ökonom: „Altersarmut existiert in Deutschland praktisch nicht“

Rentner, Rente

Berlin. Für den Ökonomen Thomas Straubhaar stellt Altersarmut in Deutschland derzeit kein Problem dar: „Altersarmut existiert in Deutschland praktisch nicht“, sagte der ehemalige Direktor des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts der „Bild am Sonntag“. „Der heutigen Rentnergeneration geht es besser als jeder Rentnergeneration vor ihr. Der überragende Teil der Über-65-Jährigen braucht jenseits von Rente, betrieblicher und eigener Vorsorge keinen weiteren Cent vom Staat, um über die Runden zu kommen. Den Rentnern geht es im Vergleich zu jungen Familien oder Alleinerziehenden und auch im internationalen Vergleich also rosig.“

Wie erfolgreich die deutsche Wirtschaft und der deutsche Sozialstaat in den vergangenen 60 Jahren gewesen sei, zeige sich nirgends so deutlich wie bei den Rentnern. Kommende Generationen dürften im Alter aber deutlich schlechter gestellt sein, so Straubhaar. „Diese goldene Generation wird die letzte sein, die vergleichsweise jung in Ruhestand gehen konnte und diesen auch finanzieren kann. Wer in den 60er-Jahren oder danach geboren ist, muss schon länger arbeiten und wird trotzdem am Ende weniger Rente bekommen.“ Die zunehmende Zahl der Rentner hat nach den Worten Straubhaars verheerende Auswirkungen auf die Politik: „Es ist dramatisch: In Deutschland kann schon heute keine Politik mehr gegen die Interessen der Senioren gemacht werden. Wer an den Privilegien der Älteren rüttelt, wird abgestraft. Wahlsiege sind nur noch mit den Stimmen der Rentner möglich.“

Der Volkswirtschaftsprofessor weiter: „Die Große Koalition hat verstanden, dass die Chancen für eine Wiederwahl steigen, wenn sie Politik für die Älteren macht. Die jüngere Generation gerät dabei politisch in die Defensive, am Ende droht die Diktatur der Alten.“ Straubhaar fordert in diesem Zusammenhang ein Kinderwahlrecht und ein flexibleres Renteneintrittsalter: „Ich hätte zwei Empfehlungen an die Politik: Erstens müsste die Regierung ein Familienwahlrecht einführen. Für jedes Kind hätten die Eltern dann eine Stimme zusätzlich. Zweitens: Nur eine Hälfte der geschenkten wunderbarerweise immer längeren Lebenszeit geht in Altersfreizeit, die andere Hälfte sollte gearbeitet werden. Pro Jahrzehnt steigt die Lebenserwartung in Deutschland um zwei Jahre – demzufolge müsste das Renteneintrittsalter alle zehn Jahre um ein Jahr steigen. Heute könnte man mit 65 in Rente gehen, 2025 mit 66 und so weiter.“ +++ fuldainfo