Nächtliche Ausgangssperre ab 6. April im Main-Kinzig-Kreis

Entwicklung in gesamter Region zeigt diffuses Geschehen auf sehr hohem Niveau

Auch im Main-Kinzig-Kreis wird ab Dienstagabend (6. April) eine nächtliche Ausgangssperre gelten. Damit reagiert der Main-Kinzig-Kreis auf die stetig steigenden Infektionszahlen, die sich auch durch die ansteckendere britische Virusvariante ergeben. Dies geht einher mit einem zunehmend diffusen Infektionsgeschehen. Es sind in wachsendem Maße die Infektionsorte gemeinsam mit den Infizierten nicht mehr ermittelbar, was auch das zunehmend diffuse Infektionsgeschehen vor allem in den jüngeren Jahrgängen bestätigt. Der Sieben-Tagesinzidenzwert für den Main-Kinzig-Kreis hat am Freitag (2. April) einen Wert von 183 erreicht und liegt damit deutlich höher als der hessenweite Wert von 143.

Die Ausgangssperre, die ab dem 6. April von 21 bis 5 Uhr für zunächst zwei Wochen gelten soll, hat der Verwaltungsstab um Landrat Thorsten Stolz, Erster Kreisbeigeordneter Susanne Simmler und Kreisbeigeordnetem Winfried Ottmann in Abstimmung mit Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky und Stefan Erb, Vorsitzender der Bürgermeisterkreisversammlung, am Karfreitag beschlossen. Mit allen Bürgermeistern der Region gab es noch am Nachmittag eine Abstimmung.

„Wir haben es mit einer schwierigen Lage zu tun: die britische Virusvariante, die als deutlich ansteckender gilt, hat den ursprünglichen Virustyp fast vollständig verdrängt – auch bei uns im Main-Kinzig-Kreis. Das bedeutet, dass wir damit rechnen müssen, schon Mitte April einen Inzidenzwert von 300 zu erreichen, wenn wir jetzt nicht gegensteuern und auf die Bremse treten“, erläutert Landrat Thorsten Stolz. „Unsere Bürgerinnen und Bürger sind erneut zu einem enormen Kraftakt aufgerufen. Durch  nächtliche Ausgangsbeschränkungen alleine  werden wir die Zahl der Neuinfektionen nicht in den Griff bekommen, aber sie sind eine notwendige Säule in dieser Situation. Jeder und jede von uns muss aber mittun, denn wir alle wünschen uns, dass wir eine Stabilität auf niedrigem Niveau erreichen können“, erklärt Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky. Auch Stefan Erb, Vorsitzender der Bürgermeisterkreisversammlung, sieht diesen Schritt als unumgänglich an: „Die Ausgangssperre wird ein deutliches Zeichen setzen. Die Lage ist ernst, gerade weil wir im Kreis mittlerweile immer mehr Kommunen haben, deren Inzidenz schon jetzt sehr hoch liegt.“

„Wir müssen dringend eine Stabilität reinbekommen und zwar auf einem anderen Inzidenzniveau als bisher. Das braucht das Gesundheitssystem, aber vor allem brauchen wir alle es. Und dabei ist wichtig, dass kein Beschluss der Politik die Eigenverantwortung eines Jeden ersetzen kann: Ohne Eigenverantwortung geht es nicht“, betont Gesundheitsdezernentin Susanne Simmler. „Wir werden diese Pandemie nur bekämpfen können, wenn alle es als ihre eigene Aufgabe begreifen und mithelfen“, so Simmler weiter. Die vergangenen zwei Wochen hätten gezeigt, dass auch in den Krankenhäusern der Region wieder ein Anstieg der Corona-Fälle und auch der schweren Fälle erkennbar ist. „Das Ziel hat sich auch nicht verändert, jeder der Hilfe braucht, soll sie bekommen können. Jetzt haben wir es mit einem noch ansteckenderen Feind zu tun – das muss uns allen klar sein. Deswegen müssen die Zahlen runter“, appellieren die Verantwortlichen gemeinsam. Die jetzige Maßnahme der Ausgangsbeschränkungen trägt auch dem Umstand Rechnung, dass die Ansteckungen vor allem auch in den jüngeren Altersklassen immer mehr werden. Der Verwaltungsstab hat in diesem Zusammenhang beschlossen, dass die Kindertagesstätten zunächst geöffnet bleiben sollen. Den Eltern wird jedoch dringend empfohlen, ihre Kinder nach Möglichkeit zu Hause zu betreuen.

Doch mit Appellen an die Bürgerinnen und Bürger allein ist es nicht getan. Auch die 29 Kommunen im Main-Kinzig-Kreis sind aufgerufen, die Einhaltung der geltenden Corona-Beschränkungen stärker zu kontrollieren. Der Grund: Den Verwaltungsstab haben insbesondere mit Beginn der wärmeren Temperaturen zahlreiche Hinweise erreicht, dass sich viel zu viele Menschen bei Aufenthalten im Freien nicht an die Abstands- und Kontaktbestimmungen halten. „Natürlich sind Kontakte zu anderen Menschen, die nicht dem eigenen Hausstand angehören, im Freien besser als in geschlossenen, schlecht belüfteten Räumen. Aber dennoch gilt auch im Freien: Abstand halten, Maske tragen, wo dies nicht möglich ist und generell überlegen, ob dieser Kontakt gerade notwendig ist. Es geht weiterhin um die Reduzierung von Kontakten – auch ohne Vorschrift, so schwer uns das nach einem Jahr fällt. Die britische Virusvariante ist deshalb auch so gefährlich, weil eine infizierte Person deutlich mehr Viruslast entwickeln kann, die dann sehr leicht an andere weitergegeben werden kann – auch im Freien, beim Sitzen auf der grünen Wiese und erst recht beim Trinken aus einer gemeinsamen Flasche. Hier ist Abstandhalten unbedingt einzuhalten“, erklärt die Gesundheitsdezernentin.

Auch das Robert-Koch-Institut (RKI) hat mittlerweile seine Empfehlungen hinsichtlich der Kontaktpersonennachverfolgung angepasst und sogar verschärft – als Reaktion auf die ansteckenderen Virusvarianten. „Umso wichtiger ist es, die Schnellteststrategie in Schulen und Unternehmen deutlich auszuweiten. Unser Dank gilt da allen, die sich sehr intensiv gerade auch in den vergangenen Tagen sehr viele Gedanken gemacht haben und diese umsetzen. Wir erkennen zwar derzeit weiterhin den Großteil der Übertragungen im privaten und familiären Bereich, diese werden ja dann aber auch in andere Systeme eingetragen – in Bereiche, in denen dann auseichend Schutz und Vorkehrungen vorhanden sein müssen“, erläutert Susanne Simmler.

„Es sind drei wesentliche Bereiche zur Pandemiebekämpfung: Das Mitwirken jedes einzelnen, wenn es um das Vermeiden von Kontakten geht, das Impfen und die Schnelltests. Neben dem Aufbau von unseren eigenen sechs Schnelltestzentren hat der Main-Kinzig-Kreis gemeinsam mit der Industrie- und Handelskammer an die Unternehmen appelliert, Schnelltest-Angebote in den Betrieben zu schaffen oder die mittlerweile in größerer Zahl im Kreisgebiet errichteten Schnellteststationen zu nutzen. Der Main-Kinzig-Kreis bietet hier Beratung und Unterstützung an“, zählt Landrat Stolz auf. Auch die Bundeswehr unterstütze den Main-Kinzig-Kreis nach wie vor und sei auch bei den Schnelltests in den stationären Einrichtungen eingesetzt.

„Auch in den Schulen wird verstärkt getestet. Um geeignete Strukturen zu schaffen, hatte der Kreis zwei Pilot-Schulen ausgesucht – auch, um die Dunkelziffer bei unbemerkt verlaufenden Infektionen besser ausleuchten zu können“, ergänzt Schuldezernent Winfried Ottmann mit Blick auf die Zeit nach den Osterferien. Auch das Land Hessen hatte die Laienselbsttests an einer Schule im Kreis getestet. Mit Blick auf weitere Öffnungen nach den Osterferien bleiben die Verantwortlichen skeptisch, denn wenn der Inzidenzwert im Main-Kinzig-Kreis weiter steigt, wird in den Schulen über kurz oder lang der Präsenzunterricht wieder ausgesetzt, erklärt Winfried Ottmann. Verstärkt würden jetzt auch die Unternehmen in den Blick genommen. Diese seien dazu aufgerufen, ihre internen Arbeitsprozesse genau unter die Lupe zu nehmen, damit die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht auf zu engem Raum arbeiten und womöglich auch ihre Tätigkeit zu Hause ausüben können.

Während die Virusverbreitung bei den älteren Menschen dank der guten Durchimpfung deutlich abgenommen hat, steigen die Neuinfektionen bei den jüngeren Menschen. „Das bereitet uns große Sorge, da wir aus der Erfahrung heraus wissen, dass steigende Infektionszahlen zeitverzögert dazu führen, dass auch die Zahl der Covid-Fälle in den Krankenhäusern zunehmen werden. Hier dürfen wir nicht darauf warten, bis diese Situation eingetreten ist, um weitere Einschränkungen zur Eindämmung der Pandemie zu beschließen. Denn die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Krankenhäusern, im Rettungsdienst und auch den Arztpraxen haben in den zurückliegenden Monaten Schwerstarbeit geleistet. Es wäre unverantwortlich, das Gesundheitssystem erneut an seine Belastungsgrenze zu bringen und erst dann gegenzusteuern – für die Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, aber vor allem für jeden einzelnen von uns, der jederzeit auf medizinische Versorgung angewiesen sein könnte“, ergänzt Susanne Simmler.

„Die nächtliche Ausgangssperre ist ein Baustein von vielen. Sie wird nichts bringen, wenn sich die Menschen nicht auch tagsüber an die aktuell geltenden Gebote und Beschränkungen halten. Wir können eine Pandemie nur dann erfolgreich bekämpfen, wenn alle mitziehen“, sind sich Thorsten Stolz, Susanne Simmler, Winfried Ottmann sowie Claus Kaminsky und Stefan Erb einig. Die Allgemeinverfügung des Kreises wird ab Dienstagabend, 6. April, zunächst für zwei Wochen gelten. Deshalb muss jeder zwischen 21 und 5 Uhr in seiner eigenen Wohnung sein, falls keine dringenden Gründe vorliegen. Allerdings wird klargestellt, dass etwa die Arbeit, das notwendige Versorgen von Tieren oder auch Arztbesuche sowie zum Beispiel Impftermine, davon ausgenommen sind. +++ pm