Die Grünen-Fraktion verlangt als Konsequenz aus dem Anschlag in Solingen weitreichende Maßnahmen in der Innenpolitik. „Es ist an der Zeit, die ‚Zeitenwende‘ auch im Inneren entschlossen umzusetzen“, heißt es in einem Positionspapier, über das das ARD-Hauptstadtstudio am Mittwoch berichtet.
Darin schlagen Fraktionsvize Konstantin von Notz und Parlamentsgeschäftsführerin Irene Mihalic vor, dass Bund und Länder ihre Zusammenarbeit in Sicherheitsfragen grundlegend neu ausrichten. Mihalic und von Notz kreiden den Innenministern in Bund und Ländern an, zu wenig für die Zusammenarbeit der unterschiedlichen Behörden zu tun. „Durch dieses Nichthandeln entstehen ineffektive und teils gefährliche Doppel- und Gar-Nicht-Strukturen“, schreiben sie. Nötig seien auch Grundgesetzänderungen, die teils von der Union blockiert würden.
Mihalic und von Notz rufen zu einem Schulterschuss der demokratischen Parteien auf. Ohne CDU-Chef Friedrich Merz beim Namen zu nennen, werfen sie der Opposition vor, „wenig zielführende, allzu reflexhafte Diskussionen“ nach schweren Straftaten zu führen. Für die sicherheitspolitischen Fehleinschätzungen in der Vergangenheit sind ihrer Meinung nach aber alle Fraktionen im Bundestag verantwortlich, die in Regierungsverantwortung waren.
Der Bundesinnenministerin, Nancy Faeser (SPD), werfen Die beiden Grünen-Politiker vor, falsche Prioritäten zu setzen. Das Innenministerium verfolge eine „klassische, heute in weiten Teilen veraltete Sicherheitspolitik“. Es verfange sich „viel zu sehr in Symboldebatten“, statt auf die Defizite einzugehen.
In ihrem Positionspapier sprechen sich die Grünen für konsequente Abschiebungen von nichtdeutschen Gefährdern aus. Bei Abschiebungen und Überstellungen in andere EU-Länder sei der Vollzug noch mit zu vielen Mängeln behaftet. „Bund und Länder müssen sich gemeinsam anschauen, wie aus der möglichen eine tatsächliche Abschiebung wird.“
Mihalic und von Notz zeigen sich zudem offen für ein schärferes Waffenrecht und mehr Befugnisse für die Sicherheitsbehörden – unter anderem verdeckte Ermittlungen in sozialen Netzwerken und einen besseren Austausch zwischen Polizei und Geheimdiensten.
Zur Finanzierung der Maßnahmen schlagen die Grünen-Politiker eine Art Sondervermögen vor. Sie nennen es „Basisinvestition“. Bund und Länder sollen nach Vorstellung der Grünen zusammen ermitteln, wie viel Geld für Personal und Technik der Sicherheitsbehörden nötig ist. Es brauche mehr Ressourcen in Ausländerbehörden, beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, in der Justiz und für die Integration.
Dobrindt gegen Asyl-Gespräche von Ländern und Bundesregierung
Der CSU-Landesgruppenvorsitzende Alexander Dobrindt sieht in der angekündigten Gesprächseinladung der Bundesregierung an Ländervertreter und Unionsparteien zur Asylpolitik keine sinnvolle Maßnahme. „Jetzt ist nicht die Zeit für Ampel-Hinhaltegesprächskreise, jetzt ist die Zeit für Entscheidungen“, sagte Dobrindt der „Bild“.
„Die notwendigen Entscheidungen, die mit der Union jetzt gehen, müssen den Stopp der illegalen Migration zum Ergebnis haben. Dazu braucht es einen Knallhart-Kurs mit umfassenden Zurückweisungen an den Grenzen, Aufnahmestopps, Passentzug, Aufenthaltsverboten, konsequenten Abschiebungen und Abschiebehaft“, sagte der CSU-Politiker. „Die Zeit der Ampel Ausreden und Alibi-Veranstaltungen ist vorbei. Wir stehen bereit, die parlamentarischen Mehrheiten für die richtigen Entscheidungen zu erreichen.“
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte nach seinem Treffen mit Oppositionsführer Friedrich Merz (CDU) am Dienstag weitere Gespräche mit der Union und nun auch mit den Ländern über die Konsequenzen aus dem Attentat von Solingen angekündigt. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) werde dazu „sehr zügig jeweils einen Vertreter des Vorsitzes und Co-Vorsitzes der Ministerpräsidentenkonferenz, Vertreter der größten Oppositionspartei und involvierte Bundesressorts zu vertraulichen und zielgerichteten Gesprächen über diese Frage einladen“, sagte er am Mittwoch in Berlin.
Bei den Gesprächen solle es demnach um die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber in ihre Herkunftsländer, die Bekämpfung des islamistischen Terrors und Änderungen des Waffenrechts gehen. Auch Vorschläge von Ländern und der Union sollten dabei berücksichtigt werden, so Scholz.
Zuletzt hatte der Kanzler bereits angekündigt, eine Taskforce zum Thema Abschiebungen einzusetzen. An dieser sollten auch Vertreter der Länder beteiligt werden. Einen Zeitplan, wann diese ihre Arbeit aufnehmen könne, gebe es noch nicht, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit am Mittwoch in Berlin. Das hänge auch vom Terminkalender der jeweiligen Beteiligten ab, so Hebestreit.
Die Begriffe „illegalen Migration“, „irreguläre Migration“ und „undokumentierte Migration“ werden häufig synonym verwendet. Der Großteil der Asylsuchenden, die nach Deutschland kommen, gilt zunächst als „illegal eingereist“, da sie Asylanträge nicht vor ihrer Einreise stellen können. Werden die Anträge genehmigt, gelten die Flüchtlinge jedoch als regulär aufhältig. +++