Merkel-Beraterin: Temperatur-Aufschwung könnte Lockdown verhindern

Krankenhausgesellschaft dringt auf konsequente Notbremse

Die Max-Planck-Forscherin und Kanzlerin-Beraterin Viola Priesemann hält einen baldigen Anti-Corona-Effekt durch steigende Temperaturen für möglich. „Sonne und Wärme werden helfen, aber ab wann, ist schwer vorherzusehen“, sagte sie der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Im allerallerbesten Fall, wirklich im optimistischsten Szenario, hat die Saisonalität schon bald eine Bremswirkung von etwa 20 Prozent und gleicht den B117-Effekt (+ 30 Prozent oder mehr) zum Teil aus.“

Trete dieses Szenario ein, „dann könnten wir es mit den Maßnahmen von Februar, also mit geschlossenen Schulen und vermehrtem Testen, schaffen“, den Anstieg der Corona-Fälle zu bremsen, so die Physikerin und Modelliererin. Vermehrtes Homeoffice würde auch noch einen Beitrag leisten. „Die Saisonalität könnte helfen, dass man nicht einen kompletten irischen Lockdown braucht – aber ohne Nachbesserung wird es schwer, das Wachstum aufzuhalten.“ Allein auf den nahenden Sommer zu setzen wäre aus Sicht Priesemanns fatal. „Ist der Saisonal-Effekt gering, steigen die Fallzahlen also weiter wie bisher, ist es trotz Impfung nicht zu vermeiden, dass die ersten Intensivstationen in zwei bis sechs Wochen am Limit sein werden“, warnte Priesemann. Dann könnten die Kliniken „über viele Wochen hinweg maximal belegt sein, und es wird zu sehr vielen vermeidbaren Todesfällen kommen“. Die Forscherin warnte daher eindringlich vor Leichtsinn: „Jetzt weiter zu lockern wäre verfrüht und gefährlich“, sagte sie. „Spielraum für deutliche Lockerungen sehe ich erst ab Juni, wenn die über 60-Jährigen geimpft sein werden.“ Dann aber gebe es die Chance für eine dauerhafte Rückkehr der Freiheit: „Wenn wir weiter die AHA-Maßnahmen beachten und auf große Events und Feiern verzichten, können wir gut durch den Sommer kommen“, sagte Priesemann.

Krankenhausgesellschaft dringt auf konsequente Notbremse

Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) sieht derzeit keine Notwendigkeit für einen bundesweiten härteren Lockdown gegen die dritte Corona-Welle. „Würden die Länder die Notbremse konsequent umsetzen, wären dies geeignete Maßnahmen, um einen Gesundheitsnotstand abzuwenden“, sagte Gerald Gaß, ab Donnerstag Vorstandsvorsitzender der DKG, der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. „Wir erwarten von der Politik, dass im Notfall bei steigenden Inzidenzen die vereinbarte Notbremse gezogen wird.“ Zwar sei die dritte Welle in den Krankenhäusern angekommen, so Gaß. „Mittelfristig müssen wir damit rechnen, dass wir auch den Höchststand an Intensivpatienten von Anfang des Jahres wieder erreichen. Trotzdem gibt es auch positive Nachrichten“, so der künftige DKG-Chef. Man habe zurzeit weniger Neueinweisungen von Covid-Patienten als bei gleichen Inzidenzwerten während der zweiten Welle. „Das bedeutet, die Impfung zeigt Wirkung.“ Ein weiterer positiver Effekt sei, dass die Beschäftigten in den Krankenhäusern, die zur Prioritätsgruppe eins und zwei gehören, überwiegend durch die erfolgten Impfungen geschützt seien. „Wir rechnen deshalb damit, dass wir in der dritten Welle weniger stark von Quarantänemaßnahmen und einem Infektionsgeschehen unter der Mitarbeiterschaft betroffen sein werden.“ Die Krankenhäuser seien noch „gut in der Lage“, die Versorgung aufrechtzuerhalten. Aber es dürfe nicht verkannt werden, „dass wir seit mittlerweile einem Jahr in einer Ausnahmesituation in den Kliniken sind“ und die Belastung der Mitarbeiter extrem hoch ist. Angesichts der Impfstoffknappheit forderte Gaß, die Zweitimpfung aufzuschieben. „Impfen ist das Mittel, um die dritte Welle zu brechen.“ Deshalb müsse man so viele Menschen wie möglich mit der Erstimpfung versorgen. „Das heißt, der Zeitraum bis zur Zweitimpfung sollte maximal ausgeschöpft werden“, sagte der künftige DKG-Chef. „Das wäre eine Möglichkeit, Krankenhäuser deutlich zu entlasten, denn insbesondere die besonders gefährdeten Personengruppen können so bereits vor schweren Verläufen geschützt werden.“ Die Bundesländer müssten mit allen Mitteln versuchen, jetzt Erstimpfungen durchzuführen.

Städtebund befürchtet Verlust von halber Millionen Handelsjobs

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund warnt vor einer Pleitewelle und massivem Jobabbau in deutschen Innenstädten. „Wir haben die ernsthafte Befürchtung, dass wir unsere Innenstädte nach der Pandemie nicht mehr wiedererkennen“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Verbandes, Gerd Landsberg, der „Bild“. Der Handelsverband rechne mittlerweile damit, dass 82.000 Einzelhandelsgeschäfte nicht wieder aufmachen werden, sagte Landsberg: „Das entspricht 450.000 Arbeitsplätzen.“ Bund und Länder müssten das Impftempo deshalb beschleunigen, sagte Landsberg der Zeitung. „Gebt viel mehr Impfstoffe an die Hausärzte. Die kennen ihre Patienten. Die können die viel individueller beraten, weil sie die Vorerkrankungen kennen.“ +++