Marburger Bund besorgt über Antibiotika in Geflügelzucht

Regierung verlangt von Geflügelbranche Zeitplan für Kükentöten-Aus

Die Ärztegewerkschaft Marburger Bund zeigt sich äußerst besorgt über den Einsatz von Antibiotika in der Fleischproduktion und ruft die Bundesregierung zum Handeln auf. „Der massive Einsatz von Reserveantibiotika in der Geflügelmast macht uns Ärzten große Sorgen. Wir brauchen diese Arzneimittel für die Therapie schwerer Infektionen, die mit konventionellen Substanzen nicht mehr behandelt werden können“, sagte Rudolf Henke, Vorsitzender des Marburger Bundes, den Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“.

Er wies darauf hin, dass der Gebrauch hochwirksamer Antibiotika in Ställen die Heilungschancen von Patienten verringere. „Wenn mehr und mehr Bakterien selbst gegen Reserveantibiotika wie Colistin Resistenzen entwickeln, ist das Spektrum der therapeutischen Möglichkeiten in vielen Fällen weitgehend aufgebraucht“, so der Chef des Marburger Bundes weiter. Es ergebe keinen Sinn, Reserveantibiotika aus der Humanmedizin in der Tiermast, insbesondere in der Geflügelmast, immer wirkungsloser werden zu lassen. Die Politik sei hier gefragt: „Wenn es keinen freiwilligen Verzicht gibt, muss man den Verbrauch verbieten oder zumindest auf klar umgrenzte Einzelfälle gesetzlich einschränken“, forderte Henke. Resistente Bakterien, die in der Tiermast entstehen, träfen „früher oder später auch uns Menschen. Deshalb muss die Politik jetzt handeln“, so der Marburger-Bund-Chef. Bundesweit ist der Einsatz von Antibiotika in der gesamten Tiermast seit 2014 um rund 30 Prozent zurückgegangen. Im selben Zeitraum stieg jedoch der Einsatz von Reserveantibiotika in der Geflügelmast. Hier liegt er bei 40 Prozent. Für Mittwoch haben Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) Vertreter der Geflügelwirtschaft zu einem Gespräch einbestellt. Die Grünen fordern eine Abkehr von der jetzigen Fleischproduktion. „Wir müssen weg von einer Tierhaltung, die Tiere systematisch krank macht, dass sie nur vollgepumpt durch Medikamente bis zur Schlachtung überleben, und von einer Hochleistungszucht, die Tiere anfällig für Krankheiten macht“, sagte der Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter den Zeitungen des „Redaktionsnetzwerks Deutschland“. Alle Masttiere benötigten mehr Platz, Auslauf, Einstreu und Beschäftigung. „Wir erwarten von den Ministern Spahn und Klöckner, dass sie sich nicht nur über das Thema informieren, sondern auch Gesetze vorlegen“, so der Grünen-Fraktionschef weiter.

Regierung verlangt von Geflügelbranche Zeitplan für Kükentöten-Aus

Die Bundesregierung erhöht beim Ausstieg aus dem Kükentöten den Druck auf die Geflügelbranche. Bei einem Spitzentreffen in Bonn habe Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) am Dienstag Wirtschaftsvertreter aufgefordert, bis Ende August einen Zeitplan zum Ausstieg aus der umstrittenen Praxis vorzulegen, berichtet die „Neue Osnabrücker Zeitung“ unter Berufung auf Teilnehmer. Demnach soll sich die Branche freiwillig verpflichten, das Töten so schnell wie möglich zu beenden. Laut NOZ wurden bei dem nicht öffentlichen Treffen verschiedene Zeitfenster mit der Ministerin diskutiert, etwa ein Ausstieg bis Ende kommenden Jahres oder Ende 2021. Eine Sprecherin des Bundeslandwirtschaftsministeriums sagte auf Anfrage der Zeitung, Ziel der Bundesregierung sei es, die ethisch nicht vertretbare Praxis so schnell wie möglich zu beenden. Erziele die Branche dabei keine Fortschritte, bliebe immer noch die Möglichkeit, das Kükentöten gesetzlich zu untersagen. Union und SPD hatten in ihrem Koalitionsvertrag einen Ausstieg bis zur Mitte der laufenden Legislaturperiode vereinbart. Bislang werden jedes Jahr etwa 45 Millionen männliche Küken direkt nach dem Schlüpfen vergast, weil sich ihre Aufzucht nicht lohnt. Mitte Juni hatte das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig geurteilt, diese jahrzehntelang geduldete Praxis sei nicht mit dem Tierschutzgesetz in Einklang zu bringen. Dennoch erlaubten die Richter das Vergasen weiterhin, solange den Brütereien keine alternativen Methoden zur Verfügung stünden. Diese hat die Bundesregierung in den vergangenen Jahren mit Millionenbeträgen gefördert. +++